Was ist Saneismus?

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Dieser Begriff bezeichnet die strukturelle Diskriminierung von Menschen, die neurologisch von der Norm abweichen, zum Beispiel weil sie als psychisch krank oder behindert gelten. Diese Form der Unterdrückung wird selten beachtet, selbst unter Aktivist*innen, die behaupten, intersektional zu denken. Meist haben sie sich nur sehr oberflächlich damit auseinandergesetzt haben, wenn überhaupt.
Dass das Thema so vielen egal ist, ist schlimm.

Diese Form der Unterdrückung zeigt sich in allen Gesellschaftsebenen, selbst an Orten, die eigentlich dazu gedacht sind, diesen Menschen zu helfen, wie zum Beispiel die Psychiatrie.

Wenn eine Person ihr Leid zu sehr äußert und zu sehr als „störend" empfunden wird, wird sie beispielsweise...

— ... zwangseingewiesen.
— ... in einem Isolationszimmer eingesperrt.
— ... an ihrem Bett fixiert.
— ... einer Zwangsmedikation und all den Folgen, wie Depression, Ohnmacht, Abhängigkeit, etc. unterzogen.

Diese Handlungen sind üblich und traumatisierend. Man kann Menschen nicht schützen, indem man ihnen Gewalt antut.
Psychisch Kranke sind in den meisten Fällen nur für sich selbst gefährlich und nicht für andere. Das Klischee des „gefährlichen Verrückten" ist falsch und saneistisch.

Ansonsten...
— ... werden sie bei der Arbeitssuche diskriminiert.
— ... bekommen sie viele widersprüchliche Aufforderungen, z. B.  „du solltest deine Medikamente nehmen" vs. „du solltest auf keinen Fall deine Medikamente nehmen" — weil neurotypische Menschen schließlich immer besser als sie wissen, was das richtige ist.
— ... sind sie anfälliger Opfer von Gewalttaten.
— ... wird ihr Leid regelmäßig verharmlost (z. B. „du solltest dich einfach mehr bewegen", „das ist alles nur in deinem Kopf", „du denkst nur an dich", etc.)
— ... werden sie mithilfe von pejorativ verwendeten Wörter stigmatisiert.
Wenn Faschos als „verrückt", „gestört", „soziopath", „psychisch krank" beschrieben werden, was sogar selbst unter intersektionalen Aktivist*innen passiert, dann ist das saneistisch. Dazu macht es den strukturellen Rassismus unsichtbar, weil er individualisiert und einer „Devianz" zugeschrieben wird. Damit wird viel mehr psychisch kranken Menschen geschadet als Faschos.
— ... werden sie selbst unter intersektionalen Aktivist*innen nicht beachtet, weil sie zum Beispiel dafür beschämt werden, dass sie auf Demos nicht dabei sind. Daher bleiben viele Cyber-Aktivist*innen, wenn sie mit sozialen Situationen nicht klar kommen oder aus anderen Gründen nicht an solchen Veranstaltungen teilnehmen können (Sozialphobie, Agoraphobie, Autismus, Lärmempfindlichkeit, chronische Müdigkeit, Depressionen, PTBS, etc.) und dafür kein Verständnis aufgebracht wird. Das Beispiel mit den Demos ist das am häufigsten genannte, aber es gibt unzählige Fälle, wo psychisch Kranke von anderen, die sonst immer behaupten, für soziale Gerechtigkeit einzustehen, ausgeschlossen werden.
— ...

Wie immer, ist es besonders wichtig, Betroffenen zuzuhören. Bei Saneismus und Ableismus im Allgemeinen kann man sich aber denken, dass es etwas schwieriger ist, wenn man nun man für sein ganzes Leben Zwangseingewiesen wird und keinen Kontakt mehr zur Außenwelt haben darf oder wenn man absolut gar keine Energie hat, Erklärungsarbeit zu leisten und sich mit Rechten auseinanderzusetzen.

SaneismusWhere stories live. Discover now