12.Lauf

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Als Riya das Haus verließ, schien ihr die Sonne mitten ins Gesicht, die gerade im Osten aufging.
Sie schaute sich schnell um und entdeckte Jason, der genau in Richtung Sonne ging, was es nur noch schwerer machte ihm zu folgen.
Mit der Hand halb über den Augen ging sie ihm langsam hinterher, ohne ihn aus dem Blick zu verlieren. Er steuerte auf das große Gebäude am Ende der Straße zu.
Am Eingang blieb er kurz stehen und zog etwas aus seiner Tasche. Dann ging er rein und die Tür fiel leise hinter ihm zu. Riya wartete einen Moment und betrat dann ebenfalls leise das Kirchenartige-Gebäude.
Noch gerade so konnte sie sehen, wie er die Treppe runter verschwand. Riya wollte nur ungern nochmal in diesen Gang, nachdem was letztes Mal dort passiert war. Außerdem war es eh eine Sackgasse. Also wartete sie.
Doch Jason kam nicht wieder. Plötzlich überkam Riya ein mieses Gefühl. Sie lief die Treppen runter, den langen Gang entlang und am Ende erwartete sie die schwere Metalltür. Nur dass sie diesmal weit offen stand. Riya hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, wie Jason das angestellt hatte. Sie rannte weiter, um ihn
nicht zu verlieren.

Nach der Tür ging der Gang wie vorher weiter und Riya lief gefühlte 100 Meter, bis eine Treppe nach oben ins freie führte.
Der Weg hatte sie mitten in den Wald geführt. Doch Jason war nirgendwo zu sehen. Wie sollte sie ihn jetzt wieder finden?

Riya war kurz davor, nach ihm zu rufen, da hörte sie ein seltsames Brüllen. Sie wusste sofort, worum es sich handelte. Diese unmenschlichen Geräusche würde sie nie vergessen. Doch statt zu fliehen, lief sie den Geräuschen entgegen.

Sie kämpfte sich durch den dichten Wald und flog ein paar Mal fast hin.
Dann entdeckte sie eine Holzhütte, inmitten all der Bäume. Doch diese musste sie sich später anschauen.
Die Laute schienen immer näher zu kommen und irgendwann hörte sie eine andere Stimme.

Dann sah sie es. Das Wesen schien noch größer zu sein, als sie es in Erinnerung hatte. Es schlug wild mit den Armen um sich und versuchte Jason zu erwischen, der vor dem Ding stand und jedes Mal weiter nach hinten auswich. Dann sah Riya das Messer in seiner Hand. Er dachte doch nicht ernsthaft damit könnte er was ausrichten? Doch tatsächlich holte Jason mit dem Messer aus. Das Wesen erwischte ihn am Kopf und warf ihn zu Boden. Ehe er sich versah, biss das Monster ihn in die Schulter und Jason schrie laut auf.

In dem Moment packte Riya sich ein paar Steine und schrie ebenfalls. "Hey!
Hier drüben!" Dann warf sie mit den Steinen nach dem Ding und erwischte es am Kopf. Schlagartig riss es den Kopf in Riyas Richtung, vergaß seine Beute und hechtete in ihre Richtung.
"Jason renn zu der Hütte!", schrie Riya und rannte selber in die entgegengesetzte Richtung, um das Wesen möglichst weit weg von Jason zu schaffen.

Jetzt hieß es, das Ding irgendwie abzuhängen. Doch Riya hatte keinen Plan, wie sie das anstellen sollte. Sie konnte durch den Gang zurück ins Dorf fliehen, doch damit würde sie das Wesen vielleicht auf Viola und Troys Spur bringen. Also weiter durch den Wald, der kein Ende zu nehmen schien. Das Monster kam immer näher, wie beim letzten Mal, war es unmöglich schneller zu sein.

Auf einmal hörten die Geräusche auf und man hörte nichts mehr von dem Wesen. Riya blieb stehen und drehte sich um.
Und da lag es reglos auf dem Waldboden. In seinem Kopf steckte ein Pfeil, und aus der Eintrittswunde tropfte eine schwarze Flüssigkeit. Schnell schaute sich Riya um und suchte nach dem Schützen. Doch dieser war wie zu erwarten, nirgendwo zu sehen.

Also rannte Riya zurück zur Stelle, an der Jason gelegen hatte. Sie entdeckte Blut und es sah so als hätte er nicht grade wenig davon verloren. Doch Jason war weg. Also auf zur Hütte, in der Hoffnung, dass er ausnahmsweise auf sie gehört hatte.

Die Tür der Hütte stand einen Spalt weit offen. Riya trat ein und verriegelte die Tür hinter sich.
Jason war erst nicht zu sehen, doch es war nicht schwer ihn zu finden, durch die leichte Blutspur, die er quer durchs Zimmer hinterlassen hatte.
Riyas Herz pochte ihr bis zum Hals, als sie dem Blut bis in das wohl einzige andere Zimmer folgte.
Jason saß neben dem Bett, angelehnt an der Wand. Seine Augen waren geschlossen und er atmete schwer. Mit der rechten Hand drückte er krampfhaft ein Kissen auf die Wunde. Seine Jacke lag leicht mit Blut beschmiert neben ihm.

Riya stürzte zu ihm und nahm ihm leicht das Kissen weg. Sein dunkelgraues Tshirt war an der Schulter komplett mit Blut durchtränkt. Sie zog den Ärmel vorsichtig auf Seite, um die Wunde zu sehen. Es sah schlimm aus, aber nichts, wogegen sie nichts tun konnten. Die Haut war an mehreren Stellen tief aufgerissen von den Zähnen des Wesens und es hörte nicht auf zu Bluten.

Jason sah in die andere Richtung und Riya merkte, dass er am ganzen Körper zitterte. Es wunderte sie sowieso, wie er so lange ausgehalten hatte. Denn Jason konnte kein Blut sehen. Bei jeder kleinsten Verletzung packte er sich sofort ein Pflaster drauf und bekam jedes Mal, wenn er Blut sah, sofort einen leichten Würgereiz und Schwindel.
Es hätte Riya nicht gewundert, hätte sie ihn ohnmächtig vorgefunden.

"Nicht abhauen, ich schau kurz nach einem Erste-Hilfe-Koffer oder so.", sagte Riya und sprang auf.

"Wo soll ich schon groß hin?", murmelte Jason und drückte sich schnell wieder das Kissen auf die Wunde. Erstens um die Blutung irgendwie zu stoppen und zweitens um das Blut nicht sehen zu müssen.

Riya lief erst zur Küche und schaute in den Schränken und Schubladen nach. Unter der Spüle fand sie tatsächlich einen Erste-Hilfe-Koffer. Wenigstens eine Sache, die mal gut lief.
Jedoch war sich Riya nicht sicher, wie man mit einer solchen Wunde umging. Sie wusste nicht, ob sie so schlimm war, dass sie genäht werden musste. So oder so hätte sie das nicht tun können. Erstens hatte sie keinen Nadel und Faden und zweitens nicht den Mut und die Erfahrung, um an einem Menschen rumzunähen.
Aber sie wusste, dass die Blutung gestoppt und die Wunde desinfiziert werden musste.
Also nahm sie Jason erneut das Kissen weg, kniete sich vor ihn und nahm sich einen Verband, um erstmal fest seine Schulter abzuschnüren. "Sorry, das kann jetzt weh tun.", warnte Riya ihn, bevor sie Desinfektionsspray auf die Wunde sprühte. Er biss die Zähne zusammen und krallte sich an das Bett neben ihm.
Dann verband sie die komplette Schulter, und hoffte, dass sie alles halbwegs richtig gemacht hatte.
Jason beobachte sie. "Warum bist du mir gefolgt?"

Riya blickte kurz auf. "Sei froh, dass ich es getan hab. Sonst wär vielleicht nicht das Wesen da draußen gestorben, sondern du."

"Du hast dieses Ding umgebracht?", fragte Jason und zog die Augenbrauen hoch.

"Nein, nicht ich. Da war jemand anderes. Schon wieder. Aber ich versteh's nicht. Erst beobachtet uns jemand. Dann werde ich fast entführt. Und jetzt hat mir jemand das Leben gerettet. Jason, hier sind mehrere Personen außer uns. Wir müssen mit ihnen reden!"

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