1.Konsequenzen

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Riya rollte vom Sofa. Dass sie nicht gerade weich landete, fiel ihr nicht auf. Sie konnte nur daran denken, dass sie hier raus wollte.

In ihrem Kopf drehte sich alles, als sie aufstand und Richtung Haustür schwankte.
Troy schaute ihr nach. Die anderen schenkten ihr keine Beachtung, da sie es gewöhnt waren, dass Riya ab und zu nach draußen verschwand, um frische Luft zu schnappen.

So war es jedes Mal, wenn sie zu viel getrunken hatte.Und mit zu viel, war nicht wirklich viel gemeint. Manchmal reichte es schon, wenn sie nur zwei Bier trank.
Und auch wenn es oft zu unangenehmen Situationen führte, hatte es immer seine Vorteile. Denn dadurch, dass sie nicht viel trinken musste, um Spaß zu haben, musste sie auch nie viel Geld ausgeben. Wenn überhaupt. Solange einer der anderen dabei war, schaffte sie es meistens, dass ihr irgendwer alles ausgab. Und wenn es keiner von den drein war, dann musste eben ein unschuldiger Fremder dran glauben.
Riya sparte immer und überall, wo es nur ging.

Das hatte sie und ihre Freunde nicht davon abgehalten, sich für eine Woche in einem kleinen Haus mitten im Wald in Japan niederzulassen. Weit weg von der Zivilisation. Weit weg von einem Supermarkt. Und weit weg vom Internet.
Wenn sie ehrlich war, hätte Riya nie gedacht, dass sie je für dieses Haus ohne jeglichen Zugang zur Außenwelt abstimmen würde. Aber es gab eine ausschlaggebende Tatsache, die alles andere unwichtig da stehen ließ.

Also hatten sie riesige Taschen voller Proviant mitgenommen, um eine Woche überleben zu können. Troy meinte notfalls würden sie eben fischen gehen. Einen Fluss sollte es in der Nähe geben. Erst dachte Riya er würde scherzen, doch dann hatte sie die Angelrute mitsamt Ausrüstung in Troys Auto gesehen.

Troy war außerdem derjenige, der einen Alkoholvorrat für ein ganzes Jahr eingepackt hatte. Riya hätte nicht gedacht, dass so viel wirklich nötig war. Doch wie immer hatte sie ihre Freunde, was das angeht, unterschätzt. Es war teilweise wirklich beängstigend, wie viel sie trinken konnten.

Im Gegensatz dazu, war es für die anderen drei beängstigend, was mit Riya nach bereits so wenig Alkohol geschah. Trinken hatte bei ihre manchmal dramatische Konsequenzen. Und so auch dieses Mal.
Grade noch hatte Troy Riyas Flasche geklaut und ihren Rest getrunken, und im nächsten Moment war sie verschwunden, ehe sie jemand aufhalten konnte.
In einem Anflug von Übermut war sie nach draußen gestürzt, mit der Begründung, die kalte Nachtluft würde sie ausnüchtern. "So funktioniert das nicht, Schätzchen!", rief Troy ihr noch hinterher.
Als er dann zehn Minuten später nach draußen ging, um nach ihr zu sehen, war sie nicht wie erwartet auf der Terrasse. Also ging er einmal um das Blockhaus rum. Doch sie war nirgendwo zu sehen oder zu hören. Er rief nach ihr, doch die einzige Antwort die er bekam, war das ständige Zirpen der Zikaden.

Da sie scheinbar nicht mehr draußen war, ging er wieder rein ins Wohnzimmer, zu den anderen beiden. Viola war inzwischen auf der Couch eingeschlafen. Neben ihr lag ihr Handy und eine leere Bierflasche.

Jason saß vor ihr, mit dem Rücken an die Couch gelehnt und starrte gelangweilt auf sein Handy. Wobei gelangweilt wohl nicht der richtige Ausdruck war. Es war vielmehr sein Standart-Blick. Es kam wirklich selten vor, dass dieser Typ eine Miene verzog. Ein Lächeln aus ihm heraus zu locken, war eine Meisterleistung und passierte nur alle Zehn Jahre. "Ist Riya wieder rein gekommen? Draußen ist sie nicht mehr.", sagte Troy.

Jason zuckte nur kurz mit den Schultern und ließ sich nicht von den wichtigen Angelegenheiten auf seinem Handy ablenken.

"Riya!", rief Troy nun nochmal lauter, als draußen.

Jetzt sah Jason ihn an. "Dein Ernst? Ruf doch noch ein bisschen lauter." Das ließ Troy sich nicht zweimal sagen. "Is ja gut, ich such sie ja schon.", sagte Jason und stand nun auf.

Auf der Couch tat sich auch was, und Viola sah die zwei mit verschlafenen Augen an. Sie sah sich kurz um, und rieb ihre Augen. "Wo ist Riya?", fragte sie und sah kurz auf die Uhr auf ihrem Handy.

"Ja, das wüsste ich auch gerne. Draußen scheint sie nicht mehr zu sein.", erklärte Troy.

"Mach mal nicht so'n Aufstand, sie ist sicher nach oben pennen gegangen.", sagte Jason und machte sich auf den Weg in die Küche. Troy ging nach oben und schaute in alle Räume.

Währenddessen suchte Viola noch einmal draußen nach Riya.
Doch sie war weder draußen, noch drinnen aufzufinden.
Stattdessen hatte Viola draußen, etwas entfernt vom Haus, etwas anderes gefunden. Nämlich Riyas Handy, welches drinnen in dem Moment von Troy angerufen wurde. Wäre draußen nicht plötzlich Riyas Lieblingssong gelaufen, hätte Viola das Handy nie gesehen.
Sie lief mit dem Handy nach drinnen. "Jungs! Ihr Handy, es lag ein paar Meter vom Haus entfernt, meint ihr sie ist in den Wald gegangen? Aber Riya würde ihr Handy nie verlieren! Auch nicht wenn sie stockbesoffen ist, das kann nicht sein. Was ist wenn ihr etwas passiert ist? Oh gott, vielleicht hat sie jemand angegriffen! Vielleicht ein Tier!"

Jason seufzte. "Jetzt mal ganz ruhig. Hier draußen ist niemand außer uns, und wenn ein Tier sie angegriffen hätte, dann hätten wir sie auf jeden Fall gehört."

"Ach, und wo ist sie dann?!", rief Viola.

Troy legte eine Hand auf ihren Kopf. "Bleib ruhig Vi, es bringt jetzt nichts, wenn wir uns aufregen. Wir werden sie schon finden. Ich denke die einzige Möglichkeit ist, dass sie in den Wald gegangen ist. Du kennst sie und ihre dumme Aktionen doch. Wir holen und jetzt Taschenlampen und unsere Jacken, dann gehen wir sie suchen, okay? Du bleibst hier und wartest."

"Vergiss es, ich komm mit.", sagte Viola, schob seine Hand von ihrem Kopf und lief nach oben. Ein paar Sekunden kam sie mit vier Taschenlampen zurück. "Wir nehmen direkt eine für Riya mit. Kommt schon."

Kurze Zeit später hatten alle ihre Jacken und Schuhe an. Jason war den beiden erst nach kurzem Protest gefolgt, mit der Ausrede einer müsse doch auf das Haus aufpassen. Aber nein, umso mehr suchten, umso schneller konnten sie ihre Freundin finden.

Vor ihnen ragten die uralten, mit Moos bewachsenen Bäume, des japanischen Waldes hoch in den Nachthimmel. Hinter den vielen Bäumen war nur diese klaffende Schwärze und das Zirpen der Nachtzikaden. Nach kurzem Zögern betraten sie den Wald, nicht ahnend, dass sie nie wieder zurück kehren würden.

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