Kapitel 5 - Unglücklicher Marktbesuch

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Das kühle Mondlicht wurde von der Spiegeloberfläche reflektiert und erhellte Ariks Gesichtszüge. Es war annähernd Mitternacht, die beiden Frauen im Haus schliefen tief und fest - die perfekte Gelegenheit.

„Wie ich das hasse", murmelte Arik und legte seinen Zeigefinger auf die glatte Fläche. Den Spiegel hatte er unbemerkt aus dem Laden ausgeliehen. Morgen würde er ihn wieder zurücklegen, doch heute Nacht brauchte er ihn.

Er tat einen tiefen Atemzug und drückte gegen das Glas. Wie warmes Wachs gab der Spiegel nach und ließ Ariks Finger eintauchen. Vorsichtig begann er kleine Wellen auf der scheinbar flüssigen Oberfläche zu erzeugen.

Zeigt euch, befahl er in Gedanken und kniff die Augen zusammen, als sich langsam Schemen und verschwommene Gestalten bildeten.

Es war ein widerwärtiges Gefühl, durch einen Spiegel zu blicken. Doch leider gab es keine andere Möglichkeit, die Gegenwart zu durchsuchen. Anders als eine Antiquität, mit der man in die Vergangenheit blicken konnte, zeigte ein Spiegel immer den aktuellen Moment. Die Zukunft war dagegen kniffliger, nur magische Wesen mit der entsprechenden Veranlagung waren hellsichtig.

Arik brauchte keinen besonderen Gegenstand, um nach seinen Gefährten zu suchen. Er und seine Waffenbrüder waren so nah miteinander verbunden gewesen, dass er selbst als Medium dienen konnte.

„Wo steckt ihr?", wisperte er und suchte zuerst nach Preaco, seinem Lehrmeister. Dann nach seinem besten Freund Marian. Schließlich beschwor er jedes Mitglied seiner Einheit herauf.

Doch die Spiegelbilder blieben verschwommen. Ein schrecklicher Verdacht keimte in Arik und er löste seinen Finger wieder von dem Spiegel. Kraftlos fuhr er sich durchs Haar und starrte ins Leere.

Es dauerte einige Minuten, ehe er die schreckliche Tatsache erkannte: Er war der letzte. Scheinbar war es Preaco nicht nur bei ihm misslungen, sondern sein Meister hatte auch die anderen Männer nicht mehr zurückverwandeln können.

Dabei war uns unser Plan so genial erschienen, dachte er. Erschöpft trat er vom Fenster zurück und setzte sich aufs Bett.

Ich muss dringend mit dem König sprechen, hallte es in seinen leeren Gedanken wieder. Er musste erfahren, was seit damals geschehen war. Und ob ihr Opfer umsonst gewesen war.

Er legte sich hin und starrte an die Decke. „Astru muss etwas wissen."

Erians Herrscher war ein ewiges Kind. Als einer der letzten seiner Art war der Junge ein Mitglied der alten Götter. Niemals alternd und blind regierte er Erian mit der Weisheit der Unsterblichkeit.

Und er war Ariks einzige Chance.

Am liebsten hätte sich Yara in eine dunkle Ecke verkrochen. Doch stattdessen trat sie hinaus in den Nieselregen, gefolgt von Arik und Cari. Gehüllt in dunkle Umhänge, die den Regen eher schlecht als recht abhielten, machten sie sich auf den Weg zum Markt.

Mit fröhlichem Lächeln hakte sich Cari bei der Drachenfrau unter. „Sei doch froh, dass es so schlechtes Wetter ist, dann ist es wenigstens nicht so voll."

Lediglich ein Brummen gab Yara von sich und warf Arik einen Seitenblick zu.

Langsam gewöhnte sie sich an seine Anwesenheit, wenn ihr auch etwas seltsam in seiner Nähe zumute war. Sie fand es eigenartig, dass es ihm scheinbar nur wenig ausmachte in einer ihm fremden Zeit zu sein.

Vielleicht war es ja gar kein Zufall, sondern Absicht, dachte sie und bog mit ihren Begleitern um eine Straßenecke. Das typische Gemurmel und Gelärme wehte durch die feuchten Gassen vom Marktplatz heran.

DrachenfeuerWhere stories live. Discover now