Zwar hatte ich nur einmal mit ihm geredet, aber er schien mir recht freundlich. Madame Dupont teilte mir einen der drei Tische mit Gedeck zu, die ich erst jetzt bemerkt hatte. Sie erklärte uns, was dran kommen sollte und entließ uns dann zu unseren Gruppen.

In meiner Gruppe waren hauptsächlich Jungs, darunter Louis und Minoro. "Also, das wichtigste bei Tisch, ist die Wahl des richtigen Bestecks zu dem richtigen Gericht. Es erscheint als unwichtig, aber ein Steakmesser für das Schneiden eines Brotes zu verwenden ist in dieser Gesellschaft ein fataler Fehler", erklärte ich.

Sie sahen nicht gerade begeistert aus, die Wahl des richtigen Bestecks zu lernen, doch es war eigentlich ganz einfach und eines der wenigen Dinge, die ich perfekt beherrscht.

Nachdem sie das drauf hatten, konnte ich fortführen. "Nun zu den grundlegenden Tischregeln, erstens, man darf nie, wirklich nie, bereist benutztes Besteckt zurück auf die Tischdecke legen, immer gekreuzt auf den Teller. Man sitzt beim Essen gerade und hat die Hände durchgehend bis zum Handgelenk auf dem Tisch. Das essen wird zum Mund geführt und nicht umgekehrt. Zudem ist es unhöflich zu Rülpsen, Schlürfen und erst Recht mit vollem Mund zu Sprechen, daher nur kleine Portionen in den Mund nehmen um eine allzu große Verzögerung bei Beantworten einer Frage zu vermeiden. Wenn man fertig ist, wird das Besteckt parallel zueinander und auf dem Teller diagonal hingelegt."

Meine "Schüler" sahen mich nur verwirrt und entgeistert an. "Ich weiß, dass hört sich schwer an, ist es aber nicht so wirklich. Zudem wird nicht penibel darauf geachtet. Ich selbst kann es auch nur auswendig aufsagen und vergesse viel. Aber wir machen jetzt ein Probeessen. Ach ja, das Essen beginnt erst, wenn die Hausfrau oder der Gastgeber damit beginnt. In unserem Fall bin ich das."

Ich ging zu Madame Dupont und erzählte ihr, dass ich bereit sei. Sie nickte und rief Essen für uns herbei. Als alle etwas hatten, bekam ich zuletzt etwas und begann mit der Suppe.

Meine Gruppe begann nun auch zu Essen. Hin und wieder musste ich jemanden an Regeln erinnern, doch im großen und ganzen machten sie das sehr gut. Nun kam der zweite Gang und wieder bekam ich den Teller zuletzt und begann als Erste zu Essen.

Nun begann ich Fragen zu stellen an einzelne Personen. Teilweise wurde zu viel in den Mund genommen und ich musste lange warten, andere missachtete die Regel 'Nicht mit vollem Mund reden' komplett, wieder andere machten es perfekt und redeten auch sehr gebildet.

Neben mir saß Louis und ich wollte ihn nach seinem angeblichem Tod fragen. "Du kommst also auch daher, wo ich herkomme?", fragte ich ihn. Ertappt sah er mich an und achtete darauf, dass niemand zuhörte.

"Muss die Frage sein?", fauchte er verärgert. So wie es aussah, wusste keiner, dass er da oben herkam. "Ich möchte nur wissen warum", flüsterte ich, damit uns keiner hören konnte.

"Später." Ich war überrascht, dass er bereit war, mir das zu erzählen, aber vielleicht dachte er auch, ich würde sein Geheimnis verraten, wenn er es nicht tat. Ich nickte ihm zu und forderte den dritten und letzten Gang an, als ich sah, dass alle ihr Besteckt richtig abgelegt hatten.

Dieses mal verlief alles glatt und ich musste niemanden ermahnen oder an die Regeln erinnern. Nach dem Essen beendete Madame Dupont den Unterricht und wir waren entlassen.

Um eine Antwort zu bekommen , hängte ich mich an Louis. Als er bemerkte, dass ich hinter ihm lief, schleuste er mich aus der Menge in einen leeren Raum, eine Putzkammer wie ich feststellen musste.

Wahrscheinlich hatte er Angst , dass uns sonst jemand hören konnte. Mopp und Besen konnten immerhin nicht zuhören.

"Also was willst wissen?" Abwartend musterte er mich. "Warum hast du deinen Tod vorgetäuscht?", hakte ich nach. "Pah, wegen mir hätte in den Zeitungen stehen können, Thomas Prestons Sohn schließt sich den Rebellen an, aber meinem Vater gefiel das ja nicht. Er mochte mich nie, er hat mich für tot erklären lassen, gesagt, sie hätten mich erschossen."

Automatisch verspürte ich Mitleid mit ihm. Meine Mutter war genauso. "Warum hat das hier noch niemand mitbekommen?" Mich interessierte es echt, weil das bei uns allen bekannt war.

"Weil es hier unten keine Zeitungen gibt. Der einzige der davon weiß ist Bob und er schweigt wie ein Grab. Außerdem verhalte ich mich nicht, wie die anderen aus den oberen Schichten. Ich scheiß auf Benehmen." Jetzt wurde ich wütend. "Aber bei uns musst du erzählen, dass wir aus den oberen Schichten kommen?"

Er zuckte lediglich mit den Schultern. "Es war bekannt, dass wir zwei Geiseln hatten. Die Tochter von John Dawson und der Sohn von Steve Adams. Allein eure Nachnamen hätten euch verraten."

Das war trotzdem kein Grund es an die große Glocke zu hängen. Aber er hat Recht, erinnerte mich meine innere Stimme. "Sonst noch was?" Louis riss mich aus meinen Gedanken.

"Ja, warum bist du abgehauen?" Einen Moment lang schien er nachzudenken. "Weil ich es satt hatte, denke ich. Jeden Tag lernen, wie man Walzer tanzt, wie man bei der Börse Geld machen kann, all das. Und die Tatsache, dass mein Vater ein Arsch ist, wahrscheinlich."

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte ich, doch sprach es nicht aus. Erwartungsvoll sah er mich an. Wollte er jetzt einen Kommentar dazu? Sowas wie, oh Gott, das tut mir ja so Leid für dich?

Aber da fiel mir ein, dass er wahrscheinlich auf weitere Fragen wartete. Ich schüttelte den Kopf und wollte gehen, da hielt er mich am Arm fest. "Sag niemandem was, bitte", flehte er.

Ihm schien das wirklich wichtig zu sein, sonst würde er nicht bitte sagen, zumindest nicht gegenüber mir. Da ich nichts davon hatte, es zu verraten, nickte ich. Vielleicht brachte mir das Wissen später noch was. Dann ließ er mich los und ich ging.

RebellionWhere stories live. Discover now