Kapitel 45

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Kapitel 45

Nervös spiele ich mit dem Zettel in meinen Händen. Mit Bobs Hilfe habe ich eine Rede formuliert, die ungefähr dem ähnelt, was ich in seinem Büro gesagt habe. Jedoch bin ich mir unsicher ob ich es wieder so vortragen kann.

Zwei Tage lang hatte ich die Worte auswendig gelernt, theoretisch müsste ich sie im Schlaf können. Doch bin ich wirklich in der Lage vor so vielen Menschen zu reden? Kann ich sie wirklich überzeugen?

Mir bleibt keine Zeit mehr für einen Rückzieher, denn Bob schiebt mich durch eine Tür und so stehe ich auf einer Art Balkon, unter mir unzählige Menschen. Ich glaube, ich war noch nie in diesem Teil des unterirdischen Gebildes.

Meine Hände sind schweißnass und meine Knie zittern. Trockenheit breitet sich in meinem Mund aus und Panik steigt in mir auf. Was ist, wenn sie lachen? Wenn sie mir nicht zuhören wollen? Ein ungutes Gefühl füllt meinen Bauch.

Lauf, schreit eine Stimme in mir, doch es ist zu spät. Jetzt kann ich nicht mehr umdrehen. Mein Blick schweift durch die Halle. Alle Augen starren gespannt auf mich und Bob.

Einige Menschen tuscheln, sind unruhig. Bob schiebt mich noch ein Stück vor, sodass ich am Geländer stehe. „Na los, du schaffst das", versucht er mir Mut zuzureden.

Ich räuspere mich und sehe auf den Zettel. Alle Worte sind aus meinen Gedanken gelöscht, ich kann mich an kein einziges erinnern. „Liebe Rebellen...", setze ich an, doch meine Stimme versagt. Es ist als hätte niemand was gesagt. Das Getuschel wird lauter und viele sehen mich verwirrt an.

Schweiß bildet sich auf meiner Stirn, die Nervosität wird stärker. Was habe ich mir dabei nur gedacht? In der Menge erkenne ich Louis und Mino. Sie lächeln mir aufmunternd zu. Ich lasse meinen Blick weiter gleiten und erkenne Toni.

Auf ihren Lippen liegt ein spöttisches, fast schadenfrohes Lächeln. Neben ihr sehe ich ihre Schwester Leonie. Sie lächelt mich warm und freundlich an.

Nicht weit von ihnen sehe ich Nathan und Pia. Pia grinst mich zuversichtlich an und hebt leicht den Daumen. Hinter ihnen steht Jack, der mich mit einer Mischung aus Langeweile und teils sogar Anerkennung mustert.

In einer Ecke sehe ich Lini. In ihr Gesicht zu sehen, versetzt meinem Herz einen Stich. Ihre Augen sind noch immer verquollen. Sie hat also wieder geweint. Es betrübt mich, sie wegen Helen so zu sehen. Der Gedanke an Helen, zieht mich ebenfalls runter.

Reiß dich zusammen, Keira. Du machst das hier fürs sie, ermahne ich mich selbst. Und auf einmal ist es, als bräuchte ich den Zettel nicht mehr. Ich zerknülle ihn in meiner Hand und stelle mich nun selbstsicherer ans Geländer.

„Rebellen", setze ich erneut an, diesmal ist meine Stimme laut und sicher. Das Getuschel verstummt und alle Augen sind erwartungsvoll auf mich gerichtet.

„Der Großteil von euch kennt mich nicht, hat mich sicher noch nie gesehen und doch stehe ich heute hier oben. Mein Name ist Keira Dawson. Dawson, ein Name der hier unten meist missbilligend betrachtet wurde.

Es stimmt, ich komme nicht hier her, ich komme aus der Oberschicht. Doch ich habe mich dazu entschieden hierzubleiben, für das Richtige zu kämpfen. Meine Mutter war eine Rebellin, so wie ich es heute ebenfalls bin.

Aber ich bin nicht hierhergekommen, um irgendwelche reichen Schnöseln Geld zu stehlen, sondern um etwas zu verändern. Bis jetzt habe ich davon nicht viel getan. Im Gegenteil, ich habe nur Verluste erlitten.

Eine der wichtigsten Personen in meinem Leben starb vor kurzer Zeit. Nur weil wir ein dummes Dokument besorgen mussten. War es das wert? Auf keinen Fall. Und deshalb stehe ich heute hier. Ich weiß nicht, ob ich mich als eine der euren anerkennt oder nicht, aber ich weiß, dass ich dieses System stürzen möchte.

Vielleicht habe ich keinen Plan und vielleicht habe ich auch kaum Kampferfahrung, aber ich habe Leute, die hinter mir stehen. Und darum möchte ich euch auch bitten. Helft mir dabei, mein Vorhaben umzusetzen, damit nicht noch mehr Leute einen unsinnigen Tod sterben müssen

Ich mag zwar keine Ahnung haben, wie eine Rebellion funktioniert und möchte euch auch um nichts bitten, mit dem ihr nicht zu einhundert Prozent einverstanden seid, aber ich habe nicht vor, weiter hier herum zu sitzen. Stattdessen will ich da rausgehen und kämpfen. Für Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit und Gesundheit für jeden."

Als ich meine Rede beendet habe, herrscht Stille. Viele schauen mich unschlüssig an und tauschen dann Blicke mit anderen aus. Doch dann beginnt jemand zu klatschen, Lini.

Sofort schließen sich ihr Leute an und schon bald ist der Raum erfüllt vom Klatschen. Vereinzelt höre ich Leute meinen Namen rufen. Ein Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus.

Ich sehe Louis in der Menge und er schaut stolz zu mir hoch. Es ist als fiele eine Last von mir ab, deren Schwere ich mir zuvor nicht bewusst war. Ich könnte weinen vor Glück.

„Gut gemacht, du hast sie am Haken", höre ich Bob sagen und er legt seine Hand auf meine Schulter. Das hatte ich wirklich gut gemacht, eine der wenigen Male in meinem Leben in denen ich das von mir behaupten konnte.

Wir sollten nur hoffen, dass die Euphorie bleibt und die ganze Sache nicht nach hinten losgeht. Bob leitet mich vom Balkon runter in sein Büro.

„Phase 1 ist abgeschlossen", sagt er zufrieden. Ich nicke. „Und was machen wir jetzt?", will ich wissen. „Jetzt beginnt Phase 2", antwortet er.

„Und was genau ist Phase 2?", hake ich nach. „Wir planen eine Rebellion."


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