Der Besuch

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Nach einem Herzschlag konnte Nuriel wieder aufatmen. Nicht, dass er sich überhaupt nicht in der Antwort sicher war, viele wollten eine höhere Position in der Akademie haben, dennoch konnten auch sehr viele die Verantwortung vorhersehen, die damit kam. Aber der junge Mann war sich einfach sicher, dass Amarath mehr verstand, als man erwarten könnte.

„Das freut mich sehr Amarath. Am Ende dieses Jahres werde ich dich nochmal zu mir einladen und werde dir alles erklären. Danach werde ich dich offiziell den Schülern und Professoren vorstellen. Du kannst jetzt erstmal die Schüler der anderen Akademien begrüßen gehen."

Amarath nickte ein wenig angespannt und ging nach einem kurzen Abschied raus. Als er die Tür hinter sich schloss, ballte er seine Hand zur Faust und machte plötzlich eine jubelnde Geste nach.

Oh Himmel, ich hab's geschafft!

Er konnte sein Gesichtsausdruck kaum aufrecht halten und musste ein paar Sekunden lang tief ein- und ausatmen, um sich zu beruhigen, sein Herz aber schien nicht der gleichen Meinung zu sein. Der Junge ging langsam die großen Treppen zum Ausgang runter und richtete währenddessen seine gold-weiße Schuluniform zurecht. Er prüfte noch mal, ob sein Emblem des besten Schülers der Unterstufe richtig saß und mit einem ruhigen Lächeln trat er ins plötzlich blendende Licht.

Das Bild vor ihm was grandios. Eine unglaublich große Masse an Kindern und Jugendlichen hatte sich auf dem Empfangshof seiner Akademie versammelt. Der Platz war an sich selber sehr umfangreich aber mit über tausend Leuten versammelt, sah es plötzlich viel zu klein aus. Er ging erstaunt die große, breite Eingangstreppe hinunter und betrachtete die große Anzahl an weißer, grauer und roter Uniformen. Und um ehrlich zu sein, war Amarath mehr als nur erstaunt. Er war fasziniert. Endlich sah er die anderen Leute, endlich konnte er die Schüler der anderen Akademien betrachten. Endlich würde er seine eigenen Kräfte wirklich prüfen können. Er wollte schon einen weiteren Schritt in die Menge machen, als er plötzlich von hinten eine hohe Stimme hörte.

„Amarath!"

Der Junge drehte sich um und fing noch rechtzeitig einen leichten und weichen Körper auf. Das Mädchen in seinen Armen umarmte ihn nur noch fester und hielt sich and dem Samt seiner Robe. Ihre kristallblauen Augen schauten in seine und vielleicht sah sie viel zu glücklich in dem Moment aus. Ihre Locken, die in eine Kare Frisur geschnitten waren, baumelten niedlich auf und ab, als dieses Mädchen auch leicht auf und ab sprang. Sie sah aus wie eine kleine Fee, nur waren da die Flügel, die ihr fehlten,

Mit einem leichten aber entschuldigenden Lächeln, umarmte Amarath sie nochmal fest, lies das Mädchen aber auch im nächsten Moment los. Sie selber schien es nicht wirklich gestört zu haben, der Glitzer plante es nicht, aus ihrem Gesicht zu verschwinden. 

„Uria, dir auch einen schönen guten Tag."

Er sah, wie sich förmlich Sternenschuppen in ihren klaren Augen bildeten und wie sich ihre Lippen in ein bezauberndes Lächeln verzogen. Sie verbarg ihre Liebe zu Amarath nicht. Wieso auch.

„Leute, habt doch mal ein wenig Respekt vor den anderen Schülern," sagte plötzlich jemand hinter Amarath und der Junge erstarrte kurz. Er drehte sich langsam um und schaute auf Uria's Spiegelbild...nun ja...ihre kleine Zwillingsschwester.

„Nemeia. Und dir auch einen schönen Tag," brachte er höflich aus sich hervor. Er lächelte ihr auch zu und nickte leicht.

Die schwarzhaarige kicherte böse und drehte sich um.

„Der Tag wäre noch schöner, hätte ich euch heute nicht gesehen. Aber ich muss schon sagen, der Schleimer und die Faule machen ein beeindruckendes Paar," wisperte sie voller kindlichen Bösartigkeit. 

Amarath konnte nur erstaunt blinzeln aber Nemeia verschwand schon aus seiner Sicht. Obwohl ihn ihre „Namen" nicht wirklich störten, es war ja schließlich eher etwas viel zu kindliches,  war dies nicht der Fall bei Uria. Das Mädchen zupfte furios an dem Ärmel des Jungens und schrie fast auf: „Wie hast du mich genannt, du Verdammte! Komm zurück, wenn du schon so mutig bist! Kannst nichts anderes als nur labern! Bist nur neidisch auf Amarath!" Sie wollte ihrer  Schwester schon hinterher rennen, dennoch war die Reaktion von Amarath viel besser und schon hatte er sie am Ellbogen ergriffen. Sie zappelte dadurch zwar nur rum, dennoch verstärkte er nur seinen Griff.  Er kannte diese Beiden zu gut und wusste, was zu tun war. Uria war viel zu anfällig für Nemeia's Kindlichkeit. 

„Uria, hör auf. Antworte ihr einfach nicht und sie wird selber damit aufhören."

Das Mädchen beruhigte sich dem Anschein nach langsam, starrte aber noch immer zornig in die Richtung ihrer Schwester.

„Hätte ich gerne deine Innere Ruhe. Ich kann sie nicht ausstehen. Wie war es einfach nur möglich, dass wir Schwestern geworden sind. Amarath, ich bin doch nicht faul, oder? Ich meine-"

Amarath seufzte und strich ihr leicht über den Arm. Er wollte ihr zustimmen, es ging aber irgendwie schwer. Uria war wirklich nicht die beste Schülerin und man konnte sie wirklich nicht mit ihrer Schwester vergleichen, dennoch...

Er beschloss lieber das Thema schnell zu Ende zu lenken.

„Du nimmst ihre Worte zu ernst. Wie auch immer, hast du schon nachgedacht, ob du alleine oder mit jemandem im Paar kämpfst?"

Irgendwas blitzte plötzlich in den Augen des Mädchens auf, als er sie dies fragte. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie eine Gegenfrage stellte: „Meinst du, du möchtest mit mir im Paar kämpfen?", bohrte sie nach, während sie leicht an seinem Ärmel zupfte. Eine blöde Angewohnheit. Amarath stutzte. Nicht wirklich das, was er gemeint hatte.

„Ja..." Wie konnte er da schon Nein sagen? Uria's Lächeln wurde nur noch breiter und sie klammerte sich fester an ihn.

„Ja! Ja, ja, ja, ich möchte mit dir im Paar kämpfen! Wollen wir gleich Morgen dahingehen und uns eintragen? Bitte?", fragte sie und schaute zu dem Jungen hoch. Dabei versuchte sie ihre Augen so weit zu öffnen wie möglich, damit es noch süßer aussehen würde. Amarath konnte aber nur hilflos lächeln und ihr zunicken. Er seufzte und schaute auf. 

Oh Himmel, wird das interessant...

Sein Herz machte plötzlich einen Sprung, als er in die traurigen, silbernen Augen blickte.



Silver Heart and Grey WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt