Kapitel 1 - Unscheinbares Schmuckstück

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Ein ungehaltenes Knurren löste sich aus Yaras Kehle, als sie zum wiederholten Mal angerempelt wurde. „Kannst du nicht aufpassen?", herrschte sie den jungen Faun an.

„Ent... Entschuldigung." Seine kleinen Hörner zitterten verräterisch, ehe er sich schnell aus dem Staub machte.

Yara klopfte sich das Kleid sauber und ließ den Blick über den völlig verstopften Marktplatz schweifen.

Wo zum Teufel steckt Cari?, murrte sie in Gedanken. Ihre Freundin wusste genau, dass sie Markttage hasste. Und dennoch ließ sie sie regelmäßig im Stich.

„Ah, da ist sie ja." Einige Meter weiter blitzte aus der dunklen Menge ein heller Schopf. Zielstrebig bahnte sich Yara einen Weg durch die schiebenden Leiber. Es schien ihr eine Ewigkeit vorübergegangen zu sein, ehe sie endlich den Stand erreicht hatte, an dem ihre Freundin sich aufhielt.

„Gibst du schon wieder unser Geld aus?", fragte Yara und zupfte eine kleine Feder von Caris Arm.

„Au, spinnst du? Willst du mich rupfen? Ich bin doch kein Huhn." Die erdbraunen Augen der Harpyie musterten Yara vorwurfsvoll.

Diese lächelte nur vergnügt und drehte den Federkiel zwischen zwei Fingern. „Hab dich nicht so." Um das Thema wieder zu wechseln, deutete Yara auf das kleine Päckchen in Caris Hand. „Also, welchen Plunder schleppst du jetzt wieder mit nach Hause?"

„Das ist kein Plunder, das ist eine Antiquität", sagte Cari bestimmt. Gemeinsam entfernten sie sich von dem Stand und strebten zum Rand der großen Fläche.

Yara atmete unmerklich tief durch, als sie den Hexenkessel von Markt verlassen hatten. „Und was für eine Antiquität ist es?" Yara versuchte ihre Neugier zu verbergen, doch Cari grinste fröhlich.

„Das verrate ich dir noch nicht. Es ist eine Überraschung."

„Oh nein. Aber hoffentlich nicht eine von der Sorte, als du aus Versehen eine vermeintlich versteinerte Sumpfkatze gekauft hast."

Cari verdrehte die Augen, sagte aber nichts.

„Du brauchst gar nicht so zu tun, als wüsstest du nichts mehr davon. Beinah einen Monat habe ich gebraucht, ehe ich den ganzen Schlick wieder aus meinem Zimmer heraushatte."

„Yara, du jammerst schon wieder", bemerkte Cari ruhig und bog mit ihrer Begleiterin um eine Ecke. Der Lärm nahm augenblicklich ab, verstummte zu einem monotonen Summen im Hintergrund.

„Na und? Du beschwerst dich ja immer noch über mein Seifenmissgeschick", konterte Yara und beschleunigte ihren Schritt. Cari musste fast rennen, um mit den langen Beinen ihrer Freundin mitzuhalten.

Als sie wieder aufgeschlossen hatte, boxte sie Yara auf die Hüfte. „Du warst ja nicht diejenige, die eine Woche mit grünen Haaren hatte rumlaufen müssen."

Yara gluckste ungeniert vor sich hin. „Stimmt. Ich habe mich beinah zu Tode erschreckt, als du als Dämon aus dem Bad gestürmt bist."

„Alles deine Schuld. Im Gegensatz zu meinen Schwestern passiert mir das nicht so oft, aber damals..." Cari seufzte und schüttelte den Kopf. „Lassen wir das, es führt sowieso jedes Mal zu nichts."

„Meinetwegen. Wir Drachen sind ohnehin für unser diplomatisches Geschick bekannt."

Cari betrachtete Yara mit zusammen gekniffenen Augen, holte tief Luft und – sagte nichts. Stattdessen kramte sie nach dem Ladenschlüssel in ihrer Tasche, denn dieser war schon in Sicht.

Eingebettet in das mythisch angehauchte Zauberviertel passte Yaras und Caris Laden wunderbar zu der geheimnisvollen Atmosphäre in diesen Gassen. Mit verschnörkelten Schriftzeichen an der Tür, allerhand magische Utensilien im Schaufenster und skizzierten Händen – ein Laden der Venefi, wie er im Buche stand.

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