Kapitel 19 - Meine Mutter

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ALEC

Das einzige, an das ich mich erinnern konnte, war, wie ich von einem gigantischen Fuchs durch die halbe Stadt gejagt worden war.

Als ich jetzt die Augen aufschlug, mich aufsetzte und umsah, war ich total verwirrt. Ich befand mich in einem komplett weißen Raum auf einer weißen Liege, die in der Mitte stand. In die Wand vor mir war eine schneeweiße Tür eingelassen. Auch ich trug blütenweiße Kleidung, die sich von meiner dunkleren Haut gut abhob.

War ich (nur mal angenommen) in der Zwischenzeit gestorben und hatte es nicht mitbekommen?! Oder träumte ich einfach nur?

Zur Sicherheit kniff ich mir in den Arm. Ich spürte den leicht stechenden Schmerz sehr deutlich. Ich war also wach...

Ich schwag die Beine von der Liege und stand auf. Irgendetwas war anders als sonst...

Ich sah an mir herunter. "NEIN, NEIN, NEEEEIIIIN!", schrie ich, "das kann nicht sein! Das ist unmöglich! Nein!" Statt meinen sexy Zeigenbeinen und den dazu wunderbar passenden und exzellent gepflegten Hufen hatte ich solche blöden Beine und Stinkefüße, wie Menschen und Halbgötter sie besaßen. Ganz ohne Fell! Und mit einer ekelhaften Duftnote!

Ich ließ mich zurück auf die Liege fallen und stützte den Kopf in meine Hände. Das konnte alles nicht wahr sein!

Ich wäre wohl vor Einsamkeit und Trauer (und Hunger!!!) gestorben, wenn nicht in diesem Moment ein Mann und eine Frau den Raum betreten hätten. Der Mann war groß und schlank und trug einen Roten Anzug. Sein Haar leuchtete golden im Licht der Neonröhren an der Decke, die Augen waren von einer Sonnenbrille verdeckt. Die Frau war eher zierlich und trug ein Weißes Kleid, aber ihre Haare schimmerten silbern. Beide waren sie auf ihre ganz verschiedene Weise schön (ein anderes Wort hätte die beiden einfach nicht beschreiben können!).

Der Mann grinste mich an und nahm seine Sonnenbrille ab. "Na, endlich wach? Du Schlafmütze? Hat ja auch lang genug gedauert." Er warf demonstrativ einen Blick auf seine silberne Rolex, die an seinem Handgelenk baumelte.

Von da an war mir dieser Mann zuwider. Die Abschätzigkeit in seinen Augen, wenn er mich ansah, sein hochnäsiges Getue und wie er sich ständig durchs Haar fuhr als wäre er Zeus persönlich!

"Lass ihn doch, Polly", sagte die Frau. Ihre Stimme war sanft und in ihrem Blick lag mütterliche Herzlichkeit. "Schließlich ist er von dem Theumnesischen Fuchs durch die halbe Stadt gejagt worden, nicht du!" Der Mann schnaubte nur, wobei er mich irgendwie an einen eingeschnappten Stier erinnerte...

Ich schluckte. "Wer seid Ihr?", fragte ich zaghaft und sah der Frau dabei fest in die Augen. Sie sollte mir antworten.

"Ich bin Apollo, Gott der Dichtkunst und der Lieder, des Bogenschießens und neuerdings auch der Gott der Sonne und das ist meine Schwester, Artemis. Sie ist die Göttin der Jagt, der Jungfräulichkeit - wobei das nicht mehr ganz aktuell ist - und des Mondes.", leierte er herunter als hätte er es schon tausendundeinmal gesagt, doch dann beugte er sich zu mir herunter und flüsterte verschwörerisch: "Aber sie ist im Bogenschießen nur halb so gut wie ich, wenn überhaupt." Er zwinkerte mir zu, lachte ein künstlich wirkendes Lachen und strich sich versucht elegant das Haar aus dem Gesicht. Was für ein Lackaffe.

Artemis lächelte mich unsicher an. "Alec, ich... ich muss dir etwas sagen..."

"Na dann mal los", Apollo klopfte ihr väterlich auf die Schulter, "du schaffst das schon!"

"Polly, lass uns für einen Moment allein, ja?", sagte Artemis.

Polly, wie ich ihn nun liebevoll nannte, zog einen Flunsch und verließ den Raum. Aber nicht, ohne hinter dem Rücken seiner Schwester eine beleidigende Grimasse zu ziehen. Wir beachteten ihn gar nicht.

Artemis sah mich an und ihr Blick wurde weicher. Was wollte sie mir  wohl sagen? War Liam im Kampf gegen den Fuchs gestorben oder hatte man Cats Leiche irgenwo gefunden?

"Alec..."

Ich fragte mich, was sie mir wohl sagen wollte, aber ich fragte nicht.

"...du bist doch seit deiner Geburt im Camp, nicht wahr?", fragte sie zaghaft.

Ich nickte. "Ich bin dort aufgewachsen und ich wurde zum Beschützer ausgebildet... Naja nicht ganz." Wieso war meine Stimme so hoch?!

Bilder aus meinem Leben im Camp schossen mir durch den Kopf. Wie ich mit den anderen Satyrn gespielt und gelernt hatte, wie ich einmal beim Essen in den Opfertrog gefallen war...

Artemis riss mich aus meinen Gedanken. "Heute ist dein fünfzehnter Geburtstag, Alec."

Geburtstag?! Aber ich wusste doch gar nicht, wann ich Geburtstag hatte! Trotzdem erschien es mir logisch...

"Du... du bist mein... mein... Sohn...", sagte sie mit zittriger Stimme. Dann schlug sie die Augen nieder. Ich sah, wie perfekte kleine Tränen über ihr Gesicht kullerten. Sie schluchzte. "Ich habe mein Gelübde gebrochen! Ich... ich..."

Ich ging zu ihr hinüber und fing eine Träne mit der Hand auf. Dann nahm ich sie in den Arm. Ich war kein Satyr, ich war ein Halbgott, einer, den es noch nie zuvor gegeben hatte.

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So. Kapitel 19 ist fertig :D

Hoffe, es gefällt euch :)

LG, eure Jackiiiee

PS: Ich versuche ab jetzt, jede Woche mindestens einmal zu uploaden. Meistens kommt das neue Kapi dann am Wochenende. Aber seit mir nicht böse, wenn das nicht immer klappt >.<

Half-Blood Diaries (Percy Jackson) [ABGESCHLOSSEN]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt