❅ 1 - Mister Neunmalklug ❅

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22. Dezember

Die Scheibenwischer meines alten VW-Polos kämpften gegen die dicken Schneeflocken an, die seit Stunden unnachgiebig vom grauen Himmel fielen. Das Navi, das an der beschlagenen Scheibe klebte, spielte verrückt und sagte mir bereits seit zwei Kilometern, ich solle links abbiegen - mitten in den Wald. Aus dem Radio trällerten die immer gleichen Weihnachtslieder, doch der Wind, der durch die winterliche Landschaft pfiff, übertönte selbst Last Christmas.

Hier oben in den Bergen sah alles gleich aus. Ich war mir ziemlich sicher, schon zweimal am selben Aussichtspunkt vorbeigefahren zu sein, bei dem ein Teil des Holzzauns, der eigentlich als Geländer taugen sollte, komplett zersplittert war - als wäre ein Auto durch ihn hindurch gekracht. Ich umklammerte schluckend das Lenkrad. Der Polo kroch schleichend langsam über die schneebedeckten Straßen. Würde er jetzt den Geist aufgeben, wäre ich verloren.

Denn ich hatte mich zweifelsohne verfahren.

Ich war auf dem Weg zu meiner Familie und das Navi hatte mich hinauf in die Berge gelotst, weil der Highway aufgrund der Feiertage und des schlechten Wetters verstopft war. Aber hier oben war es noch viel schlimmer. Nicht das geringste Anzeichen von Zivilisation. Und die Tanknadel bewegte sich schon gefährlich lange im roten Bereich. Die Tankfüllung hätte zweimal gereicht, wenn ich mich nicht für diesen Umweg entschieden hätte. Ich wartete nur darauf, dass das Benzin leer war und ich mich zu Fuß durch den Schneesturm schlagen müsste. Ganz genau so begannen blutige Horrorfilme.

Ich schüttelte mich. Das war doch verrückt. Ich würde schon nicht sterben. Zumindest würde ich nicht verhungern, denn ich hatte im Kofferraum vier selbstgebackene Torten. Jedes Jahr sorgte ich an Weihnachten für den Nachtisch und wenn ich es nicht rechtzeitig zu meiner Familie nach Vancouver schaffen würde, müsste ich wohl gezwungenermaßen über die Torten herfallen. Aber ich ging davon aus, dass ich pünktlich zu Weihnachten bei ihnen war. Ich konnte gar nicht anders - ich hatte versprochen, sie wenigstens an den Feiertagen zu sehen, wenn ich schon den Rest des Jahres nur arbeitete.

Der Wagen krächzte und stöhnte, als er gegen die Steigung kämpfte, doch er schaffte es auf den Berg. Ich entschied mich, kurz am Rand anzuhalten. Es hatte keinen Sinn weiterzufahren, wenn ich weder wusste, wo ich war, noch etwas anderes sehen konnte als das Schneegestöber.

Ich müsste warten, bis sich der Sturm gelegt hatte. Vielleicht würde er genauso schnell wieder aufhören, wie er angefangen hatte. Es war zwar ein bisschen angsteinflössend, alleine mitten in der Pampa festzusitzen - in einem alten Auto und ohne irgendetwas zu sehen außer den puderzuckerweißen, dicken Schnee, der die Straßen bedeckte und den Wagen umhüllte. Aber was blieb mir anderes übrig?

Das Radio rauschte wegen des schlechten Empfangs. Ich kramte eine der zahlreichen CDs aus dem Handschuhfach und schob sie in den Player. Die unbeschwerten Weihnachtslieder konnten meine Panik ein wenig lindern. Irgendwie käme ich hier schon weg. Es ging sich nur um das Wann.

December Chaos (Leseprobe)Where stories live. Discover now