5. Kapitel: Macht

53 8 1
                                    



Leises Knurren weckte Asche aus ihrem unruhigen Halbschlaf.
»Wer war das?«, murmelte sie, schlug die Augen auf und blinzelte ins Dämmerlicht.

Wind neben ihr gähnte. »Was denn?«

»Ich glaube, sie meinte meinen Magen«, miaute Käfer, der gegen die Kälte tief unter der Erde in der Nacht näher an seine Wurfgefährten gerückt war. »Ich habe Hunger!«

»Da bist du nicht der einzige.« Wind war aufgesprungen und pirschte in der Höhle umher. »Warum können uns diese Katzen dort draußen nicht endlich was zu fressen bringen?«

Das fragte sich Asche auch. Lange konnte es aber nicht mehr dauern. Die Fremden, die sie hier eingesperrt hatten, brachten ihnen jeden Sonnenaufgang eines ihrer Beutetiere. Drei Amseln, eine Taube und eine fette Spitzmaus hatten sie schon verspeist, seit die schildpatt-Kätzin und der Rotbraune sie von Wolke weggebracht hatten. Allmählich begann Asche sich zu fragen, ob sie je wieder freigelassen werden würden.
Was haben sie nur mit uns vor?, fragte sie sich, war sich aber nicht sicher, ob ihr die Antwort gefallen würde.

»Ständig Amsel! Nie gibt es Kaninchen!«, riss Käfer sie aus ihren Gedanken. »Bestimmt fressen sie die alle selbst!«

»Und sonst hast du keine Probleme?!«, fauchte Wind und sprach damit aus, was Asche ebenfalls dachte. »Ich würde ihnen allen am liebsten die Pelze zerfetzen, sodass wir hier raus kommen. Meinetwegen kannst du dir dann deine eigenen Kaninchen fangen. Soll mir egal sein.«

Asche schüttelte ihren Kopf über ihre Brüder, was diese in dem Halbdunkel der kleinen Höhle offenbar nicht bemerkten. Der eine war im wahrsten Sinne des Wortes ein Kaninchenhirn, der andere vollkommen leichtsinnig. Inzwischen schien Wind vergessen zu haben, wie sein letzter Versuch geendet hatte, gegen ihre Feinde zu kämpfen. Einzig eine Verletzung knapp über seinem linken Auge zeugte davon. Er ist wohl auf noch mehr Narben aus...

»Du wirst niemanden angreifen, wenn du schlau bist!« Die Stimme des rotbraunen Fremden klang gedämpft, als dieser sich mit einer Amsel im Maul durch den engen Eingang quetschte.

»Sag ich doch«, zischte Käfer. »Immer nur Amsel!«

»Sei still«, flüsterte Asche, doch entweder hatte der Rotbraune nichts gehört, oder es war ihm egal.

Er legte die Beute den Jungen vor die Pfoten, drehte sich um und tappte davon. Wenige Herzschläge später waren die drei wieder allein. Allein an diesem düsteren Ort, an dem sie zu beiden Seiten nur knapp eine Fuchslänge Platz bis zur Felswand hatten. Die Decke war so niedrig, dass Asche froh über ihre geringe Größe war. Jede Katze, die aus dem Jungenalter herausgewachsen war, hätte sich während ihrer gelegentlichen Jagdübungen beim Springen den Kopf gestoßen. Das konnte ihnen nicht passieren. Stattdessen war Asche bei ihrer letzten Trainingseinheit mit ihrer Vorderpfote umgeknickt, als sie hinter einem Stein hängengeblieben war. Der Untergrund war hier einfach zu uneben. Felsbrocken - teilweise katzenhoch - ragten aus dem Boden, so viele, dass er fließend in die Wand überzugehen schien.

»Ich nehme den ersten Bissen!«, miaute Käfer und Asche wandte sich zu ihm um. Ihr Bruder pirschte um die Amsel herum und beäugte sie, als hätte er vor, sie in einem Stück zu verschlingen.

»Nein ich!«, protestierte Wind. »Du hast schon gestern angefangen. Du hast als erstes und als letztes abgebissen. Wenn das so weitergeht, bist du am Ende fett wie eine flugunfähige Taube, während wir verhungern!«

»Stimmt doch gar nicht!«, empörte sich Käfer. »Außerdem wäre, wenn wir uns abwechseln, Asche an der Reihe. Sie dürfte anfangen.«

»Ist mir egal«, murmelte Asche. Sie hatte keine Lust, sich zu streiten und zudem dringendere Probleme.

Zeit des VerratsWhere stories live. Discover now