Folge 7: Das Photoshooting

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Val's POV

Tag zwei und ich brauchte offiziell Urlaub.

Wir befanden uns auf dem Dach eines Hochhauses und der Wind pfiff mir unbarmherzig ins Gesicht. Seufzend grub ich in den Untiefen meiner Jackentasche nach Taschentüchern und putzte mir die Nase.

Vielleicht konnte ich mich ja krankschreiben lassen?

„Suga, guck zu mir rüber. Ernstes Gesicht bitte!", wies der Fotograf Yoongi an und kniete sich hin, um das perfekte Bild zu erhaschen. Dabei hielt seine Assistentin Suga konzentriert einen Ventilator ins Gesicht.

Ich schnaubte. Das war nun wirklich einfach lächerlich. Bei diesen Sturmböen hier oben...

Mir stellten sich zwei Fragen:

1. Wo zum Teufel hatten die eine Steckdose gefunden und auch noch ein passendes Verlängerungskabel?

2. Und war es Ihnen nicht schon windig genug?

Ich schüttelte den Kopf. Fotografen. Muss man nicht verstehen. Ich wandte mich von dem Szenario ab und lief auf den Rand des Daches zu.

Die Sonne sank langsam aber sicher immer tiefer über das pulsierende Seoul und tauchte bald alles in rötlich-goldenes Licht. Im Wasser des Han Rivers spiegelten sich die Sonnenstrahlen und nach und nach wurden immer mehr Leuchtanzeigen eingeschaltet.

Lächelnd zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und schoss ein paar Bilder. Die würden meine neuen Hintergrundbilder werden.

„Wo sind die Stylisten?! Suga soll sein Zweitoutfit anziehen!", kläffte nun der Fotograf  und zwar so laut, dass ich es sogar bis hier hinten verstand.

Ich ignorierte die Ansage jedoch lediglich und schickte meiner besten Freundin aus Deutschland eins der Sonnenuntergangsfotos. Wir hatten schon lang nicht mehr geschrieben oder telefoniert, was aber auch zu einem großen Teil an der Zeitverschiebung lag.

Solange sie mich nicht dazu zwangsverordneten Stylistin zu spielen, war ja alles gut.

„Wenn die Stylisten nicht da sind müssen eben die Praktikanten helfen. Hana, hast du nicht eine mitgebracht?"

Oh nein. Ich tat beharrlich weiter so, als würde ich von dem Trubel hinter mir nichts mitbekommen. Ich bin gar nicht da, ich bin gar nicht-

„VAL!", blaffte Hana und ich drehte mich stöhnend um.

„Kann ich dir irgendwie helfen, Hana?", entgegnete ich mit bemüht höflicher Stimme. Das einzige was mir übrig blieb, war resignierte Kapitulation.

Warum immer ich?

Sie ignorierte meine Frage und schob mich zu Yoongi der abwartend neben einem Kleiderständer stand. Kann er sich nicht einfach selbst anziehen? So schwer ist das ja auch wieder nicht.

Macht er ja sonst auch jeden Tag, oder nicht?

„Hol das zweite Outfit und bring es dann zu Yoongi. Er wird in der Umkleide warten, hier draußen ist es ja eiskalt. Nicht, dass er krank wird.", befahl sie und ließ mich dann stehen.

Ach, so besorgt und zuvorkommend kenne ich sie ja gar nicht. Hätte nicht erwartet, dass sich hinter ihrem harten Kern tatsächlich ein mitfühlender Mensch befinden kann.

„Wie wäre es mal mit bitte oder Danke?", murmelte ich während ich die Bügel an der Kleiderstange nach Yoongis Anziehsachen durchging.

„Wie bitte?", fragte dieser jetzt und gähnte. Er hatte scheinbar beschlossen Choi Hanas Rat nicht zu befolgen und sich hier draußen ebenso wie ich den Allerwertesten abzufrieren.

„Ist egal. Geh einfach rein, nicht das DU krank wirst. Das wäre ja der Weltuntergang.", antwortete ich und putzte mir wieder demonstrativ die Nase.

Er zog lediglich eine Augenbraue hoch.

„Ah! Das ist es ja!", rief ich als mir der passende Bügel der mit Suga beschriftet war in die Hände fiel. Gerade als ich ihn rausziehen wollte, schnappte sich jedoch Yoongi den Kleiderbügel und stapfte davon. Was zum Teufel?!

„Hey!"

Empört rannte ich hinter ihm her. Was musste der denn jetzt für ein Tempo an den Tag legen? Ich folgte ihm zurück ins Hochhaus hinein und in die Umkleide.

„Was sollte das denn gerade? Jetzt muss ich schon als deine Stylistin einspringen und du hörst nicht mal auf mich?", fauchte ich und stemmte beide Hände in die Hüften.

„Deine bakterienverseuchten Händchen lasse ich ganz sicher nicht an meine Klamotten. Aber du kannst mir gerne beim Anziehen helfen, wenn du schon mal da bist.", erwiderte er spöttisch und zog sein T-Shirt über den Kopf.

Schnell drehte ich mich um und funkelte genervt die Wand an. So ein Blödmann!  Jetzt nur nicht aus der Reserve locken lassen.

„Du kannst dich ruhig wieder umdrehen, Val.", sagte er nun belustigt.

„Warum sollte ich überhaupt mitkommen, wenn du dich eh alleine anziehst." meinte ich während ich mich wieder ihm zu wandte.

Ständig änderte er seine Meinung. Heiß-kalt. Nett-fies. Hilf mir beim Anziehen, Val-Nimm deine Bakterienverseuchten Hände weg.

Er trug nun eine graue Jeans mit mehreren Löchern und dazu ein weißes Paar Sneakers von Puma (was sonst). Dazu hatte er einen schlichten schwarzen Hoodie übergeworfen unter dem ein weißes Shirt hervor lugte. Er sah fast brav aus, was war denn mit AgustD passiert, der irgendwo tief in ihm drin steckte?

Schweigend eilte ich zur Hilfe. Ich könnte ja nicht zu lassen, dass anstatt von lil' rawr rawr Bilder von lil' meow meow gemacht wurden. Das war bestimmt nicht die Absicht der Stylisten gewesen.

Bereitwillig ließ er mich das Shirt unter dem Hoodie hervor zupfen und die Kapuze drapieren. Ich entknotete die Kordeln des Pullovers, sodass sie locker auf seine Brust fielen und den Blick auf Yoongis Hals ermöglichten. Die Kette die er unter dem Shirt versteckte, zog ich hervor und fuhr ihm zu guter letzt nochmal durch die frisch gefärbten schwarzen Haare, damit sie lässig verwuschelt waren.

Zufrieden betrachtete ich mein Werk. Er sah echt heiß aus.

„Glücklich, Frau Stylistin? Genau dafür sind die da, ich hab nämlich nicht wirklich Ahnung davon mich in Szene zu setzen.", sagte er trocken und zog noch eine schwarze Bomberjacke aus glänzendem Stoff über, bevor er die Umkleide wieder verließ.

Tja, dann sag eben nichts weiter und leg einfach einen dramatischen Abgang hin. So wie immer.

Ich blieb noch einen Moment im Hochhaus um mich ein wenig aufzuwärmen, dann begab ich mich wieder in die Kälte.

Warum tue ich mir das nur immer wieder an?

Der Fotograf hatte Suga inzwischen an den Rand des Hochhauses navigiert, wo er nun wie verrückt Bilder davon schoss, wie Yoongi nachdenklich in den Sonnenaufgang blickte und Seoul unter sich betrachtete.

Mein Magen schlug Purzelbäume, während der Wind sanft durch seine Haare strich und ihm ein verwegenes Aussehen verlieh.

Als hätte er meine Gedanken gehört, blickte Yoongi auf einmal auf und drehte sich zu mir. Ein leichtes Lächeln zupfte an seinen Lippen.

Hana wählte genau diesen Augenblick aus, um sich in voller Breite vor mich zu stellen und mir die Sicht zu rauben.

Am liebsten hätte ich sie vom Hochhaus geschubst.

„Einen Kaffee, schwarz, in zehn Minuten in meinem Büro. Wir müssen noch etwas besprechen.", ordnete sie an, dann gab sie mir das Geld für Taxi und ihre Bestellung.

Ich seufzte und verließ das Dach. Zum wiederholten Mal.

„Aye, Aye Käpt'n.", murrte ich und  warf die Tür kräftig hinter mir ins Schloss.

Taxi thief -yoongi x oc Where stories live. Discover now