Träumen

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Müde setzte ich mich auf mein Bett. Draußen hörte ich einen Krankenwagen. Leise jaulte seine Sirene zwischen Hupen und Motorgeräuschen. Ich legte mich nach hinten. Die zweite Nacht, in der ich nicht schlafen konnte. Es machte mich wahnsinnig. Trotz, dass meine Augen brannten und tränten, ließ mein Geist mich nicht in Ruhe. Es schien, als würde mein Inneres alles daran setzen, mich zu quälen. Hier schmerzen, dann wieder eine Erkältung. Und jetzt auch noch die Schlafprobleme. Ich wollte doch nur wieder schlafen. Schlafen und davon Träumen, wie schön mein Leben sein könnte. Ohne das, was ich war. Wie schön mein Leben als normaler Mensch wäre. Ich schloss meine schmerzenden Augen. Wie schön mein Leben wäre, wenn ich meine Freunde sehen könnte. Wenn ich wie alle anderen raus gehen könnte. Ohne weite Hosen und Kapuze oder Mütze. 

Ob er  mich mögen würde, außerhalb des Internets. Ob er mich so akzeptieren würde, wie ich war? Ich rieb mir mit den Knöcheln über die Augen. Ob er mich überhaupt sehen wollte? Ich träumte oft davon, wie ich ihn in München traf. Wie ich auf den Bahnsteig sprang, ihn sah und zu ihm rannte. Wir uns lang und innig umarmten, uns nicht mehr voneinander lösen wollten. Und dann, wie er mich küsste. Mir sagte, dass er mich liebte. Und zwar so, wie ich war. Doch das alle würde für immer ein Traum bleiben. Denn zu einem Treffen würde es niemals kommen. Das wollte ich der Person, die ich liebte, nicht antun. Ich wollte ihn nicht verstören. Ihn nicht vergraulen. Ich wollte nicht, dass er mich hasst.

Es ist und bleibt ein Traum. Mein eigener Traum.

(...)

Patrick meckerte über Skype, wie nervig es war, die ganze Pappe der Möbel kleinzuschneiden und in einen großen Karton zu stopfen. Schmunzelnd stützte ich mein Kinn auf meiner Hand an und beobachtete ihn, wie er mit dem Cuttermesser die Pappe zerkleinerte. Wenn er wüsste, wie ich jede seiner Bewegungen einstudierte, um ihn mir in meinen Träumen besser vorstellen zu können. In der Nacht und auch in meinen Tagträumen, wenn ich in die Luft starrte und ihn mir vorstellte. Wenn er wüsste, wie ich hier saß und ihn verliebt ansah. "Bist du da?" Er wedelte mit dem Messer. "Oder hat Killer Pdizzle dir so eine Angst eingejagt, dass es dir die Sprache verschlagen hat?" Er sah in die Kamera. Mein schmunzeln wurde zu einem Grinsen. "Ich bin noch da. Ich war nur, ehm. Ich esse." Schnell raschelte ich mit etwas Papier. Patrick grinste. "Was isst du?" Es war klar, dass er das fragte. "Essen." Ich wurde rot. Patrick setzte sich auf seinen Stuhl. "Bekomme ich was ab?" Nun machte er ganz große Augen und schmollte. Mein Grinsen verschwand. "Dafür müsstest du hier sein", gab ich zurück. Ich versuchte nicht gebrochen zu klingen. Aber das war schwer. Wenn er wüsste, wie sehr ich mir das wünschte.

Patrick lachte hell auf. "Für etwas Essen so weit fahren? Ne danke, da bestelle ich mir lieber was. Bis ich bei dir bin, bin ich verhungert." Ich beobachtete, wie er seine Maus griff und auf seiner Tastatur tippte. "Bestellst du jetzt wirklich was?", fragte ich mit gehobener Augenbraue. Patrick nickte abwesend. Er suchte sich vermutlich gerade ein Gericht aus. "Du hast doch eben was gegessen." Er warf einen kurzen Blick in die Linse der Kamera. "Das war vorhin. Vor der Aufnahme. Das ist jetzt auch schon, ehm, fast zwei Stunden her." Ich bemerkte das zucken an seinen Lippen. Er zwang sich, nicht zu grinsen. "Fresssack", lachte ich nur. Patrick konnte sich nun auch nicht mehr zurück halten und grinste mich an. 

Ich liebte sein grinsen. Ich liebte ihn. 

Felidae / KürbistumorOnde histórias criam vida. Descubra agora