Kapitel 6

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Mila

»Seattle, was machst du hier draußen?«

Julian schnipst den Stummel seiner Zigarette gegen die Hauswand gegenüber. Die Gasse zwischen diesem Haus und dem nächsten ist nicht besonders groß. Es gibt hier gerade genug Platz für die Treppe vor dem Hintereingang zur Bar, auf der Julian gerade sitzt, und die Mülltonnen.

»Ich bringe nicht den Müll raus«, sage ich schlecht gelaunt. Ich wollte nur ein paar Minuten frische Luft und Ruhe, schließlich ist das hier meine Pause.

»Es gibt einen Pausenraum für Angestellte«, sagt er fast schon knurrend.

Trotzig setze ich mich neben ihn auf die untere Stufe. »Zu stickig. Irgendjemand qualmt den voll.«

»Das ist dann wohl John.«

»Ich hatte keine Ahnung, dass er hier angestellt ist.« Ich rutsche ganz an den Rand der Stufe, damit ich nicht so nah neben Julian sitzen muss. Nicht dass jemand vorbeikommt und glaubt, wir wären ein Paar. Oder noch schlimmer, ich wäre sein neuestes Groupie.

»Irgendwie ist er das. Meine Mom gibt uns immer ein paar Prozent der Einnahmen samstags.« Er setzt sich schräg und starrt auf meine Beine. »Heute Hosen?«, will er breit grinsend wissen.

Ich werfe einen Blick auf ihn. »Du auch.«

»Ja, und sie stehen mir mindestens so gut wie deine dir. Wie hat dir der Auftritt gefallen?«

Ich wusste, ich hätte die Schürze nicht ausziehen sollen. Aber konnte ich ahnen, dass Julian hier draußen sitzen würde? Wie kommt es, dass ich ihm scheinbar immer einen Grund liefere für irgendeinen blöden Kommentar? Seine Augen funkeln, vielleicht liegt es auch nur am Licht über der Tür, trotzdem habe ich den Eindruck, dass er sich lustig macht über mich. Meine Meinung interessiert ihn wahrscheinlich gar nicht.

»Ziemlich gewaltlastig«, sage ich desinteressiert, obwohl gerade diese düsteren Texte und seine dunkle Stimme mich so faszinieren. Ich wüsste gerne, ob sie eine Bedeutung haben. Ob es einen Grund für seine Texte gibt, oder ob es einfach nur Songtexte sind. Aber die Gefühle in seiner Stimme und in seiner Körpersprache, wenn er singt, lassen mich glauben, dass er das Leid, das er besingt, erlebt hat.

»Du hörst also doch zu.«

Ich sehe ihn erstaunt an. »Was hat dich glauben lassen, ich würde es nicht tun?«

»Niemand tut es.«

»Nun ja, ich tue es«, sage ich.

»Vielleicht bist du doch nicht so, wie ich dachte.« Er beugt sich etwas vor und sieht mir neugierig ins Gesicht. »Was macht jemand aus Seattle hier in diesem Kaff?«

»Willst du nicht viel eher wissen, warum jemand wie ich in einer Bar arbeitet?«, frage ich trotzig, weil ich mich über diesen abschätzigen Ausdruck in seinem Gesicht ärgere.

»Das auch.«

»Nun, es geht dich nichts an«, sage ich und stehe auf. Ich wende mich zur Tür und ziehe am schweren Stahl. Eine Feuerschutztür, die sich kaum öffnen lässt.

»Hübscher Arsch, Seattle. Solltest öfters Hosen tragen.«

»Deine Meinung interessiert mich nicht, aber danke«, erwidere ich trocken, bevor ich mich nach innen zwänge. Im engen Gang vor den Toiletten bleibe ich kurz stehen und atme tief ein. Ich sehe an mir runter und wische meine Hände an der Röhrenjeans ab, dann gehe ich eilig in den Personalraum und wickle meine Schürze wieder um mich. Ich wollte alles andere, als dass Julian Rush meinen Riesenarsch bemerkt.

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