27. Blackmail

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♪ Eyes without a face – Billy Idol


H E A T H E R


Tunlichst vermied ich es die Nachricht anzuschauen, die Niall mir hatte am gestrigen Abend zukommen lassen. Unser Zusammentreffen sollte ihm doch deutlich gezeigt haben, dass ich den Kontakt zu ihm abbrechen wollte. Seit wann reagierte er denn dermaßen begriffsstutzig?

In meinen Augen war es besser, auf Abstand zu gehen, denn die fatalen Geschehnisse dieser einen Nacht, sollten am besten von uns beiden vergessen werden.

Den halben Tag dachte ich darüber nach, konnte mich nicht richtig auf meine Arbeit konzentrieren und deswegen beschloss ich, die Mittagspause draußen zu verbringen. Ganz in der Nähe meiner Arbeitsstätte befand sich ein Park, dort setzte ich mich mit meiner Box, in der sich ein Thunfischsalat befand, hin.

Ein Lächeln glitt über mein Gesicht, als ich das Zwitschern der Vögel vernahm und den Duft der Blumen einatmete, der durch den sanften Wind in meine Richtung getragen wurde. Diese kleine Stückchen Natur half mir dabei, ein wenig Klarheit in die zahlreichen Windungen meiner Gedankengänge zu bringen.

Ich hatte einen Fehler gemacht, war ein kleines Stück von meinem Weg abgekommen. Vielleicht ging es Niall ähnlich und er wollte sein Gewissen beruhigen, indem er sich bei mir entschuldigte.

Je länger ich über die Sache nachdachte, desto mehr kam ich zu dem Entschluss, seine Nachricht doch noch anzuschauen. Ein kurzer Satz mit den Worten „Es ist alles okay, mach dir keine Gedanken", sollte von meiner Seite aus durchaus drin sein. Dann brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben und mir ging es ebenfalls besser, zumindest oberflächlich gesehen.

In Wahrheit interpretierte ich weitaus mehr in diese Nacht hinein, als sie es vermutlich verdiente. Niall suchte nur ein Spielzeug und ich, in meinem betrunkenen Kopf, bot mich als ein solches an. Uns beide traf jeweils die Hälfte der Schuld und deswegen erschien es mir nur fair, diese Last von ihm zu nehmen.

Innerlich gab ich mir einen Ruck, zog das Handy hervor, öffnete seine Nachricht und begann zu lesen.

Mit jedem einzelnen Wort weiteten sich meine Augen mehr, ich glaubte keine Luft mehr zu bekommen und keuchte entsetzt auf. Wie dreist war er bitte?

Nochmals las ich den Text, der einer Erpressung gleich kam und musste prompt würgen.

„Wenn du dich nicht zu einer persönlichen Aussprache mit mir triffst, werde ich Carl von deiner moralischen Entgleisung berichten. Du hast Zeit, bis morgen Nachmittag, um zwei Uhr, dich bei mir zu melden."

Vehement japste ich nach Luft, innerlich platzte ich gerade vor Wut. Er war ein Idiot, er hatte sich keinen Deut gebessert. Wie ein dummes Geschöpf war ich ihm auf den Leim gegangen und nun nutzte er diese Sache aus.

Aber was hatte er davon, wenn ich nicht befördert wurde? Den Sinn dahinter verstand ich keineswegs, nur eines wurde mir bewusst: Ich glaubte Niall zu kennen, doch da irrte ich mich wohl gewaltig. Das Gute in ihm zu sehen, war stets mein Ziel gewesen, aber jetzt krochen Enttäuschung und Bitterkeit in mir hoch. Er war nicht eine einzige Zeile wert, aber mein Selbsterhaltungstrieb mahnte mich, keinen Fehler zu begehen. Viel Zeit blieb mir nicht, darüber nachzudenken, denn die Uhr zeigte genau fünf Minuten vor zwei.

Wenn ich mich nicht bei ihm meldete, war ich geliefert.

Das Aus meiner Karriere mutwillig herbeizuführen, kam nicht in Frage und deshalb schrieb ich mit zitternden Fingern und Tränen in den Augen eine Nachricht an ihn.

Cross RoadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt