05. Rainbow

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♪ Rain – The Script


N I A L L


Als wir in Richtung Irland aufbrachen war es noch dunkel draußen, aber dafür trocken und einigermaßen warm. Ich verließ mich jedoch nicht auf das Wetter hier, Irland bot in dieser Hinsicht immer einige Überraschungen, vor allem, wenn der berüchtigte Regen seine Klauen nach einem ausstreckte.

Leicht amüsiert begutachtete ich Heathers Kleidung, als wir an einer roten Ampel standen. Schon beim Einsteigen waren mir ihre Pumps mit hohen Absätzen aufgefallen. Noch dazu trug sie nur ein Sommerkostüm und dünne Strumpfhosen. Da half auch das Tuch, das sie um ihren Hals geknotet hatte, nicht viel. Zumindest nicht, wenn es in Strömen zu schütten beginnen sollte.

„Ich habe einen Regenschirm dabei", hörte ich Heather sagen, als ich sie auf ihre Kleidung ansprach. Sofort brach ich in lautes Gelächter aus.

„Einen Regenschirm? Der wird dir in Irland definitiv nichts nützen, denn der Wind trägt dich mitsamt dem Schirm weg wie Mary Poppins."

„Du kennst Mary Poppins?" Ein wenig ungläubig schaute sie mich an, worauf ich antwortete. „Klar, den Film habe ich als Kind gesehen. Ich fand ihn nicht schlecht, auch wenn ich mehr auf die Ninja Turtels stand. Avril war schon heiß."

„Natürlich, es war irgendwie klar, dass du dich auf die Brüste fixiert hattest", konterte meine Beifahrerin. Auf den Mund gefallen war sie ganz sicher nicht aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie stocksteif war und keinen Sinn für Humor vorzuweisen hatte. Zumindest nicht den Humor, den ich bevorzugte.

So früh am Tag waren die Autobahnen um London noch nicht ganz so voll, zudem bewegten wir uns aus der Stadt hinaus, fuhren also antizyklisch. Die Reisezeit war von mir nicht zu knapp, sondern eher reichlich bemessen worden. Ein Zwischenstopp an einer der Raststätten war allemal drin, denn ich hatte noch nicht gefrühstückt. Auch Heather schien Hunger zu haben, denn sie protestierte nicht, als ich an der nächsten Raststätte die Autobahn verließ.

„Kaffeepause muss sein", sprach ich und parkte den Wagen direkt vor dem Gebäude. „Ich habe einen Bärenhunger."

Sofort gab Heather ihren Senf dazu. „Ich nicht, ich hatte bereits ein Müsli."

Müsli? Wie konnte man nur so ein ekelhaftes Zeug essen? Kurz schüttelte ich mich, um auf diese Art und Weise meine Antipathie gegen das Müsli auszusprechen. Heather erfasste mit einem Blick, was ich ihr damit sagen wollte. „Nicht jeder kann sich von Fastfood ernähren", lautete ihr Kommentar, als ich wenig später ein Sandwich mit Salatblättern, Schinken und Käse verdrückte.

„Das ist kein Fast Food, da ist Salat drin", behauptete ich.

„Auf einem Burger ist auch Salat und trotzdem fällt er in die Kategorie Fast Food."

Ich beobachtete, wie sie an ihrem Kaffee nippte, den sie schwarz trank. Ich kannte nicht viele Frauen, die das taten, die meisten bevorzugten Milch und Zucker oder Süßstoff. Selbst ich versetzte die schwarze Brühe regelmäßig mit Milch.

Immerhin gönnte Heather sich ein Schüssel Obstsalat, während ich das Sandwich verdrückte.

„Wie lange brauchen wir noch zur Fähre?", erkundigte sie sich, als wir wieder im Wagen saßen.

„Zwei Stunden und fünfunddreißig Minuten laut Navi", antwortete ich. „Wir werden es also ganz locker schaffen."

Vermutlich dachte Heather, dass ich nicht einmal dazu in der Lage war, eine Reise zu planen. Aber da hatte sie sich geschnitten. Außerdem kannte ich die Route recht gut, denn ich hatte vor zwei Jahren einen Irland-Trip mit meinen besten Freunden unternommen.

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