Die Ernte (Clove POV)

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Viel zu optimistisch wache ich heute auf. Schnell habe ich mein Bett verlassen und gehe in die Küche, doch keiner von meinen Eltern steht da. Sie schlafen wahrscheinlich noch, aber ich bin viel zu aufgeregt um jetzt weiter schlafen zu können, denn heute ist die Ernte.
Ich hoffe darauf, dass ich in die Spiele darf, doch die Chancen, dass mein Name von den vielen anderen auf dem Zettel steht ist sehr gering. Dann kann ich mich natürlich freiwillig melden, aber ich bin erst 15 und meist werden Achtzehnjährige ausgewählt.
Nach einer Weile kommen endlich meine Eltern in die Küche. Sie wissen, dass ich in die Spiele will. Meiner Mutter gefällt das gar nicht, aber mein Vater findet es gut. Er wollte selber in die wurde jedoch nie ausgewählt. Er träumt heute noch von einem Sieg und findet es toll, dass ich seinen Traum weiter verfolge. Keiner sagt etwas, die Situation ist angespannt. Umso schwerer fällt es mir das Brot hinunterzuschlucken. Ich habe keinen großen Hunger. 
„Clove...“, beginnt meine Mutter nun und ich höre an ihrer Stimme, dass nichts Gutes kommen wird. „Ja, Mum“, meine ich. „Du wirst dich dieses Jahr doch nicht freiwillig melden, oder?“ Ich schaue sie empört an und sage im lauten Ton: „Doch! Und du weißt es!“ Meine Mutter schreckt leicht zurück und ich sehe die Angst in ihrem Gesicht: „Du bist erst Fünfzehn.“ Ich will mir das nicht länger anhören und renne hinaus. Auf einer Wiese bleibe ich stehen. 
Ich weiß, dass ich mit 15 schon besser, als manche ältere bin. Das wurde mir schon oft gesagt. Außerdem glaubt Cato an mich. Er ist mein großes Vorbild und nur zwei Jahre älter als ich. Er hat den selben Traum wie ich und wird sich nächstes Jahr freiwillig melden. Er hat mir oft beim Trainieren Tipps gegeben und mich gelobt, als er mich entdeckt hat. Während des Trainings waren wir oft zusammen.
Als ich mir vorstelle, wie er mich vor dem Bildschirm bejubelt, während ich in der Arena bin, muss ich lächeln. Cato ist mir sehr wichtig geworden und ich will ihn einfach nur begeistern.
Ich bleibe noch lange im Gras sitzen, doch plötzlich wird mir bewusst, dass die Ernte bald sein muss. Schnell laufe ich nach Hause und begegne Cato auf dem Weg. Er lächelt mir zu und wünscht mir viel Glück. Ich ihm auch, aber in anderer Weise. Ich hoffe nämlich, dass er nicht ausgelost wird und sich so nächstes Jahr melden kann und ich dieses Jahr gehen kann.
Zu Hause angekommen, kommt mir Dad entgegen. „Bitte, sei etwas ruhiger. Du weißt wie schwer es für sie ist“, flüstert er mir zu. Ich nicke nur. Meine Mutter verabscheut diese Spiele, weil ihre jüngere Schwester bei diesen gestorben ist. Meine Mutter war damals 19 und ihre Schwester 14. Es gab zwar Freiwillige für sie, aber sie ging trotzdem, weil sie genauso wie ich war.
Ich wasche mich und ziehe mein schönstes Kleid an. Es ist gelb und knielang. Meine Haare mache ich schnell zu einem Dutt. Als ich in der Küche eintreffe, sehe ich meine Eltern schon bereit. Meine Mutter sieht traurig aus und ich versuche mir die Freude aus dem Gesicht zu nehmen.

Auf dem Platz angekommen, verabschiede ich mich von meinen Eltern. Mein Vater lächelt mir versteckt zu, so das es meine Mutter nicht sehen kann. Dann stelle ich mich an die Schlange. Es wird in meinen Finger gestochen und ich mache den Blutabdruck. Im gegensatz zu manch Anderen, spüre ich keine Schmerzen.
Dann gehe ich zu den Fünfzehnjährigen. Lydia Wanders schaut uns freudig an und wartet auf den Bürgermeister. Endlich kommt er mit seiner Frau. Danach kommen die Mentoren Enobaria und Brutus.
Es folgt der Propaganda-Film. Ich verfolge ihn genau mit.
Dann beginnt Lydia den ersten Zettel aus der Glaskugel zu ziehen. Sie beginnt wie jedes Jahr bei den Mädchen. Ich hoffe darauf, dass ich es bin, denn dann erspare ich mir das Kämpfen um den Platz in den Hungerspielen. Sie liest ihn vor: „Selly Rends“ 
Alle Blick richten sich auf ein dreizehnjähriges Mädchen, die geschockt zur Bühne sieht. „Ich melde mich freiwillig!“, schreit ein Mädchen in der letzter Reihe und es werden immer mehr Rufe. „Stopp, stopp!“, versucht Lydia die Mädchen zu beruhigen. Ich bin ganz zappelig. Ich will in die Spiele!
„Willst du in die Hungerspiele?“, fragt Lydia Selly nett. Sie schüttelt so schnell wie möglich mit den Kopf. Ich will lächeln, doch meine Angst nicht in die Spiele zu dürfen ist größer, und so schaue ich ernsthaft.
„Nun, wer meldet sich freiwllig?“, fragt Lydia nun. „Ich!“, schreie ich sofort.
Weil wir immer zahlreiche Freiwillige sind, muss ich ganz nach vorne, wo sich die anderen Freiwilligen hinstellen. Am Schluss sind wir zu Fünft. „Nun, der Bürgermeister hat die Wahl“, meint Lydia und schaut ihn an. Er nickt kurz und bespricht sich mit seiner Frau und den Mentoren. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich die Jüngste unter den Freiwilligen bin. Überraschend schnell haben sie sich geeinigt und der Bürgermeister tritt vor und beginnt seine Antwort zu verkünden: „Nun, uns fiel die Antwort nicht schwer. Hier in Distrikt 2 gibt es ein talentiertes Mädchen, das hohe Chancen auf einen Sieg hat. Es ist Clove...“ Ich höre gar nicht mehr weiter zu, sondern stürme lächelnd auf die Bühne. Die anderen vier schauen mich neidisch an. Ich habe es geschafft! Ich darf in die Hungerspiele. Vor mir erscheint die Vorstellung, wie ich als Siegerin gefeiert werde. Lydia macht schnell weiter und zieht den zweiten Namen. Als ich ihn höre, ist meine ganze Freude verflogen. Es ist Cato! 

Unglaubwürdig schaue ich zu Lydia und dann zu den Jungen. Schnell kommt er auf die Bühne. Er wird gehen, dass weiß ich, denn wer mit 17 Freiwillige für sich gehen lässt, wird nachher von den Meisten ausgelacht. Er schaut mich ermutigend an. „Ich gehe“, sagt er noch kurz und stellt sich neben mich. Ich schaue überrascht in sein Gesicht. „Reicht euch die Hände“, fordert Lydia und wir tun dies.
Ich weiß nur noch eins: Ich kann Cato nicht töten und diese Hungerspiele werden nicht so, wie ich es mir erhofft habe.

Die andere Version der 74. HungerspieleWhere stories live. Discover now