Besorgungen

5 1 0
                                    

"Aufwachen, Schlafmütze! Wir haben viel zu tun heute!" Verschlafen öffnete ich die Augen. "Zu tun?" "Los, komm, steh auf!" Ruben zerrte mich aus dem Bett. "Duschen. Danach Frühstück. Und dann gehts los! Wir müssen Ragnar einen Besuch abstatten." "Ragnar?" "Erklär ich dir später, los jetzt!"

- oooooo -

Der Frühstückstisch war reichlich gedeckt. Frische, duftende Brötchen und der Geruch nach Kaffee ließen meine Schlaftrunkenheit verschwinden und ich langte ordentlich zu. Ganz nach englischer Manier gab es Orangensaft, verschiedenste Früchte, eine große Auswahl an Marmeladen, Rührei mit Speck, Bacon und Pencakes. In meinem Leben als Bankangestellter hatte ich nie Zeit für ein solches Frühstück gehabt. "Wer sorgt denn für so ein Menü hier?" "Das macht Mark. Der ist leidenschaftlicher Koch und außerdem Frühaufsteher. Eine gute Kombination."  Ruben lachte. "Und wo sind die Anderen?" "Myria kümmert sich mit Ezekeel um Angelegenheiten der Gilde. Adrian trainiert vermutlich und Jane schläft noch. Sie mag es, auszuschlafen. Ach ja, und Lydia sorgt für unsere Raben." "Ihr habt Raben?" "Na klar, die sind schließlich unsere Wappentiere. Ich zeig sie dir später!"

10 Minuten später verließen Ruben und ich den Galeriesaal über eine weitere Tür, die vom diesem abging. Über eine Wendeltreppe erreichten wir das Dachgeschoss des Hauses, in dessen Giebelfront eine altmodische Glastür eingelassen, die quietschte, wenn man sie öffnete. "Wenn du hier weitergehst, kommst du zum Rabenturm. Aber das machen wir später. Komm!" Ruben sprang vom Dach und landete sicher auf dem Dachfirst. "Wir nehmen den kurzen Weg.", meinte er erklärend.

Ich sah ihn zunächst unsicher an, folgte ihm dann aber doch. Wir balancierten von einem Dach zum anderen, mussten hier und dort kleine Höhenunterschiede überwinden oder schmale Gassen überspringen, doch im großen und ganzen musste ich zugeben, dass mir diese Art der Fortbewegung wirklich gut gefiel. Während sich der Morgen über der Stadt erhob, kam ganz allmählich Leben in die zahlreichen Gassen. Ruben mied die großen Straßen, auf denen sich der Berufsverkehr mittlerweile zu einem lärmenden Knäul von Autos zusammenballte, und wir erreichten recht zügig unser Ziel, welches ebenfalls in der Altstadt lag.

Wir steuerten zielstrebig auf ein relativ niedriges Gebäude zu, dessen Dachkuppel gerade mal vier Meter hoch schien. "Wir müssen springen." meinte Ruben grinsend und deutete auf eine schmale, hölzerne Treppe, die sich um die Spitze der Kuppel wand und zu einem runden Dachfenster führte. "Du meinst doch nicht ernsthaft..", setzte ich zu einer Antwort an, doch Ruben war schon gesprungen und sicher auf der Holztreppe gelandet. "Komm! Das schaffst du!", er lachte. Ich atmete tief durch, dachte 'Was soll's' und folgte ihm, landete aber nicht so elegant wie er, sodass er mich am Arm vor dem Herunterfallen bewahren musste. "Das war Knapp!" "Ach Quatsch! Komm mit. Ragnar wartet nicht gern." "Sag mir erst, wer Ragnar überhaupt ist." "Hab ich dir das noch nicht erzählt? Ragnar der einhändige ist ein Zwergenschmied, der sein Handwerk meisterlich beherrscht." "Ein Zwerg? Ein verdammter Zwerg?" "Ja, natürlich!" Mit diesen Worten öffnete er das runde Fenster, schwang sich hindurch und verschwand. Ich folgte ihm kopfschüttelnd.

Das Fenster mündete in eine metallene Rutsche, die sich wie eine Wendeltreppe mehrmals wand und dann durch eine große, vermutlich unterirdische Halle führte, in der allerlei seltsame Gerätschaften lagerten. Nach einer neuerlichen Wendung meiner Rutschpartie konnte ich einen deutlichen Temperaturanstieg wahrnehmen. In der Ferne dröhnte ein Schmiedehammer, der, wenn immer er den Amboss traf, ein dumpf singendes Geräusch von sich gab. Die Rutsche endete schließlich in einem Nebenraum der Halle, der durch das golden glühende Licht der Esse beleuchtet wurde.

An einem gewaltigen Amboss aus schwarzem Stahl stand ein Mann, der genau so aussah, wie ich mir einen Zwerg vorgestellt hatte. Der rechte Arm mündete in einer Protese, die den Schmiedehammer unermüdlich emporhob und danach wieder fallen ließ. Seine krausen, langen Haare waren zu einem buschigen Zopf nach hinten gebunden, während er mit konzentriertem Gesichtsausdruck das glühende Metall formte. Bei jedem Schlag stoben Funken, die durch die Luft wirbelten und schließlich abkühlten. Ruben stand an der Seite und beobachtete wie gebannt das, was der Zwerg gerade bearbeitete. Ich trat zu ihm. "Was wird das?" "Irgendwas mechanisches. Ein Zahnrad vielleicht."  Der Zwerg tauchte sein Werkstück ins Wasser, welches sofort zu kochen begann. Das Metall jedoch dachte gar nicht daran, sich abzukühlen, es glühte weiterhin so hell, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. "Ich hasse Sternenstahl!", knurrte Ragnar. Er lief zu einem schief hängenden Regal gegenüber der Esse, zog ein Fläschchen, das mit einer durchscheinenden lila Flüssigkeit gefüllt war, heraus und schüttete es vollständig in die Esse. "Mondkrautextrakt. So schwierig zu bekommen."

"Hallo Ragnar." Ruben hatte sich offenbar aus seiner Beobachtungsrolle gelöst. "Tach, mein Junge, schön, dass du auch mal wieder vorbeischaust! Lang, lang ist's her. Willst du wieder eine Prothese für... wie hieß er denn noch...Georg?" Der Zwerg lachte. "Nein" Ein Schatten huschte über Rubens Gesicht. "Wir haben einen Neuling. Aaron." Er deutete auf mich. "Aaron braucht etwas von deiner Kunst." "Aha. Zuviel der Ehre!" Ragnar lachte heiser. "Worum geht es denn genau?" "Um eine Streitaxt." Ich starrte Ruben ungläubig an. "Echt jetzt?" Ruben ging gar nicht auf meine verdutzte Miene ein. "Warum wählt außer Adrian eigentlich keiner von euch einen vernünftigen Hammer?" Ruben zuckte mit den Achseln. "Wer weiß, vielleicht ist das Führen eines venünftigen Streithammers nur den Zwergen vorbehalten? Adrians Hammer ähnelt eher einer Keule. Und das nimmt seinem Kampfstil jegliche Eleganz." "Effektiv ist er trotzdem. Naja, egal, lass uns zum geschäftlichen kommen." Er wandte sich an mich: "Du willst also eine Axt? Du weißt, dass meine Waffen...sagen wir...besonders sind?" "Er wird es früh genug erfahren." Ragnar sah Ruben prüfend an. "Bist du dir sicher?" Ruben nickte. "Na dann kann's ja losgehen. Komm mit! Wir gehen ins Lager. Mal sehen, ob wir den passenden Stahl für dich finden."

Ragnar führte mich an mehreren Hochregalen, in denen es von Metall nur so strotzte. "Mittlerweile habe ich einen Gabelstabler für die Regale. Eigentlich bin ich ja eher traditionell gestrickt, aber eine Seilwinde war mir dann doch zu unpraktisch. Und mit dem Stapler kann ich auf meine alten Tage das schwere Zeug schön einfach von A nach B transportieren. Ahh, da sind wir ja!" Er deutete auf einen Flur, dessen Wände mit Truhen gesäumt waren. "Das sind die Metalle, die sich für die Herstellung einer Waffe eignen: Falzstahl, Metatrizium, Zahngold, Glaslegierung... dann noch Rybium, Edelstahl rostfrei, Sternenstahl - oh Gott, bitte nicht -, renalgischer Stahl, Schlangensilber..." "Was ist das da hinten in der Ecke?" Ich deutete auf einen Haufen von Klumpen, die neben einer Kiste lagen. "Das...das müsste Trauerstahl sein. Er ist ziemlich schwer und nicht blank zu kriegen, aber dafür ordentlich stabil. Man hat daraus früher Totenglocken gegossen." Ich trat näher heran und hob einen der Brocken hoch. Das kühle Metall erzeugte ein Prickeln auf meiner Haut. "Den will ich." Ragnar zog die buschigen Augenbrauen hoch. "Sicher?" "Sicher."

Chegaste ao fim dos capítulos publicados.

⏰ Última atualização: Oct 02, 2018 ⏰

Adiciona esta história à tua Biblioteca para receberes notificações de novos capítulos!

Der Gefallene - WiedergeburtOnde as histórias ganham vida. Descobre agora