Die Prüfung

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Bleierne Müdigkeit senkte sich wie ein schwerer Mantel über mich, aber ich zwang mich, wach zu bleiben. Ich hatte den heutigen Tag mit Fremden zugebracht, die mich den Schwertkampf lehrten und in der Lage waren, auf unerklärliche Art in der Lage waren, außergewöhnliche Dinge zu tun. Nein. Hier konnte ich nicht bleiben. Ich musste nach Hause. Außerdem gab es da noch diesen Mord.
Ich fasste einen Entschluss: Ich musste hier weg. Dann zu einer Bushaltestelle oder U-Bahn Station, und dann ab nach Hause. Vorsichtig stahl ich mich aus den Zimmer, mir fiel ein Stein vom Herzen, als die Tür nicht knarrte. Langsam schlich ich den stockdunklen Flur entlang zu dem großen Raum mit der Theke und der Galerie, durch die ich fliehen wollte. Meine ehrgeizigen Pläne wurden jedoch schon von dem Licht, das mir aus der Halle entgegenschlug, durchkreuzt. Ich nahm flüsternde Stimmen war, ein offensichtlich hitziges Gespräch zwischen zwei Personen: "Wo hast du mit ihm trainiert? Ihr wart nicht im Trainingsraum! Du hast ihn doch nicht ins offene Messer laufen lassen!" Myria, eindeutig. "Nein. Vertrau mir dies eine Mal, bitte!" Ruben! "Ich will wissen, wo ihr geübt habt, Ruben. Sag es mir!" Myria's Stimme klang nun sehr, vorsichtig ausgedrückt, energisch. "Du würdest es eh nicht gutheißen. Es ist besser, wenn du es nicht weißt. Er beherrscht die Grundlagen des Schwertkampfes." "Ruben! Du sagst es mir jetzt. Das ist ein Befehl!" "Das mit dem Befehl verzeihe ich dir nie. Also gut. Wir haben in meinem Zimmer trainiert." "In deinem Zimmer?", echote Myria. "Spinnst du? Du weißt, was das für ein ungeheurer Vertrauensbeweis ist, Ruben! Er kennt jetzt deinen Zufluchtsort! Sollten wir uns entschieden, ihn zu unterrichten, wird er eine gewaltige Macht über dich haben! Nicht einmal ich, deine Schwester war jemals in deinem Zimmer." "Aus gutem Grund, wie mir scheint.", meinte Ruben gereizt. "Ich kenne die Ausmaße meiner Entscheidung! Du musst sie mir nicht nochmal vorbeten! Behandle mich doch endlich Mal wie ein Erwachsener. Ich bin nicht mehr der kleine Bruder, der keine Ahnung hat, und von dir beschützt werden muss. Ich bin verschissene 27 Minuten jünger als du. Lass mich gefälligst Entscheidungen treffen, deren Konsequenzen nur mich etwas angehen!", polterte er. Schweigen. "Das mit dem Befehl wollte ich nicht. Das wollte ich nie! Glaub mir bitte." Myria's Stimme klang jetzt traurig und etwas schuldbewusst. "Aber ich musste es Wissen. Es tut mir leid." Ruben jedoch drehte sich auf der stelle um und lief auf sein Zimmer zu, direkt in meine Richtung. Ich hastete den Flur zurück, öffnete die Tür zu meinem Schlafzimmer und ließ mich auf's Bett fallen. Ich konnte hier nicht weg. Jetzt noch nicht. Ruben hatte Vertrauen in mich, jetzt war es an mir, das zu erwiedern.

- oooooo -

Ich erwachte durch ein nachdrückliches Klopfen an der Tür. "Hey! Aaron! Aufwachen jetzt! Ich bin's, Mark! Es geht los."  Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu orientieren, bis ich ein 'Komme gleich!' heraus brachte. Es ging also los. Auf einem Stuhl lag neue Kleidung, ähnlich der von gestern. Auch diese roch ziemlich neu. Trotzdem tat jede Bewegung weh, von der Menge an blauen Flecken, die ich gestern einstecken musste. Bevor ich das Zimmer verließ, atmete ich tief ein und ein mulmiges Gefühl senkte sich auf meine Brust. Dann öffnete ich die Tür und trat auf den Flur. "Da bist du ja! Komm mit!", meinte Mark. Er führte mich durch den großen Saal und einen weiteren Gang, der in einem gewaltigen, kreisrunden Raum mündete. In der Mitte gab es eine Arena von etwa 8 Metern Durchmesser. Diese befand sich in einer circa 3 Meter tiefen Grube. Oben waren mehrere Bänke um des Loch aufgestellt, sodass man bequem hinuntergucken konnte. Ich schluckte. Jetzt ging es los. Mark, der bemerkt hatte, dass ich mein rechtes Bein schonte, gab mir einen Klaps auf die Schulter. "Du kriegst das schon hin!"  Er lächelte. Und nebenbei verschwanden meine Schmerzen. Hatte er sie geheilt? Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, da Ruben mich zu sich winkte. "Wie wir geübt haben! Du schaffst das!" "Hoffentlich." Er wies auf einen engen Gang, der vermutlich in die Arena herunterführte. Ich betrat einen durch ein Fallgitter von der Arena abgetrennten Raum. Unten erwartete mich Jane. "In der Arena kannst du deine Waffe wählen. Viel Glück, und stirb nicht." Sie lachte boshaft.

Langsam hob sich das Fallgitter und ich trat in die Arena. Zu meiner linken standen mehrere Ständer mit verschiedensten Waffen. Schwerter, Äxte, Bögen, Wurfmesser, aber zu meiner Überraschung auch mehrere Pistolen und Schnellfeuergewehre. Gegenüber von den Waffen stand Myria, mit einer ausgefransten, blutroten Fahne in der Hand, auf der man den stilisierten Raben erkennen konnte. "Aaron Schusterbeck, wähle deine Waffen!" Ich schluckte. Die Versuchung, eine Schusswaffe zu nehmen, war groß. Ich blickte nach oben. Um den Rand der Arena hatten sich die Anderen versammelt. Als ich schließlich zu einem Schwert griff, nickte Ruben leicht und lächelte mir zu. Trotzdem griff ich nach einer Pistole samt Holster und legte mir sie um. Man konnte ja nie wissen. Dann begab ich mich in die Mitte des Kreises, wo Myria schon auf mich wartete. Auf der anderen Seite entdeckte ich außerdem Ezekeel, der sich gebogene Metallkrallen um die Hände schnallte. Dann nahmen wir gegenüber voneinander Kampfhaltung ein. Als ich Ezekeels blick striff, lief es mir kalt den Rücken herunter. Der Mörder! Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Ich wollte das alles nicht! Myria trat zwischen uns. "Dieser Kampf wird entscheiden, ob Aaron Schusterbeck in die Reihen der Ravens aufgenommen wird, entsprechend dem, wie es der Brauch ist, und immer war. Solltest du unterliegen, Aaron, werden wir dein Gedächnis löschen und du wirst in dein altes Leben zurückkehren. Erkennt jedoch Ezekeel, der den Founder-Rang trägt, deine Fähigkeiten als hinreichend an, wirst du von jetzt an zu uns gehören. Bist du dir über die möglichen Konsequenzen deines Handelns bewusst?"  Ich nickte zögernd.

"Dann soll es so sein. Nehmt eure Ausgangspositionen ein!" Sie hob die Fahne. Ezekeel stellte sich in entspannter Haltung hin, was mich etwas verunsicherte. Dann verbeugte er sich in meine Richtung, danach in Myria's. Zögernd tat ich es ihm nach. Schließlich hob er den Kopf. Die Iris seines verbliebenen Auges war blutrot. Und ein hämisches Grinsen trat auf sein Gesicht.

Der Gefallene - WiedergeburtWhere stories live. Discover now