Free - Dein Leben gehört dir? [Leseprobe]

VIER

Der restliche Schultag verlief ohne weitere Pannen oder Katastrophen. Die Mathelehrerin namens Miss Kipper entpuppte sich als junge, freundliche Frau, die mich herzlich willkommen hieß und die Noten meines letzten Zeugnisses lobte.

Es stellte sich heraus, dass Emma gut in Mathe war und so spornten wir uns in den Übungsphasen gegenseitig an, indem wir um die Wette rechneten oder bei den schwierigeren Aufgaben die Ergebnisse verglichen.

Zum Mittagessen nahm sie mich mit und stellte mir ihre Freunde vor.

»Leute, das ist Lexie«, sagte sie feierlich. Dann wies sie auf die beiden, die an einem der hintersten Tische in der Schulcafeteria saßen und bereits damit begonnen hatten, die Chicken Nuggets mit Pommes und Salat auf ihren Tellern zu vertilgen. »Lexie, das sind meine Leute.«

Sie hoben die Hand zur Begrüßung und stellten sich vor.

Katie Cuttling war ein zierliches Mädchen mit langen, braun gelockten Haaren, filigranen Fingerchen und einer hohen Mädchenstimme. Patrick Anderson ein hochgewachsener Kerl mit rotblonden Haaren und unzähligen Sommersprossen im Gesicht.

»Alles klar, Lexie?«, sagte Patrick und grinste breit. »Nun kennst du ja die MIPs unserer Schule. Bei uns bist du in den besten Händen.« Er lehnte sich in gespielter Chef-Manier zurück und grinste dabei spitzbübisch.

»MIPs?«

»Most important people, natürlich«, erwiderte Patrick und Katie verdrehte die Augen. »Wenn Emma es mal nicht auf die Reihe bekommt, sich zwischen all ihren AGs und Channels und Blogs angemessen um dich zu kümmern, wende dich ruhig vertrauensvoll an uns.«

»Alles klar. Merk ich mir«, sagte ich gespielt ernst.

»Na komm, setz dich doch!«, mischte sich Katie ein. »Wir waren schon ganz gespannt auf dich. Emma hat uns am Freitag fast ein Ohr abgekaut, wie verantwortungsvoll die Aufgabe ist, eine neue Schülerin in alles Wichtige an der Schule einzuweisen. Und das so kurz vor den Abschlussprüfungen!«

Mit ihrem letzten Satz äffte Katie Emmas Stimme und Gesichtsausdruck so gekonnt nach, dass selbst ich keinen Zweifel daran hatte, um wen es ging. Emma stieß Katie den Ellenbogen in die Rippen und lachte.

»Jaja, liebe Katie, wir tun jetzt mal so, als ob du nicht regelmäßig in Panik gerätst, wenn es um die Prüfungen geht«, konterte sie.

Sofort verfinsterte sich Katies Miene. »Ach, hör du mir auf! Hast du gesehen, wie dick das Skript in Chemie ist? Die sind total übergeschnappt! Wie soll ein einzelner Mensch das alles in seinen Kopf hineinbekommen?!«

Die Mittagspause verging wie im Flug. Alle drei meiner neuen Bekannten nahmen mich herzlich auf. Vom ersten Augenblick an fühlte ich mich in diesem Grüppchen mehr als wohl. Patrick war der humorvolle Animateur der Gruppe, der zu jedem und allem einen – zumindest seiner Meinung nach – witzigen Spruch auf den Lippen hatte. Katie übernahm die Rolle der Reifen und Fürsorglichen, die immer im Auge behielt, wer sich nicht wohl fühlen könnte und wie man das ändern konnte.

Zu Anfang hätte ich schwören können, dass Katie und Patrick ein Paar waren. Die Art, wie sie miteinander umgingen und die Blicke, die sie sich immer wieder zuwarfen, waren typisch für frisch Verliebte. Immer wieder sah ich zufällige Berührungen der beiden. Doch dann erzählte Patrick von seinem völlig in die Hose gegangen Date am Vortag.

Auch über Emma konnte ich einiges herausfinden. Sie war beliebt, hatte gute Noten, machte bei vielen Aktivitäten mit und brachte es nebenbei fertig, Artikel für die Lokalzeitung zu schreiben. Und obwohl mir alle drei auf Anhieb sympathisch waren, war ich von Emma am meisten beeindruckt und sogar ein wenig eingeschüchtert.