ZWEI

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Die Schule war ein aus roten Backsteinen bestehender Gebäudekomplex mit hellgrünem Dach, der mit breiten, weiß gestrichenen Fensterfronten versehen war. Ringsum befanden sich Parkplätze, über die man den Haupteingang erreichte. Das Vordach wurde links und rechts von rotgeziegelten Säulen flankiert und schützte den Eingangsbereich bis zu den verglasten Türen.

Anders als bei meinem letzten Schulbesuch, bei dem ich mich beim Schulleiter Mr. Mathy vorgestellt hatte, nutzte ich an diesem Morgen die Gelegenheit, alles noch einmal in Ruhe zu betrachten. Dazu hatte ich Zeit. Schließlich war ich eineinhalb Stunden vor Unterrichtsbeginn eingetrudelt.

Nur vereinzelt sah man Schüler auf einen der Eingänge zusteuern, die, genau wie ich, auf drei Nummern sicher gehen wollten.

Ich passierte die Eingangstüren und fand mich in einer großen Aula wieder. Hier würde ich mir die Zeit vertreiben, bis die Tutorin mich abholte. Auf der Suche nach einem bequemen Sitzplatz ließ ich den Blick schweifen.

Es sah einladend aus. Auch innen hatte man sich für die roten Backsteine entschieden, Inseln mit grüner Bepflanzung lockerten die Atmosphäre auf. Die Decke, von der Lampen und große Modellflugzeuge herunterhingen und in der Zugluft schwerfällig hin- und her baumelten, war schwindelerregend hoch. Eine Treppe führte hinauf in die oberen Stockwerke und schon von unten konnte ich einen Blick in einige Klassenzimmer erhaschen. Man hatte die Wände durchbrochen und Fenster hinein gebaut.

Rechts neben dem Eingang war eine Pinnwand, auf der die aktuellen Nachrichten, Mitteilungen und Werbeplakate der verschiedenen Kurse und AGs Platz fanden. Auf einem großen Bildschirm darüber waren Besonderheiten im Stundenplan des Tages aufgelistet.

Ich überflog die Tabelle. Erkrankte Lehrer und deren Vertreter waren neben den betroffenen Klassen eingetragen. Darunter fanden sich allgemeine Hinweise wie »Die Theater AG trifft sich zu Beginn der Stunde im Requisitenraum!« oder »Die GP-AG hat sich heute in der Sporthalle einzufinden!«

Kurz stolperte ich über die Abkürzung GP-AG. Wofür GP wohl stand? Mir fiel nichts Vernünftiges ein und da ich bisher weder meinen Stundenplan bekommen noch mich in einer AG eingeschrieben hatte, ließ ich den Gedanken wieder fallen und steuerte auf eine der Bänke zu.

Ich nahm meinen Rucksack vom Rücken und fischte ein Buch heraus, bevor ich es mir auf einem der hier liegenden Sitzkissen bequem machte. Es war Stolz und Vorurteil, zum vierten Mal in den letzten drei Monaten. Das wirre Knäuel an Missverständnissen darin fesselte mich auf besondere Art und Weise und brachte mich dazu, nicht ständig an die bevorstehenden Prüfungen zu denken.

Ich bemerkte nicht, wie sehr ich mich in das Buch vertieft hatte, bis eine Stimme neben meinem Ohr mich so erschreckte, dass ich es fast aus den Händen gleiten ließ.

»Was Spannendes?«

Ich blickte auf und sah ein Mädchen meines Alters neben mir stehen und mich ohne jede Spur von Verlegenheit von oben bis unten mustern. Da sie weitersprach, sobald sie sich meiner Aufmerksamkeit sicher war, ging ich davon aus, dass sie keine Antwort auf ihre Frage erwartete.

»Hi! Ich bin Emma. Emma Gold. Bist du Alexis Parker?«

Ich nickte.

»Dachte ich's mir doch!«, sagte sie triumphierend, so als hätte sie gerade den ersten Preis bei einer Quizshow gewonnen. »Du bist mir nicht annähernd bekannt vorgekommen. Also hatte ich gehofft, dass du die Neue bist.«

Ihr Enthusiasmus steckte mich an und ich lächelte. »Du hattest recht.«

»Wir waren erst in zwanzig Minuten verabredet. Bist du immer so früh dran?«, sagte sie. Aber auch das war wohl eher eine rhetorische Frage, da sie meine Antwort gar nicht erst abwartete. »Also, es ist so: An unserer Schule gibt es ein Tutorenprogramm. Jeder neue Schüler bekommt in seiner ersten Woche bei uns jemanden aus seiner Jahrgangsstufe an die Seite gestellt. Man wird in alles eingewiesen und hat einen Ansprechpartner, wenn es Fragen gibt. Ich denke, das hast du auch schon von Mr. Mathy gehört. Und hier bin ich also!«

Free - Dein Leben gehört dir? [Leseprobe]Where stories live. Discover now