36 Offenbarungen

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Bis auf einen kleinen Spaziergang durch das Haus und ein paar Besuche der Toilette hielt Yuna die strikte Bettruhe ein und erholte sich innerhalb des nächsten Tages ganz gut. Sie sehnte sich nach ihrer Schwester, aber es musste ihr reichen gelegentlich ihre Stimme im Haus zu hören.

Die Kanades hatten ihr, nebst einigen Dorfbewohnern, einen Besuch abgestattet, wobei sie sich überschwänglich für die Rettung ihrer Tochter bedankt hatten. Tomoya hatte sie darüber informiert, dass er mit ein paar Männern des Dorfes die Renovation des Hauses praktisch vollständig abschliessen konnte.


Nun sass sie an einer Tafel, die aus mehreren Tischen zusammengestellt worden war. Die wichtigsten Leute aus dem Dorf und aus dem Palast assen hier zusammen, während der Rest der Anwesenden innerhalb des Hafengebietes verteilt herumstand. Es gab Fisch vom Grill und andere Speisen, die in den angrenzenden Häusern gekocht wurde.

Einige Meeresbewohner blieben im Wasser, aber leisteten dennoch Gesellschaft und unterhielten sich mit Dorfbewohnern, die sich so nah zu den Yōkai trauten. Während Yuna sich an der Tafel umblickte, fiel ihr auf, dass die Yōkai ausschliesslich zu ihrer rechten und die Menschen zu ihrer linken Seite sassen. Für eine Durchmischung war das Vertrauensverhältnis wahrscheinlich noch zu schwach.

Sie fühlte sich wie bei Yoshiros Beerdigungszeremonie, denn ihr galt das grösste Interesse von allen. Während öfters schon richtig auf sie eingeredet wurde, hielt sie Ausschau nach ihren Freunden – aber ganz besonders Yui.

»Du wirkst bedrückt, Masuda-san«, flüsterte Emi hinüber. Sie trug einen Kimono, der mit aufwendigen Mustern versehen war. Ihr Haar war hochgesteckt und mit einem Geflecht aus Seetang und Juwelen behängt. Ausserdem sah sie nicht wie ein junges Mädchen, sondern eine erwachsene Frau aus.

Yuna sah hinüber und nickte. »Bin ich.«

»Oh. Willst du darüber reden?«

Nachdenklich betrachtete die Jägerin ihre Nachbarin. Obwohl sie einander nicht gut kannten, schien Emis Interesse aufrichtig zu sein. »Ich würd schon, aber hier ist das unmöglich.«

Die Königin lächelte, dann erhob sie sich. »Bitte entschuldigt mich und Masuda-san kurz.«

Zustimmendes Gemurmel kam von den Yōkai. Die Dorfältesten tauschten Blicke untereinander aus, aber sagten nichts, bis Makoto Mizugaki sprach: »Natürlich, Majestät.«

Dankbar nickend entfernte sich Emi von der Tafel. Yuna blickte sich am Tisch um, dann schob sie ihren Stuhl zurück und folgte ihr. Sobald sie aufgeholt hatte, sagte sie: »Wow, danke.«

»Mir ist aufgefallen...« Die Unagi Hime drehte sich um und musterte Ushio, die ihnen gefolgt war. »Was gibt es, Royale Beschützerin?«

»Ich passe auf Euch auf, Hime-sama.«

»Ich bitte dich. Masuda-san ist bei mir.« Sie deutete mit einer Hand auf Yuna. »Mir kann nichts geschehen.«

Ushios Griff um ihren Dreizack wurde fester. »Es ist meine Aufgabe für Eure Sicherheit zu sorgen, Hime-sama.«

»Geh etwas essen, Royale Beschützerin. Masuda-san wird mich unversehrt zurückbringen.«

Die Oni schenkte der Jägerin einen abschätzenden Blick. Grinsend sagte Yuna: »Ich bezweifle, dass gerade heute ein weiterer Wani angreift. Mit allem anderen werde ich locker fertig.«

»Ich bin dagegen, aber ich füge mich Eurem Befehl, Hime-sama.« Dann drehte sich Ushio um und kehrte zum Fest zurück.

»Sie nimmt ihren Job verdammt ernst.«

»In der Tat. Noch mehr als früher, sofern das überhaupt möglich ist«, gestand Emi und ging weiter. Yuna folgte ihr. »Du scheinst das Fest, welches dir zu Ehren gehalten wird, nicht zu geniessen. Woran liegt das?«

Ein japanisches SommermärchenWhere stories live. Discover now