21 Ein Horror in den Wäldern

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»Das sind sicher noch mehr Mōryō«, flüsterte Tama und sah das Aal-Mädchen an, welches nickte.

Als zwei Hörner aus dem Busch auftauchten, wappnete sich Yuna für einen Angriff und trat noch einen Schritt vor. Emi rückte näher an Tama und ergriff seine Hand. Ein weiteres Schnauben erklang, dann tauchte eine Nase gefolgt von einer Schnauze aus dem Busch auf. Darauf folgten zwei braune Augen, die freundlich wirkten und sich blinzelnd umschauten.

Yuna entliess ihren Atem, den sie unbewusst angehalten hatte, und öffnete ihre Hände wieder. »Puh. Es ist nur eine Kuh.« Sie drehte sich zu den anderen um, die sie beide mit grossen Augen anstarrten.

»M-M-Masuda-san!«, zischte ein Tama, dessen Farbe langsam aus seinem Gesicht wich.

Yuna hob eine Braue. »Was?«

»Es ist ein Ushi Oni«, hauchte Emi, die am ganzen Leib zitterte und die Riesenschere an sich presste.

Die Augen verdrehend wandte sich Yuna um. Sie zuckte kurz zusammen, als sie das Wesen betrachtete. Inzwischen hatte es den Mund offen, deshalb konnte man nun mehrere Reihen spitzer Zähne sehen. Zwischen einigen hingen Fleischfetzen und Fellstücke hervor, die wahrscheinlich zum Mōryō gehörten, der geflohen war. Der Ushi Oni drängte aus dem Gebüsch. Mit Dornen übersäte Spinnenbeine trugen einen fetten, haarigen Spinnenleib, woran der Ochsen-Kopf hing.

Verdammt.

»Diese Kreaturen sind äusserst gefährlich. Nimm dich in Acht!«

Schmatzend leckte sich das Wesen über die Lippen und taxierte die drei mit seinem hungrigen Blick.

»Lauft«, flüsterte Yuna, ohne ihre Augen vom Ushi Oni zu nehmen. Eines seiner Beine rückte vor und trug ihn näher heran. Die Jägerin warf einen flüchtigen Blick über die Schulter. Ihre Begleiter standen wie angewurzelt mit aufgerissenen Augen dort und zitterten. »Lauft!«, schrie Yuna erneut, worauf der Ushi Oni brüllte. Er ignorierte Yuna und stampfte auf Tama und Emi zu.

Ohne zu Zögern packte Yuna ihn an einem Bein und riss daran. Der Ushi Oni brüllte erneut und zerrte an seinem Bein. »Jetzt flieht endlich!«, schrie sie die anderen beiden an, welche aus ihrer Starre erwachten und losrannten.

Yuna stemmte sich gegen den Boden, doch der Ushi Oni war so stark, dass er sie mitzog. Ihre Fersen bohrten sich in das Erdreich und sie wühlte es wie ein Pflug auf. Obwohl der Oni massiv war, verursachte er fast keine Geräusche. Sie konnte hören, dass er immer wieder schnüffelte. Irgendetwas musste für ihn ausgesprochen lecker riechen.

»Wahrscheinlich riecht er die Unagi Hime.«

Toll.

Yuna liess los und sprintete an dem Ushi Oni vorbei. Noch hatten Tama und Emi einen Vorsprung, aber wie lange sie dieses Tempo halten konnten, wusste sie beim besten Willen nicht. Genau in diesem Moment stolperte der Knabe und fiel Gesicht voran hin.

»Tama-sama!« Emi stoppte und wollte zu ihm eilen.

»Lauf weiter, Emi! Ich schaff das schon!« Während sie nickte und weiter rannte, rappelte sich Tama auf.

»Scheisse!«, fluchte Yuna. Sie schielte zum Ushi Oni, dessen Blick nur dem Aal-Mädchen zu gelten schien. Die Jägerin spurtete los, warf sich gegen den Ushi Oni und rempelte ihn mit der Schulter von der Seite an. Brüllend wich er nach links aus und rammte einen Baum. Yunas Hoffnung ihn gestoppt zu haben verschwand sofort, als er einfach den Baum umknickte und wieder schneller wurde.

Das darf doch einfach nicht wahr sein!

Der Wind peitschte in ihr Gesicht, während die Jägerin zu Tama nach vorne sprintete. »Ihr müsst euch trennen!«, rief sie ihm zu.

Ein japanisches SommermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt