Kapitel 02 ❀ champ de fleur

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ALIÉNOR

Seufzend lehnte ich meinen Kopf am nächsten Tag gegen die Scheibe der prunkvollen Kutsche und betrachtete die endlos lang erscheinende Anlange mit ihrem großen Vorhof und den vergoldeten Zäunen, die alles einrahmten. Ich war zurück. Zurück im goldenen Käfig namens Versailles.

Ich spürte, wie sich Louis-Antoines Hand um die meine schloss, und wandte meinen Kopf zu ihm, als er sie kurz drückte und mir aufmunternd zulächelte. „Komm' schon, scheu dich nicht davor zu lächeln. Wie gesagt – nun kannst du wieder Zeit mit deinen Freundinnen und Ausflüge durch deine Rosenbeete unternehmen. Allgemein steht es dir doch frei, dich in der Umgebung umzusehen."

Schließlich nickte ich und schaute in seine dunklen Augen. „Ja... ja, du hast recht."

Vollständig überzeugt war ich jedoch nach wie vor nicht. Die Hälfte des Jahres 1817 hatte ich hier in diesem Palast verbracht, meine Hochzeit in Paris gefeiert und war auf vielen Veranstaltungen gewesen, an denen viele Monarchen und Staatsmänner gekommen waren, um die neue Kaiserin von Frankreich kennenzulernen.

Nach mehreren Monaten waren wir schließlich zurück in unsere Winterresidenz nach Cheverny gefahren, und hatten ab und zu einige Ausflüge unternommen – wie in den Süden des Landes nach Marseille, nach Strasbourg oder nach Navarra.

Der Palast von Versailles war keineswegs ein schlechter Ort. Hier schwenkte man im Luxus; an jeder Ecke war der Reichtum der Bourbonen zu sehen. Das einzige nervige war die strenge Hofetikette.

Dabei war diese lange nicht mehr so schlimm wie vor einigen Jahrzehnten, in denen man als Mitglied der königlichen Familie auf Schritt und Tritt von Hofdamen oder Höflingen verfolgt wurde und der halbe Adel hier wohnte.
Seit der Revolution hatte sich Vieles verändert und modernisiert. Das Königshaus hatte, nachdem es die Revolution geschlagen hatte, seine Ausgaben verringert und sich mehr für das Volk eingesetzt.

Die meisten Adeligen hatten daraufhin Versailles verlassen, um zurück in ihre Heimat zu kehren. Somit wurde man als Herrscherehepaar nicht mehr länger von über 10 000 Leuten beäugt und kontrolliert.

Aber darauf zu achten, bloß alles richtig zu machen, erforderte noch genauso viel Anstrengung wie vor einigen Jahrzehnten. Das ganze restliche Jahr über hatte ich lernen müssen, wie man sich richtig am Hofe benimmt, wen man wie anspricht und und und...

Es war nicht selten nervenaufreibend, aber nunmal so. Ich konnte nichts daran ändern und passte mich so gut es ging an. Für Louis-Antoine unterdrückte ich manchmal die Lust, mich einfach aufs faule Ohr zu hauen oder meinen Unterricht zu schwänzen.

Jedoch fehlte mir meine Heimat. Die Ausritte, meine Freiheit, meine Familie und Freunde. Ich war hier gefangen für die Liebe und für Frankreich.
Zumindest aber durfte ich nun öfter unsere Untertanen in den umliegenden Dörfern und Städten besuchen, um mit ihnen zu sprechen und ihnen zu helfen. Auf jene Ausflüge freute ich mich stets, und meine Position als Kaiserin machte es nun endlich möglich, direkte Hilfe für Arme und Kranke einzuleiten. Als Prinzessin hatte ich dies nie so einfach gekonnt.

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„Majestät!", hörte ich eine Stimme hinter mir rufen, nachdem ich aus der Kutsche gestiegen war und erblickte Liliette, meine engste Vertraute und Hofdame, am Tor. Sie winkte mir freudestrahlend zu, und ich erblickte auch meine anderen Hofdamen, die eher ruhig, aber ebenfalls lächelnd neben der Spanierin standen.

PRINCESS OF DAISIES  ᵗᵉⁱˡ ᵈʳᵉⁱWhere stories live. Discover now