Pick up lines.

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Ich wusste nicht, dass Pierce in einer Werkstatt arbeitete, aber Dank eines seltsam brummenden Motors durfte ich nun genaustens erfahren, was er als KFZ-Mechaniker so tat. Ein wirklich schweißtreibender Beruf, den man (glücklicherweise) nur oberkörperfrei überstehen würde. Funken sprühten wie Regen auf ihn nieder und verglühten wieder auf der Haut seiner muskulösen, mit Adern durchzogenen Arme, mit denen er sein Werkzeug fest umfasste. Nach einigen Minuten war das Problem an meinem Auto auch schon behoben, sodass der durchnässte Halbgott sich endlich ganz mir widmen konnte. Mit stockendem Atem und bebendem Körper sah ich, wie er langsam auf mich zukam, während er sich ein weißes Shirt vom Tresen nahm und daran seine öligen Hände und sein feuchtes Sixpack trocknete. Mit seinem fesselnden, auf mich fixierten Blick übte er eine animalische Macht auf mich aus. In seinen Gedanken lag ich bereits halbnackt und willenlos auf der Motorhaube meines Wagens und das eigentlich Schlimme daran war, dass genau das auch meinen innigsten Wunsch darstellte.

Begierig streckte ich meine zitternde Hand aus.

Noch 5 cm bis zum Körperkontakt mit der Perfektion. 4 cm.. 3 cm.. 2 cm.. 1 cm.. 0,5 cm..

,,Fantasierst du etwa schon wieder von diesem Gossenköter?", lasziv leckte Lu an ihrem Wassereis. Natürlich blieben ihre Augen trotzdem bei mir, immerhin sollte der süße Sportler auf dem Feld nicht wissen, dass das hier eine Show allein für ihn war.

Vollkommen perplex wies ich sie zurück: ,,Ich versuche einfach nur, dir nicht ins Gesicht zu gucken! Der Typ denkt bestimmt schon, dass du auf mich stehst, so wie du mich hier anmachst." Anklage erfolgreich abgewehrt und das sogar ohne eine Mine zu verziehen.

Mit der Begründung, dass es auf der Tribüne eh zu heiß sei, stand Lu nun grinsend auf und ging über die Bänke hinunter, ohne weder mich, noch den armen Kerl, der nun vollkommen fasziniert von ihr vor der untersten Bank stand, noch eines Blickes zu würdigen.

Sie hatte Recht..

Dauernd musste ich an diesen Pierce denken, dabei hatte ich ihn in der Woche nur an zwei weiteren Tagen in der Schule gesehen (Obwohl er nie krank wirkte. ,,Mysteriös").

Und dann war er fast immer umgeben von einer Horde zurückgebliebener Affen, die sich ab und zu um eine Banane oder ein geschlechtsreifes Weibchen prügelte.

Einmal habe ich ihn aber doch allein erwischt: Während des Unterrichts wollte ich zur Toilette (immerhin ist Pinkeln aufregender als Mathe), als ich ihn auf dem Flur aus dem Wasserspender trinken sah.

Er sah mich sofort, unterbrach den Wasserstrahl jedoch nicht. Nur sein Blick wanderte an mir hoch.

Fleischbeschauung vom Feinsten und das aus mindestens 10 Metern Entfernung. Dennoch musste ich an Pierce vorbei, um zu den MädchenWCs zu gelangen, ODER ich würde mich umdrehen, 2 Stockwerke hochwatscheln und dort gehen.

Nein, wie kindisch wäre das denn bitte? Entschlossen marschierte ich in Richtung Pierce. Ich lief so schnell, dass meine Haare etwas im Wind wehen würden, ließ den Mund und die Augen einen verführerischen Spalt offen, wippte mit den Beinen und dem Po Model-like an ihm vorbei und gestand mir im Nachhinein ein, dass all das mehr als dämlich ausgesehen haben muss.

,,Du bist echt schräg", ertönte seine männliche Stimme plötzlich und als ich mich mit einem Satz umgedreht hatte, schüttelte er grinsend, auf den Boden schauend, den Kopf.

Vor einer Sekunde stand er noch gebeugt vor dem Becken und jetzt lehnte er schon mit verschränkten Armen an der Wand.

,,Wusstest du, dass in den USA irgendein Kranker in einer Highschool eines der Trinkwasserrohre angezapft und mit Chemikalien versetzt hat? Einige Tote.. Aber wenn man bedenkt, wie viele Leute diese Dinger tagtäglich eh mit ihrer Sabber und Schlimmerem verseuchen, ist das auch nicht weiter bedeutsam", und so schaufelten Peinlichkeit und Unüberlegtheit gemeinsam mein Grab.

Innerlich fluchend, biss ich mir auf die Lippe, jedenfalls bis ich Pierce' Boots auf mich zukommen sah. Sich mit dem Daumen über die noch feuchte Lippe wischend, hauchte er ein genüssliches: ,,Lecker.. Vielleicht solltest du ja auch mal von dem Wasser hier probier'n, nur um sicher zu gehen, dass es auch wirklich sauber ist. "

Unweigerlich fasste ich mir auch an die Lippe. Seine Augen machten mich fertig, zogen mich an und ohne eine einzige Berührung, bekam ich eine kribbelnde Gänsehaut.

,,Du musstest gerade an den Kuss denken, nich' wahr? Du kannst gerne noch ei-", kurz bevor ich vor Leidenschaft überkochte, wurde er von irgendwas unterbrochen.

Er guckte.. An mir vorbei?! Abrupt drehte ich mich um. Da stand sie nun, mit ihren blond-grünen Bienenstockhaaren, ihrem sichtbaren Bauchnabelpiercing und Stringtanga, dem kurzen rot-schwarzen Rock und den hohen Stiefeln, mit denen sie ungeduldig auf den Boden einhämmerte.

Mit einer kurzen Kopfbewegung, bei der ihr Dauerkaugummikauen mit offenem Mund besonders auffiel, deutete sie ihm zu gehen und er gehorchte wie ein zahmer Dackel.

Er ließ mich einfach stehen, aber sie durfte sich bei ihm einhaken und sich ankuscheln.. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass sie eigentlich dauernd in seiner Nähe war und ihn betatschte, wie eine.. Feste Freundin.

Seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen und jetzt musste ich auch endlich Lu folgen.

Bittersweet AffectionWhere stories live. Discover now