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Haben sie Zaubergeschichten geliebt? wollte Goethe von Patrick wissen. Dieser ließ sein Buch sinken. Die unendliche Geschichte, las Goethe Ich sehe, sie holen was nach Patrick überging diese Bemerkung und erwiderte: Nicht wirklich, ich habe mich eher für Tiergeschichten interessiert. Also auch keine Inspirationsquelle. seufzte Goethe. Was wollen sie denn schreiben? Eine Geschichte. Über einen Zauberer? Ja. Aha Patrick widmete sich wieder seinem Buch. Sie sind ein ganz schöner Buchwurm geworden in den letzten Tagen, wie ist das möglich? Wörter sind magisch, Herr Goethe Wie soll ich das verstehen? Fast andächtig strich Patrick über die Buchseiten. Mein Vater war Diplomat. Sein Erfolg hing von seiner Wortwahl ab. Wörter haben Macht, hat er mir immer gesagt und mich dafür auf eines der besten Schulen des Landes geschickt. Ich sollte diese Macht für mich nutzen können. Ich habe das nie ernst genommen. Stattdessen habe ich mein Leben im Orchester der Schule zugebracht. Nach einiger Zeit habe ich dann meinen Abschluss gemacht und wurde Manager. Worauf wollen sie hinaus? Mein ganzes Leben lang habe ich der Musik gewidmet. Ich dachte das wäre meine wirkliche Leidenschaft. Dabei habe ich meiner wahren Leidenschaft den Rücken gekehrt. Wörter sind Musik, Goethe. Es gibt nur keine bestimmte Richtung. Lesen sie ihr Gedicht vor. Sie meinen der Erlkönig? Genau. Goethe suchte in seinen Taschen und beförderte ein etwas eingeknicktes Blatt zutage. Er räusperte sich und begann: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind. Während Goethe las, schloss Patrick die Augen und lauschte der Melodie der Worte. Sein Finger klopfte im Takt des Gedichts und als Goethe verstummte, verharrte dieser in der Luft, bis Patrick ihn sinken ließ. Wörter sind Musik ,wiederholte er, Musik, die uns eine Geschichte erzählt, von der wir hoffen, dass sie gut ausgeht. Und wehe, wenn nicht flüsterte Goethe. Sein Blick hatte etwas Unheimliches an sich und Patrick hatte Mühe sein Unbehagen zu verbergen. Das ,fuhr Goethe fort, können wir nur schwerstens ertragen. Und zwar aus dem Grund, weil das Leben so ist. Das Leben ist kein Happy End. Aber, das wollen wir nicht wahrhaben. Zumindest nicht in dem Moment, in dem wir ein Buch in der Hand halten und lesen. Verständlich ist es aber doch ,wandte Patrick ein, Lesen ist eine Flucht aus dem Alltag in eine andere Welt. Eine Reise. Ich finde, eine Reise ist zum Erholen da. Zum Lachen, Gruseln, Mitfiebern, Dabeisein. Das ist es doch, was Lesen ausmacht. Da ist es doch offensichtlich, wenn man hofft und betet, das es gut ausgehen möge, und wenn man enttäuscht wird auch enttäuscht sein darf. Am Ende war es trotzdem eine gute Geschichte, unabhängig davon, ob sie gut ausgegangen ist. Das Mitfiebern macht schließlich eine gute Geschichte aus, oder nicht? Sie haben recht. Goethe seufzte. Das bringt mich leider nicht mit meine Zaubergeschichte weiter. Zumindest wissen sie nun, dass sie die Leser zum Mitfiebern bewegen sollten. Immerhin etwas. Ja aber kein entscheidender Ansatz. Wissen sie was? Während sie hier noch nachdenken, gehe ich oben baden. Nur zu, lassen sie sich von mir nicht aufhalten. Ich werde in der Zeit spazieren. Mit einem Bis später lief Patrick die Stufen hinauf und ließ sich Wasser ein. In der Zeit, in der das Wasser einlief, vertiefte er sich in sein Buch. Dabei bemerkte er den jungen Mann nicht, der mit konzentrierter Miene einen Eimer Wasser mithilfe eines Besenstiels Richtung Badewanne dirigierte. Verdutzt darüber, dass plötzlich der ganze Boden überschwemmt war, sah er auf. Als er den Mann sah, bemerkte er dessen merkwürdiges Aussehen. Der Besagte trug einen Umhang, einen spitzen Hut und hatte einen Stab in der Hand. Dann erst entfuhr ihm ein Nein, was machen sie da?! Verzweifelt drehte Patrick den Hahn zu und schnappte sich ein paar Handtücher. Nun helfen sie mir gefälligst dabei, die Sauerei wegzuwischen. sagte er. Doch als er aufsah, war der junge Mann verschwunden. Brummelnd machte Patrick sich an die Arbeit. Seine Tätigkeit wurde durch Goethes Erscheinen unterbrochen. Dieser sah nicht gut gelaunt aus. Ich habe keinerlei Inspiration. ,klagte er, Ich bin sogar unschlüssig, ob es überhaupt eine Geschichte werden soll. Ich kann ihnen im Moment auch nicht helfen. ,erwiderte Patrick, Ich habe zu tun. Ja, ja ich weiß sie haben immer zu tun, sie sind immer sehr beschäftigt. ,giftete Goethe. Patrick reagierte nicht. Wissen sie, was ich glaube? ,fuhr Goethe fort, Dass sie irgendwann an ihrem Arbeitswahn zugrunde gehen. Er wurde von Patricks Gelächter unterbrochen. Bin ich schon, bin ich schon. Wie? Ich bin schon daran zerbrochen, besser gesagt zusammengebrochen. Das ist Grund dafür, warum ich hier auf diesem Berg festsitze und niemanden erreichen kann. Mein Handy wurde mir von meinem Arzt verboten und nach vielen Umwegen bin ich schließlich hier gelandet. Hier, mit einem Dichter, der leibhaftig behauptet berühmt zu sein. Nicht, dass es nicht stimmen würde. Allerdings sollte Goethe tot sein. Sie sollten tot sein. Trotzdem sind sie hier. Im Burberrymantel und Gucci Schuhen, die es meines Wissens zu ihrer Zeit noch gar nicht gab. Das ist Irrsinn. Sie sind nicht Goethe. Sondern ein Verrückter, der glaubt, es zu sein. Glauben sie mir, so ist es nicht. Wie dann? Goethe schwieg und fragte schließlich: Warum haben sie das nicht früher gefragt? Patrick schnaubte: Ich war nicht ich selbst, sondern von Sinnen. Der echte Patrick liest doch keine Bücher. Und wenn doch? Verschwinden sie. Pikiert verließ Goethe den Raum. Als Patrick jedoch nach unten ging, saß Goethe auf dem Sofa und schrieb. Patrick sagte nichts, doch in ihm brodelte es. Er biss die Zähne zusammen und machte sich daran zu kochen. Nach einer Weile erklang Goethes Stimme. Patrick hätte ihn am liebsten rausgeworfen und doch fesselten ihn die Worte. So lauschte er gebannt, wie Goethe las: Und nun komm, du alter Besen, nimm die schlechten Lumpenhüllen, bist schon lange Knecht gewesen, nun erfülle meinen Willen! Auf zwei Beinen stehe, oben sei ein Kopf, eile nun und gehe mit dem Wassertopf!

Letztendlich schaffte es Patrick, Goethe rauszuwerfen. Danach fiel er erschöpft aufs Sofa und schlief ein.

Das LebenselixierWhere stories live. Discover now