"Ich glaube es ist wichtig"

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Scott saß mit weit aufgerissenen Augen auf seinem Bett und versuchte, Stiles nicht anzusehen. Sein Gesicht machte jeder sonnengereiften Tomate Konkurrenz.
»Was ist denn los?«, fragte Stiles unbekümmert. »Ist das nicht voll cool?«
Scott schüttelte langsam den Kopf. Beim besten Willen, er konnte der Sache nichts abgewinnen. »Das erschreckt dich nicht?«, fragte er verständnislos.
»Nein, warum denn?«
Stiles fand die Sache mit dem Sex verdammt interessant. Er konnte Scotts Reaktion nicht im geringsten nachvollziehen. Er konnte es schließlich selbst entscheiden, ob er es dazu kommen ließ.
»Was ist wenn du beim ersten Mal so nervös bist, dass du es nicht kontrollieren kannst?«, fragte Scott. Dann musste er schon eine sehr verständnisvolle Partnerin haben, oder Partner.
»Dann brauch ich wohl einen erfahrenen Werwolf dafür«, schlussfolgerte Stiles.
»Einen wie Derek?«, raunte Scott.
Stiles grinste seinen besten Freund an. »Der stellt sich leider nicht zur Verfügung.«
»Nach alles was du erzählt hast, musst du nur lieb bitte, bitte sagen.«
Stiles lachte auf, erhob sich vom Boden und setzte sich zu Scott aufs Bett. Nachdenklich strich er die Falten aus seinem Tshirt.
»Das ist aber nicht das, was ich von ihm will«, sagte er leise.
Er wollte von Derek geliebt werden. Er wollte diesen Mann für sich, für ein gemeinsames Leben und nicht für eine Nacht. Das würde ihm nicht reichen. Es reizte ihn gar nicht mal so sehr mit ihm zu schlafen. Natürlich wollte er das auch, aber zu aller erst wollte er mit ihm zusammen sein. Nur bekam man leider nicht immer das, was man wollte. Stiles verdrängte die Vorstellung einer glücklichen Beziehung wieder und sah betrübt auf.
»Themawechsel«, ordnete er an.
Scott gab alles, um Stiles abzulenken, doch das Thema Derek blieb präsent. Scott verstand das Problem nicht. Alles sah danach aus, als hätte Derek auch Gefühle für ihn. Seine Fürsorge, die Eifersucht, der Kuss. Er hatte ja sogar zugegeben körperlich an Stiles interessiert zu sein. Scott konnte sich nicht vorstellen, das die einzige emotionale Bindung, die Derek zu Stiles hatte, darauf beruhte, dass er sein Alpha war.
Stiles wollte davon nichts hören.
»Wir wissen es aber nicht, okay?«, versuchte Stiles das Thema zu beenden. »Es kann doch gut sein. Ich mein er hat nicht gelogen, als er sagte, dass es für ihn nicht dasselbe ist, wie für mich.«
»Und was wenn nicht?«, beharrte Scott.
»Dann würde ich den Grund nicht wissen wollen, der ihn abhält«, entgegnete Stiles. »Ich will mich nicht ändern, ich hab mich schon genug verändert... vielleicht könnte ich es auch gar nicht ändern.«
»Du bist immer noch der Alte«, sagte Scott grinsend und zog ihn in eine Umarmung. »Und im Gegensatz zu Derek, weiß ich das zu schätzen!«
Stiles lachte und verweilte einen Moment länger in Scotts Armen. Das er ihn hatte angreifen wollen, war nur noch eine dunkle Erinnerung, die im Schatten ihrer Freundschaft immer mehr verblasste. Derek hatte recht gehabt. Sein Leben war fast wieder normal. Er hatte jetzt seine Special Effects und musste sich vor Jägern in Acht nehmen, aber sonst... Liebeskummer musste er wie ein normaler Mensch ausstehen.

Am nächsten Morgen wartete Stiles, vor der Schule, auf seinen besten Freund. Er war ziemlich spät dran und mit dem Fahrrad. Stiles hatte gar nicht darüber nachgedacht. Normalerweise nahm er ihn bei schlechtem Wetter mit, wenn Scott Melissa's Wagen nicht nehmen konnte. Heute hatte sie Frühschicht und es schüttete wie aus Eimern. Stiles war ein furchtbarer Freund. Das schlechte Gewissen wuchs, als Scott klatschnass auf das Schulgebäude zu fuhr.
»Sorry Mann, wieso sagst'n auch nix«, eilte Stiles auf ihn zu.
»Dafür war ich schon zu spät dran«, stöhnte Scott und schloss sein Rad ab.
Als sie das Gebäude betraten, zog Stiles die Kapuze vom Kopf. Im Gegensatz zu Scott, hatte er eine. Er sah seinen Freund mitleidig an und begleitete ihn zu den Spinden. Als sie am Büro des Vertrauenslehrers vorbeikamen, nahm Stiles einen bekannten Geruch wahr. Sein Wolf war sofort präsent, schien ihn zu warnen, aber Stiles konnte den Geruch nicht zuordnen.
»Mann!«, rief Scott verärgert aus und hatte damit Stiles' Aufmerksamkeit.
»Was?«
»Ich hab meine Sportsachen gestern mitgenommen. Ich hab nichts zum Wechseln - ich hab nicht mal ein blödes Handtuch.«
»Dann lass uns zu den Fundsachen gehen«, schlug Stiles vor. »Ich hab auch nix hier, außer ein durchgeschwitztes Trikot.«
Scott verzog angewidert das Gesicht. Ganz toll, getragene Sachen von fremden Leuten.
»Komm Scott, 'ne Lungenentzündung kannst du dir nicht erlauben«, sagte Stiles streng.
»Ist gut, Mom«, seufzte Scott und folgte ihm.
Als sie wieder am Büro der Vertrauenslehrerin vorbeigingen, war der Geruch fort. Stiles versuchte, sich an ihn zu erinnern, aber es funktionierte nicht. Zu viele Gerüche waren um ihn herum. Seit er nicht mehr täglich trainierte, fiel es ihm wieder schwerer, Gerüche herauszufiltern.
Im Sekretariat schilderte Scott kurz sein Anliegen, dann wurden sie, von einer der Frauen, in den Raum mit den Fundsachen geführt. Kleiderkammer traf es eher. Stiles hob überrascht die Augenbrauen. Das diese Sachen nicht vermisst wurden, konnte er nachvollziehen. Manche der Teile lagen sicher schon Jahrzehnte hier herum.
Scott wühlte sich durch die Kleiderberge, während Stiles neben der Sekretärin stehen blieb. Erneut trat dieser vertraute Geruch in seine Nase. Stiles folgte ihm und je näher er trat, desto sicherer wurde er: Das war der Geruch aus dem Büro. Noch immer konnte er ihn nicht zuordnen, aber er war sich sicher, dass es wichtig war. Er suchte nach dem Kleidungsstück, an dem der Geruch haftete. Es waren ein paar kurze gelbe Sportshorts, mit weißen Streifen an der Seite.
Scott schien inzwischen auch fündig geworden zu sein. Er lief zu der Frau an der Tür und Stiles folgte ihm. Niemand durfte sich einfach so in der Fundkammer bedienen. Sie diente nicht zur Bereicherung, so stand es in der Schulordnung. Stiles hatte sie mehr als ein Mal abgeschrieben. Alles wurde protokolliert und man musste die Sachen zurückbringen. Manche sollten vielleicht doch lieber verbrannt werden.
Als Scott die Sachen vorzeigte, die er sich ausgesucht hatte, nickte die Frau an der Tür zustimmend. Stiles warf die gelbe Sportshorts einfach dazu. Scott sah ihn verwirrt an.
»Die brauchst du auch«, sagte Stiles eindringlich.
»Wofür?«, fragte Scott leise.
»Für drunter.«
Stiles grinste die Sekretärin an, sie räusperte sich.
»Das sieht nicht ganz nach Ihrer Größe aus«, bemerkte sie.
Sie hob die Shorts an und blickte skeptisch an ihr vorbei, auf die beiden Schüler. »Vielleicht suchen Sie sich was passenderes?«
Scott empfing Stiles' flehenden Blick und seufzte innerlich auf.
»Nein, das passt schon«, sagte er. »Ich bin schmaler um die Hüften, als es scheint.«
»Aber das ist-«
»Ich trag das gerne«, unterbrach Scott sie, mit hochrotem Kopf und schnappte sich das knappe Stück Stoff. Schnell verbarg er es unter den anderen Sachen und schob sich an ihr vorbei.
Stiles grinste immer noch, folgte Scott und drehte sich nochmal um: »Betont ganz vorteilhaft seine Kurven«, deutete er an und untermalte dies mit passender Geste.
»STILES!«, rief Scott verärgert.
Schnell folgte der Beta seinem besten Freund. Als er in sein hoch rotes Gesicht blickte, musste er lachen. An der nächsten Toilette, hielten sie an, damit Scott sich umziehen konnte.
Als die Tür sich wieder öffnete, pfiff Stiles anerkennend. »Das geht das sowas von klar.«
Argwöhnisch schüttelte Scott den Kopf.
»Ich seh aus, wie du«, sagte er pikiert. »Sicher, dass das nicht deine Sachen sind?«
Dunkelblaues Karohemd mit gelben Streifen, rotes Tshirt - Nein Stiles war sicher, dass er sowas nicht vermisste.
»Wenns meine Sachen sind, solltest du sie öfters tragen«, witzelte Stiles. »Du siehst verdammt gut aus!«
Bevor Scott was erwidern konnte, wurde Stiles von jemandem angerempelt. Sie drehten sich beide zu dem Kerl um, der Stiles einen geheimnisvollen Blick zuwarf. Scott sah zu seinem besten Freund, der tatsächlich ein Lächeln erwiderte.
»Was war das denn?«, wollte Scott wissen.
»Tyler«, antwortete Stiles knapp.
»Ich weiß, wer das war«, stellte Scott richtig. »Aber wieso sieht er dich so an?«
»Wir haben und gestern getroffen.«
Stiles biss sich auf die Lippe und wendete sich wieder Scott zu.
»Wieso hast du nichts gesagt?«, fragte dieser sofort. »War's ein Date?«
Stiles schüttelte den Kopf und rieb sich den Nacken. »Nein, nicht wirklich.«
»Wieso hast du dann nichts gesagt?«
»Keine Ahnung.«
Stiles war es unangenehm, er wusste selbst nicht warum. Er konnte doch nicht wegen Derek rum heulen und sich mit einem anderen Kerl treffen.
»Ach ja!«, Scotts Stimme wurde auf einmal so harsch, dass Stiles den Kopf einzog.
»Hier!« Er warf ihm die gelbe Shorts zu. »Was zur Hölle sollte das?«
Stiles musste sofort wieder lachen. Er packte die Hose schnell in seine Tasche und sah zu Scott.
»Da ist derselbe Geruch dran, wie vorhin im Büro der Vertrauenslehrerin«, sagte er. »Meine Nase ist nicht mehr so zuverlässig seid... Jedenfalls brauche ich das, um ihn mir einzuprägen.«
»Und warum musst du ihn dir einprägen?«
»Ich glaube, es ist wichtig«, sagte Stiles abwesend.
Er blickte sich auf dem Schulflur um. Das erste Klingeln ertönte und alle Schüler machten sich auf den Weg in ihren Klassenraum. Wie sollte er hier bloß den Träger des Geruches ausmachen?

Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt