"Verschwinde"

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Stiles schickte seinen Vater nach Hause, als Melissa das Zimmer verlassen hatte. Er wollte ihn nicht sehen. Wie hatte er das tun können? Er konnte doch nicht wollen, dass sein Sohn ein Monster war.
Stiles hatte viel über Werwölfe gelesen, als er von seinem Vater erfahren hatte, dass es welche gab. Er hättte Derek zu gern kennengelernt, damals, aber er hatte die Stadt schon verlassen. Derek war der letzte Überlebende seiner Familie gewesen. Hatte ihn das zu einem Alpha gemacht oder hatte er einen getötet? Stiles hatte zumindest gelesen, dass er so ablief und das nur ein Alpha einen Menschen verwandeln konnte. Also musste Derek einer sein.
Die Chancen standen 50:50 das man einen Biss überlebte. Stiles gehörte ganz offensichtlich zu den glücklichen 50%. Er hätte auch gern darauf verzichtet. Was würde nun mit ihm passierten? Was würde sich ändern. Fand eine Verwandlung nur an Vollmond statt und wie nutzte er seine neuen Kräfte?
Er holte sein Handy hervor und versuchte Antworten zu finden, doch es gab nicht wirklich viele und wenn er doch welche fand, dann wusst er immer noch nicht, ob es nur Fantasie war oder sie der Wahrheit entsprachen. Um wirkliche Antworten zu erhalten, musste er mit einem echten Werwolf sprechen. Er wusste, wo er einen finden konnte, aber allein die Vorstellung, Derek zu begegnen ließ ihm alle Haare zu Berge stehen.
Der Kerl hatte ihn einfach so verwandelt. Ohne ihn zu fragen oder auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, ob er das wollte. Er konnte die Beweggründe seines Vaters irgendwie verstehen, aber Derek ging unvoreingenommen an die Sache ran. Ihm hätte doch wenigsten in den Sinn kommen können, das man vorher fragte.

Derek lief unruhig auf und ab. Die Arbeiten am Haus hatte er schon vor Stunden niedergelegt, weil er einfach keine Konzentration aufbringen konnte. Seine Gedanken kreisten alle um Stiles. Am liebsten würde er seinen Beta zu sich rufen, aber das war aus mehr als einem Grund nicht möglich. Stiles lag noch immer im Krankenhaus und davon abgesehen war er nicht sein Beta. Derek hatte ihn verwandelt um zu helfen. Eine alte Schuld zu begleichen. Er wollte kein Rudel gründen. Sicher, er hatte Verantwortung für Stiles und würde ein Auge auf ihn haben. Zumindest so lange, bis er sich kontrollieren konnte, aber dann würde er ihn in Ruhe lassen. Vergessen.
Auch wenn er die Kraft besaß, wollte er kein Alpha sein. Er hatte so viele Menschen verloren, dass er sich an das allein sein gewöhnt hatte. Er hatte nie wieder den Kontakt zu anderen gesucht, aus Angst sie könnten wieder aus seinem Leben verschwinden. Jetzt musste er sich mit dem merkwürdigen Gefühl auseinandersetzen, wieder jemanden in seiner Nähe haben zu wollen. Das lag zwar nur an seinen Instinken, aber das änderte nichts. Man konnte sie schließlich nicht einfach abstellen. Ignorieren vielleicht, unterdrücken ja, aber nicht abstellen. Auch das würde Stiles lernen müssen: Seinem Verlangen nicht nachzugeben. Ansonsten würde es für die Bewohner von Beacon Hills gefählich werden. Der Jagdtrieb eines frisch gebissenen Werwolfes war beängstigend stark.
Derek schluckte. Hatte er vielleicht doch einen Fehler gemacht? Den Sohn des Sheriffs retten und dafür das Risiko eingehen, dass viele andere starben? Er konnte Stiles nicht sich selbst überlassen. Und er konnte auch nicht die Verantwortung beim Sheriff lassen. Er schwebte genauso in Gefahr, wie alle anderen. Irgendwann war Stiles Körper stark genug sich komplett zu verwandeln. Bei diesem Vollmond war er es nicht, vielleicht auch nicht beim nächsten, aber dann hätte er auf jedenfall genug Kraft gesammelt.
Obwohl es Derek widerstrebte, machte er sich auf den Weg ins Krankenhaus. Er musste mit Stiles reden. Hoffentlich hatte John ihn schon aufgeklärt. Derek würde höchst ungern diesen Part übernehmen, aber Stiles musste sich jetzt schon klar darüber sein, welche Gefahr er darstellen konnte.
Derek stieg in den Camaro und der Motor heulte auf.

Plötzlich ergriff ein seltsames Gefühl Besitz von Stiles. Er war nervös und aufgeregt.
Irgendetwas würde gleich passieren.
Er versuchte zu hören, was im Flur vor sich ging, aber da war nichts. Abgesehen von Stimmengewirr und Schritten. Je mehr er sich konzentrierte, desto deutlicher stach eine Person hervor. Oder vielmerh ihre Schritte. Stiles wusste nicht, warum er sich grade darauf so konzentrierte, aber es konnte nicht ablassen. Jeden Moment rechnete er damit, dass sich seine Tür öffnete, weil die Schritte immer lauter wurden, doch es klopfte niemand. Und es ging niemand vorbei.
Als die Schritte schon presslufthammerartig in seinem Kopf dröhnten, öffnete sich die Tür plötzlich. Stiles zuckte zusammen und sofort fand er sich in einer normalen Geräuschkulisse wieder.
In der Tür stand ein dunkelhaariger Mann. Älter als er, zumindest ließ der Bart es so wirken. Abwartend ruhte sein Blick auf ihm und Stiles wusste sofort, wer er war. Er hatte Derek nie persönlich kennengelernt, aber er wusste, dass er es war. Es bestand kein Zweifel, dass das vor ihm ein Alpha war.
»Ich werd dich nicht herein bitten«, gab Stiles aggresiv von sich. Schließlich hatte der Kerl ihm, mit einem Biss, das Leben genommen. Zumindest das menschliche.
Derek nickte knapp und schloss die Tür hinter sich. Stiles war wütend und durcheinander. Aber auch seine Angst blieb ihm nicht verborgen.
»Wir müssen reden«, sagte Derek.
»Wir müssen gar nichts!« Stiles richtete sich auf und funkelte Derek wütend an. »Du hast mich in einen gottverdammten Werwolf verwandelt!«
Derek zwang sich ruhig zu bleiben. Er musste akzeptieren, dass Stiles jedes Recht hatte wütend zu sein. Er presste den Kiefer aufeinander und versuchte seine Anspannung irgenwie abzuschütteln.
»Genau darüber müssen wir ja reden«, sagte Derek.
»Ich will nicht mit dir reden«, entgegnete Stiles trotzig.
»Stiles, heute Nacht ist der erste Vollmond, ich weiß nicht was mit dir sein wird.«
»Und trotzdem verwandelst du mich?«, fragte Stiles aufgebracht. Er hatte selbst Angst vor dem was passieren würde und wenn nicht mal Derek es wusste.
»Naja entweder du verwandelst dich oder nicht«, warf Derek ein. »Dir gehts jetzt schon besser, als ich vermutet hatte.«
Stiles presste die Lippen aufeinander. Hatte eigentlich überhaupt jemand vorher darüber nachgedacht, was er tat?
»Stiles, ich hab dich gebissen, ich muss-«
»Du musst gar nichts, außer verschwinden«, fuhr Stiles dazwischen. Er wusste, dass Derek der Einzige war, der ihm Antworten geben konnte, aber er war auch derjenige, dem er diese absurde Situation zu verdanken hatte. Und dafür hasste er ihn grade. Nichts würde so sein wie vorher. Er war kein normaler Mensch mehr.
Derek spürte Stiles' Aggressivität ihm gegenüber und machte einen Schritt rückwärts. Wenn er sich weiter aufregte und verwandelte, hätte Derek ihn nicht mehr unter Kontrolle. Er war sich zwar sicher gewesen, dass er länger brauchen würde, um genug Kraft für eine Verwandlung zu haben, aber er hatte sich erstaunlich schnell erholt. Er konnte es nicht darauf ankommen lassen. Stiles war derzerit auch nicht gewillt seine Hilfe anzunehmen.
»Verschwinde«, sagte Stiles deutlicher. »Raus hier und halt dich fern von mir!«
Derek presste angestrengt den Kiefer aufeinander und ging langsam zur Tür. Es hatte keinen Sinn, so mit ihm zu reden.
Als sich die Tür schloss, atmete Stiles angestrengt aus. Die ganze Wut und Verzweiflung hatte sich in seinem Brustkorb gesammelt. Er fühlte sich elend. Auch wenn er Derek hasste, er fühlte sich ihm doch zugehörig und er war der Einzige der helfen konnte. Er würde es zwar nicht rückgängig machen können, aber dabei helfen es zu kontrollieren.

Derek lief frustriert aus dem Krankenhaus heraus. Er musste sich zusammenreißen, nicht umzukehren und Stiles deutlich zu machen, wer wo stand.
Er hatte sich wirklich von seinem Beta rauswerfen lassen. Das er es überhaupt gewagt hatte –wütend trat Derek gegen einen der Beton-Blumenkästen vor dem Krankenhaus. Ein dickes Stück bröckelte ab und eine ältere Frau sah ihn tadelnd an. Derek warf ihr einen solch finsteren Blick zu, dass sie ohne ein Wort eilig hinein lief.
Er würde die heutige Vollmondnacht hier verbringen müssen. Die Möglichkeit, dass Stiles sich doch schon verwandelte, war durchaus gegeben. Dafür, dass er gestern kurz vor dem Tod stand, ging es ihm heute viel zu gut. Er hatte einen starken Werwolf erschaffen, der noch dazu ein Teenager war und nicht akzeptieren wollte, wer er nun war.

Reborn - Mit dieser Entscheidung musst du lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt