Kapitel 1

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Einige Monate später

Winter. Es war die schönste Zeit des Jahres. Vor allem wenn Schnee fiel. Ich stand im Garten und beobachtete meine zwei Kinder, die im Schnee spielten. Die dunklen Mützen weiß befleckt durch die Flocken, die vom Himmel fielen. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Troy und Clara. Sie waren wundervoll. 

Brooke versuchte gemeinsam mit ihnen einen Schneemann zu bauen, doch scheiterte kläglich. Der Schnee war nicht fest genug. Die Kugeln wollten einfach nicht halten, weshalb ich schmunzeln musste. Irgendwann gab sie es auf und ließ sich fallen. 

Dank ihr und den Kindern ist es nicht so leer im Haus. Ich liebte die gemeinsamen Stunden, die ich mit Raphael hatte. Mehr als alles andere. Doch die Stille im Haus, wenn Brooke für einige Tage fort war, brachte mich manchmal um den Verstand. Auch wenn die Kinder einen auf Trapp hielten. Ein volles Haus war mir lieber. 

Ich vermisste die Zeiten, in der alle Zimmer belegt waren. Meinen Kaffee nahm ich früh allein zu mir. Manchmal auch mit Raphael, wenn er schon wach ist. Ich hatte Zeit gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Mittlerweile kam ich damit recht gut klar. Schließlich musste ich auf zwei Kinder aufpassen. 

"Wir sollten reingehen. Und etwas Tee trinken", schlug ich dann vor. Schließlich musste ihnen allen kalt sein. Clara nickte sofort und lief zu mir. Ich nahm sie auf den Arm. Irgendwann würde ich das nicht mehr können. Dann würde sie wie Troy neben mir laufen. Doch ich genoss die Zeit noch. 

Drinnen half ich ihr beim ausziehen, während Brooke Troy die Jacke abnahm. Dann liefen die zwei ins Wohnzimmer. Brooke schmunzelte mich an, bevor wir gemeinsam in die Küche gingen und ich das Wasser kochen ließ. 

"Wann gehst du wieder?", wollte ich wissen. Brooke nahm ihre Arbeit in der Armee sehr ernst. Auch wenn mir der Gedanke missfiel, dass es noch immer überall Soldaten gab. Der letzte Krieg lag mir noch immer schwer im Magen. Und das würde nie vergehen. Wir brauchten keine Armee. Es war Frieden. Und doch rüstete niemand ab. 

"Morgen Nachmittag", antwortete sie. "Aber ich bleibe nicht lange. Es ist nur eine Grenzkontrolle." Ich nickte. Die Grenzen mussten tatsächlich überwacht werden. In den letzten Wochen gab es dort mehrere Vorfälle. Seitdem waren auch Soldaten dort immer vorhanden. Niemand wusste genau, was vorgefallen war. Noch nicht.

Als das Wasser fertig war, brachte ich den beiden den Tee und wollte mich mit ins Wohnzimmer setzen. Doch jemand kam durch die Haustür. Ich sah hin und musste lächeln. Raphael war wieder zurück. Den Tee reichte ich Brooke und dann ging ich zu ihm. Zur Begrüßung bekam ich einen kurzen Kuss. 

Mehr brauchte ich jetzt auch nicht, denn jemand anderes war wichtiger; Cora. Auch sie war hier. Sofort umarmte ich sie. Es waren Ferien. Die gab es, seitdem es wieder Schulen gab. Da kam sie mit Azzurra immer her. Wir feiern jedes Jahr zusammen Weihnachten. Jedenfalls, seitdem es wieder offiziell ein Feiertag ist. Nur die wenigsten Engel feiern es. Doch Cora und ich hatten darauf bestanden und auch Raphael schien Gefallen daran gefunden zu haben. 

Auch Azzurra umarmte ich kurz zur Begrüßung. Beide stellten ihr Zeug ab. Ich musterte beide kurz, schließlich hatte ich sie einige Wochen nicht gesehen. Cora hatte sich kein Stück verändert. Ihr langes braunes Haar fiel ihr noch immer glatt über die Schulter. Nur trug sie mittlerweile eine Brille. 

Azzurra hingegen hatte sich etwas verändert. Ihre Haare waren etwas kürzer und die Spitzen heller. Es stand ihr. Genauso wie Raphael war sie zudem kaum älter geworden. Cora hingegen waren die zehn Jahre schon anzusehen. Auch wenn sie jünger aussah als 28. Sie wirkte weiser. Früher hatte sie einen großen Mund. Heute konnte man das nicht mehr erahnen, auch wenn sie den vermutlich noch immer hat.

Später aßen wir alle gemeinsam Abendbrot. Es fühlte sich fast an wie früher. Nur fehlte noch jemand, der eigentlich längst hier sein wollte. Gerade als ich mir einen Löffel mit Suppe in den Mund schob, klingelte es. Ich betete, dass die Kinder jetzt nicht wach werden würden, denn die hatten bereits gegessen und lagen im Bett. 

Schnell ging ich zur Tür, damit die Klingel nicht noch einmal betätigt wird. Raphael folgte mir. Das konnte ich hören. Als ich dort ankam, öffnete ich die Tür. Raziel lächelte mich offen an und ich schenkte ihm eine kurze Umarmung, bevor Raphael an der Reihe war. Auch eine lange Trennung konnte den Brüdern nichts anhaben. 

Mit der anderen Person hatte ich allerdings nicht gerechnet. Malia. Auch sie war mitgekommen. Ihre Haare waren deutlich länger. Aber ich hatte sie auch einige Jahre nicht mehr gesehen. Sie blieb meist in Asien, wenn Raziel herkam. Deshalb verwunderte es mich so sehr. Doch auch sie lächelte ich an. Und zu meiner Überraschung erwiderte sie das Lächeln. 

"Ich wollte mir dieses Fest einmal anschauen, zu dem Raziel jedes Jahr herfliegt", beantwortete sie meine unausgesprochene Frage. Ich schmunzelte, während sie ihre Jacke anhing. "Du weißt, dass du immer eingeladen warst und bist." Das war wahr. Wir hatten ihr jedes Jahr eine Einladung geschickt, doch immer hatte sie abgelehnt. Dieses Jahr kam keine Antwort, doch ich hatte, um ehrlich zu sein, nicht mit ihr gerechnet.

Mit ihnen zusammen gingen wir dann wieder zurück zum Tisch, wo wir weiter aßen und uns noch eine ganze Weile unterhielten. Malia schwieg die meiste Zeit über. Und auch wenn sie vorhin freundlich wirkte, schien irgendwas nicht zu stimmen. So ruhig war sie eigentlich nur gewesen, als wir uns kennengelernt hatten.

Raziel hingegen war wie immer. Freundlich. Höflich. Er erklärte, was für Fortschritte er mit den anderen in Asien gemacht habe. Es klang wunderbar. Doch als Raphael auf das Thema kam, wie es in Asien allgemein aussehe, zögerte er, bevor er 'gut' antwortete. Irgendwie glaubte ich ihm diese Antwort nicht. Doch ich konnte mich auch täuschen. 

Irgendwann gingen dann alle in die Zimmer. Cora und Azzurra bezogen ihren alten Raum für die paar Tage. Auch Raziel und Malia taten das. Wir hatten nur sehr wenig verändert, was die Einrichtung dort anging. Nur einen Raum hatten wir umgeräumt und gestrichen; den kleinen Raum in dem Skylar, Cora und ich früher schliefen. Er war nun ein Spielzimmer für die Kinder.

Vor dem Spiegel schminkte ich mich ab. Ich konnte Raphaels Blick auf mir spüren, was mich lächeln ließ. Meine Gefühle haben sich nicht verändert. Noch immer fühlte ich mich in seiner Gegenwart so, wie es vor zehn Jahren der Fall war.

"Es ist noch früh. Wir müssen noch nicht schlafen gehen", sagte er dann. Ich drehte mich kurz um und sah ihn grinsen, weshalb ich schmunzelnd die Augen verdrehte und meine Arbeit beendete. "Weißt du, manche Menschen müssen arbeiten", entgegnete ich. Morgen früh würde er zu einer Versammlung müssen. 

Ich hörte, dass er aufstand und konnte im Spiegel sehen, dass er näher kam. Von hinten umarmte er mich dann und drückte mir einen kurzen Kuss auf den Hals. "Aber ich bin kein Mensch", meinte er und fuhr fort. Ich schloss die Augen und genoss es. Dann drehte ich mich um und küsste ihn leidenschaftlich.

A/N: Im ersten Kapitel passiert noch nicht allzu viel. Aber es wird spannender. Versprochen.

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