Kapitel 26

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POV Sam

Da saßen wir. Nik, Em, Luke, die Nik aus ihren Zimmern gescheucht hatte, und ich. Em hatte Sekt mitgebracht, den wir schon zu zwei Dritteln geleert hatten, woraufhin Nik und Luke ein krummes »Viel Glück und viel Segen« geschmettert hatten. Em naschte von den Resten des Essens, da wir noch etwa die Hälfte der Schoko-Erdbeeren, Pancakes und des Rühreis auf den Tellern liegen hatten.

Es fühlte sich gut an, einmal wieder zusammenzusitzen, gefühlt war es das erste Mal, seit unserer Entscheidung, hierher zu kommen, wie lange das her zu sein schien. Wie sehr ich das doch vermisst hatte, wie sehr ich meine Freunde vermisst hatte, die Menschen, die mich besser kannten, als irgendwer sonst.

"Es tut mir leid", platzte ich auf einmal heraus. Irritiert sahen Luke und Em mich an. "Ich bin in letzter Zeit ein egoistisches Miststück", versuchte ich mich zu erklären, Ems Gesichtsausdruck wurde weicher.

"Versuch bloß nicht, mir meinen Titel wegzunehmen", scherzte sie liebevoll und strich mir sanft über den Rücken.
Ich kniff sie zärtlich in den Oberschenkel, worauf hin sie, mehr belustigt als verärgert, aufschrie. Mit boshaftem Grinsen bereitete sie sich auf einen Gegenangriff vor, den Luke aber mit einem gezielten Wurf meines Kopfkissens unterband.

"Könntet ihr das vielleicht auf später verschieben?", grinste er. Em zog eine Schnute, setzte sich aber brav wieder hin und schnappte sich eine weitere Schoko-Erdbeere. Luke machte eine Geste, die ich grob als 'mach weiter' interpretierte, also holte ich Luft und versuchte, mich zu entschuldigen, dass ich sie und ihr Leben ignoriert hatte.

"In meinem Kopf hat sich alles nur noch um mich gedreht und das will ich nicht. Ich will an eurem Leben teilnehmen und dass ihr Teil von meinem Leben seid. Dafür hat man doch Freunde."

Eine Stille breitete sich aus, bis Luke leise schnaubte. "Wir sind doch keine Freunde! Wir sind Familie!" "Genau!", grinste Em zustimmend. Sie zog die Sektflasche zu sich heran und drehte den Korken wieder rein und hielt sie die grinsend hoch. "Und weißt du, womit wir das jetzt feiern werden?"
"Bitte kein Trinkspiel, bitte kein Trinkspiel", murmelte Nik neben mir und sah flehend die Decke an. Es half nichts.

"Wir werden jetzt jeder drei Dinge über unsere letzten Monate erzählen, zwei davon sind wahr, eine gelogen, wer erwischt wird, muss trinken!" Das hatten wir lange nicht mehr gemacht, zwar schlug Em öfter Trinkspiele vor, bei denen nicht selten mehrere Flaschen Ethanolgemische vernichtet wurden, aber meistens wurden die (fast) einstimmig abgelehnt. Jetzt erhob jedoch niemand Einspruch.
Em grinste breit und machte den Anfang.

"Also, erstens habe ich seit einem Monat nichts mehr getrunken, zweitens habe ich einen Werbedeal für Coca-Cola unterschrieben und drittens …", sie machte eine lange Pause, als müsse sie überlegen, was sie noch erfinden müsse, "… und drittens bin ich schwanger!" Sie lachte und gab die Flasche an Nik weiter, der jetzt dran war. Er verzog das Gesicht, als denke er nach, dann grinste auch er und fing an.

"Ich war vor zwei Wochen in München, nur um Schuhe zu kaufen, zwischen mir und Judith ist es schon eine Weile aus und … ich bin neu verliebt." Nik reichte mir die Flasche. Ich seufzte, dachte einige Sekunden nach, bis mir drei Dinge eingefallen waren.

"Erstens", ich zählte es an den Fingern ab, "ich wusste bis eben nicht, welchen Tag wir heute haben, zweitens habe ich mir über eBay einen lebensgroßen Stormtrooper bestellt und drittens … kann ich aktuell weder Herz, noch Kopf vertrauen, was ich will."

Luke nahm sich die Flasche und starrte sie an. "Heute noch", singsangte Em und Luke sah auf. "Okay, dann … ich zeichne, schon eine Weile, aber in letzter Zeit ziemlich viel, ich habe einen Song geschrieben, auch wenn er nicht besonders gut ist und … ich habe mich in Südafrika verliebt."

"Gut", meinte Em, "dann sage ich, dass die Schuh-Geschichte gelogen ist, die Sache mit dem Stormtrooper und dass Luke zeichnet. Sam?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Die Schuh-Sache ist falsch, dass Luke 'nen neuen Lover hat und -" bevor ich meinen Satz beenden durfte, begann Nik zu jammern.

"Lüge ich echt so schlecht?" Wir nickten, beinahe unisono. "Definitiv", sagte ich, "Absolut", bestätigte Em, "Hoffnungslos", fügte Luke hinzu und wir lachten. Nik zog eine Grimasse und griff sich die Flasche, für jeden von uns einen großen Schluck. Als er die Flasche wieder absetzte, starrten Luke und Em ihn neugierig an. "Und?", fragte Em, "wer ist die Glückliche?" Nik schüttelte den Kopf. "Keine sie", meinte er und trank noch einen Schluck.

Für einen Moment glaubte ich, Lukes Augen aufblitzen zu sehen, doch bevor ich mir sicher sein konnte, war es wieder verschwunden. Em sah Nik stirnrunzelnd an. "Ich dacht, du stehst auf Frauen?" Er verdrehte die Augen.

"Em, ich bin, was der gemeine Mensch »bisexuell« nennt. Ist das so kompliziert?" Em zuckte mit den Schultern. "Was weiß ich, es gibt Leute, die studieren sowas jahrelang und wissen immer noch nicht, wovon sie reden …"

Luke lachte und auch Nik grinste, Em schnappte sich triumphierend die letzte Schokoerdbeere.

Nik sah jetzt mich an. "Der Stormtrooper ist falsch, so was von!" Ich grinste und zuckte unschuldig mit den Schultern. "Ich hatte ihn schon im Warenkorb …" Luke lachte und meinte ein wenig wehmütig: "Wir sind keine Kinder mehr, auch wenn ich das gerne vergesse." Er machte eine Pause. "Ich liebe euch, ihr Freaks."

Ich lächelte und dachte an uns, vor so vielen Jahren, in meinem winzigen Zimmer, auf dem Bett und dem nackten Boden, und wir strahlten, denn wir hatten unser Abi geschafft und jemand mochte unsere Musik. Jetzt saßen wir auf teuren Betten, tranken Sekt, hatten mehr Geld, aber im Grunde genommen waren das immer noch wir.

Wir waren älter, natürlich, Luke hat einen Bart, den er sich stehen lassen kann, etwas, womit er in der Oberstufe heftig zu kämpfen hatte, Nik ist nicht mehr der schmächtige Junge mit Brille, Em ist wahrscheinlich noch schöner geworden und meine Haut zierten mit den Jahren mehr und mehr Tattoos, an denen Erinnerungen hängen, die nie zu verblassen scheinen, die Vier an meinem Handgelenk, das winzige »N« an meinem Knöchel, die Zeile aus »Dont give up« von Peter Gabriel.

Und das waren immer noch wir.

Em lächelte mich an und ich lächelte zurück, dann wanderte mein Blick zu ihrem T-Shirt und als ich wieder aufsah, war ihr Blick noch strahlender und ich glaubte, Tränen in ihren Augenwinkeln zu sehen.

"Oh mein Gott", flüsterte ich. "Du bist wirklich schwanger!" Em nickte und ich kreischte auf.

Vielleicht war doch nicht alles so, wie vor fast zehn Jahren.

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⏰ Última actualización: Mar 02, 2018 ⏰

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