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Alexia

Meine Nervosität vor dem Treffen mit Rayan ist fast nicht auszuhalten. Selbst vor wichtigen Präsentationen bin ich nicht so ein Nervenbündel. Ich komme mir vor wie ein pubertierender Teenager bei seinem ersten Date. Doch zu meiner großen Überraschung bin ich nicht alleine damit. Ihm scheint es genauso zu gehen.
Der Film ist Nebensache, immer wieder schiele ich zu ihm herüber und genieße die zaghaften Berührungen seiner Finger auf meinem Arm. Wie gerne würde ich mehr davon spüren, mehr als dieses Federleichte. Doch mehr kommt nicht und ich kann nicht über meinen Schatten springen und die Initiative ergreifen. Das bin ich nicht und so bleibt es bei einem keuschen Abschiedskuss. Liegt es an mir? Habe ich etwas falsch gemacht? Hat es ihm doch nicht gefallen?
Lange liege ich wach, starre die berüchtigten Löcher in die Decke und analysiere. Doch es bringt mir nicht die erhoffte Erkenntnis und so vertraue ich Megan am nächsten Nachmittag meine Gedanken an. »Lexi, das ist doch alles super gelaufen. Er will dir zeigen, dass er mehr in dir sieht als nur eine schnelle Nummer. Er läßt es langsam angehen. Perfekt. Das wird.«
Megan ist so euphorisch, dass sie mich tatsächlich damit ansteckt und ich meine Zweifel abschütteln kann, zumindest ein bisschen.

Die gesamte Woche höre ich von Rayan und jedes Mal ertappe ich mich dabei blöd zu grinsen. Die Welt scheint mir bunter, farbenfroher als sonst zu sein. Es regnet weniger, dafür dass es Mitten im Herbst ist. Empfinde nur ich die Blätter gelber und orangener als all die Jahre zuvor?

Endlich bin ich wieder mit ihm verabredet und als ich morgens die Augen aufmache, kribbelt es überall. In der Uni tritt Megan mir öfter gegen mein Schienbein und ermahnt mich still zu sein. Was hat sie denn? Ist sie etwa heute mit dem falschen Fuß aufgestanden? Sonst ist sie doch immer die gut gelaunte von uns. Ihr kann ich es auch nie recht machen.

Gegen sechs Uhr mache ich mich endlich auf den Weg zu Rayan. Ich habe, seitdem ich von der Uni zu Hause angekommen bin, die Minuten Wortwörtlich gezählt. Wir wollen einen Film gucken und Pizza bestellen. Ich freue mich auf diesen Abend und muss mich zwingen in normalem Tempo die Treppe hochzugehen und ihn nicht anzuspringen. Den Aufzug lasse ich absichtlich links liegen, denn erstens muss ich nur in den dritten Stock und zweitens fahre ich grundsätzlich alleine nicht Aufzug. Ich habe Angst vor diesen Monstern. Wenn jemand dabei ist, ist das nicht so schlimm, aber alleine, nein danke. Da gehe ich auch in den zehnten Stock.
Seine blauen Augen taxieren mich als ich die letzte Stufe genommen habe und hochschaue. Er lehnt am Türrahmen und sieht in seiner zerrissenen Jeans und dem schwarzen T-Shirt einfach unwiderstehlich gut aus. Hoffentlich vernasche ich ihn zum Nachtisch, schießt es mir durch den Kopf und ich kann mir das Lächeln nicht verkneifen. Er nimmt mich in den Arm und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich habe keine Zeit seinen Duft einzuatmen, denn schon löst er sich wieder von mir. Mein Herz wummert, wie die Bässe auf einer Technoparty in meiner Brust als ich Rayan ins Wohnzimmer folge.

Wir bestellen Pizza und versuchen den Film zu gucken. Es bleibt bei dem Versuch, denn es gelingt uns überhaupt nicht. Ich will ihn endlich berühren, sonst werde ich noch verrückt und so fasse ich meinen ganzen Mut und berühre seinen Arm. Das Blau seiner Augen fixiert mich und ich beuge mich weiter in seine Richtung. Rayans Blick huscht von meinen Augen zu meinem Mund und ich bin mir sicher, dass ich nicht anders aussehe. Seine Hand streicht, wie eine Feder im Wind über meine Wange und seine Finger über meine Lippe. Ich halte vor Spannung die Luft an. Die andere Hand wandert zu meiner anderen Wange. Sein Kopf kommt meinem immer näher und dann schließe ich aus Reflex die Augen und seine Lippen berühren meine, ganz leicht, ganz sanft. In meinem Innern ist in diesem Moment eine Halle mit Feuerwerkskörpern losgegangen. Die Raketen explodieren und bunte Farbsprenkler erleuchten den Himmel. Oh wie schön.
Ich will mehr von ihm spüren und presse meine Lippen gierig auf seine. Schließlich gewährt er meiner Zunge Einlass und lässt sie tanzen und wie er sie tanzen lässt. Der Beat gefällt mir unheimlich gut und ich höre das Knallen der Raketen immer noch. Schnell wird unser Kuss fordernder. Normalerweise steige ich nicht sofort mit einem Typen ins Bett, aber bei Rayan wird nach anderen Regeln gespielt. Hier bei ihm werfe ich alle Regeln über Bord, dafür will ich ihn zu sehr.
Seine Hände sind überall und ich habe nichts dagegen als er sie unter mein Top schiebt, im Gegenteil. Er löst sich von mir und ich stelle fest, dass sein Atem genauso schwer ist wie meiner. Seine heiße Stirn legt er an meine und als er zu sprechen anfängt, fühle ich mich genauso, wie er sich anhört.
»Alexia, langsam. Nicht so stürmisch«, keucht er abgehakt.
»Ich will nicht langsam. Ich will dich spüren.«
Ich höre meine Stimme und bin einen kurzen Moment über mich und meine Worte überrascht chr. Das kenne ich gar nicht von mir und auch, dass ich meine Lippen wieder auf seine presse und meine Zunge in seinen Mund schiebe, ist mir unbekannt.
»Alexia«, knurrt er gegen meine Lippen.
Nichts Alexia. Alexia will spielen und zwar sofort.

Abrupt steht er mit mir auf. Erschrocken löse ich meine Lippen von seinen und ein Schrei verlässt meinen Mund.
Er setzt sich mit mir in Bewegung und meine Beine klammern sich von alleine um seine Hüften. Auf dem Weg, wohin auch immer, zieht er mir mein Top aus. Stürmisch drückt er seine Lippen auf meine und lässt sich mit mir auf etwas weiches fallen. Sein Bett.
Als seine Hände über meinen BH streichen, wimmer ich in seinen Mund. Jede seiner Berührungen fühlen sich so gut, so atemberaubend an. Etwas vergleichbares habe ich noch nicht erlebt.
Ich bin ihm jetzt schon verfallen und noch ein bisschen mehr als er sich in mich schiebt. Er trifft Punkte, bei denen ich nicht einmal eine Ahnung hatte, dass diese überhaupt existieren. Er lässt mich Sachen fühlen, die mir bis dato fremd waren. Ich keuche, kralle mich an ihm fest und stöhne seinen Namen. Er kommt mir so leicht von den Lippen, klingt so schön.

In dieser Nacht erfahre ich wie es ist, wenn der eigene Name voller Hingabe ausgesprochen wird und wie es ist sich auf jemand anderen einzulassen und selber nicht zu kurz zu kommen. Ich habe so etwas noch nie erlebt und weiß jetzt schon, dass ich es nie mehr missen will.

Völlig geplättet und orientierungslos dringt ein schrecklicher Klingelton zu mir durch und neben mir bewegt sich jemand. Langsam sickern die Bilder der letzten Nacht in mein umnebeltes Gedächtnis und ich spüre meine Wangen heiß werden.
Rayan neben mir brummelt etwas unverständliches. Ich höre nur Worte wie »nicht wichtig«, »Schläge«, dann spüre ich wie sich die Matratze bewegt und es kalt wird. Wimmernd rolle ich mich in die Decke. Ich höre die Tür und dann vernehme ich Rayans Stimme und kurz darauf ein Zuschlagen und ein Fluchen von Rayan.
»Das war für Scarlett«, brüllt eine mir fremde Männerstimme und ich kann nicht mehr im Bett bleiben.
Wer ist Scarlett und was war für sie? Ich werde unruhig und schnappe mir das erst beste T-Shirt und meinen Slip. Schnell angezogen und dann stolpere ich zur Tür.

Rayan steht mit dem Rücken zu mir und scheint sich etwas im Gesicht zu halten. Davor steht ein Typ, der den gleichen Körperbau zu haben scheint, so weit ich das erkennen kann. Rayan versperrt mir etwas die Sicht.

Ich stelle mich neben Rayan, verschränke die Arme vor der Brust und frage: »Rayan, wer ist Scarlett?« Ein Blick in Rayans Gesicht zeigt mir, dass er anscheinend gerade eins auf die Nase bekommen hat und es ihm weh zu tun scheint. Doch das interessiert mich nur bedingt und auch der, der ihn so zugerichtet hat, muss warten. In mir schrillen sämtliche Glocken, die ich auftreiben kann.

»Phoenix, Wohnzimmer ... Alexia auch«, brummt Rayan und ohne ein weiteres Wort lässt er mich mit dem Fremden zurück, denn er verschwindet in der Küche.
Dieser Phoenix schiebt sich an mir vorbei, aber nicht ohne mich vorher einmal von oben bis unten zu scannen. Er ist gruselig. Seine schwarzen Augen schüchtern mich ein. Er sieht gefährlich aus und ziemlich wütend. Sein Bizeps mit den ganzen Tattoos macht es nicht besser. Mit dem nötigen Abstand folge ich ihm ins Wohnzimmer, stelle mich aber in sicherer Entfernung hin, damit ich zur Not schnell die Flucht antreten kann.
Rayan kommt mit Eisbeuteln zurück. Er scheint wirklich Schmerzen zu haben, denn als er sie auf seine Nase legt, verzieht er das Gesicht.

»Phoenix, Alexia. Alexia, Phoenix«, gibt er sehr nasal von sich.
Ja und weiter? So weit bin ich schon. Ich verschränke die Arme vor der Brust.
«Scarlett« ah jetzt wird es interessant. Fliegt mir jetzt alles um die Ohren? Möchte ich es wirklich hören? Unruhig trete ich von einem Bein auf das andere.
»ist die Freundin von Phoenix und ich bringe ihr boxen bei. Was mein bester Kumpel anscheinend herausbekommen hat.«
Das beantwortet meine Frage nicht zufriedenstellend.
»Warum bringst du ihr Boxen bei? Kann er doch anscheinend auch«, gebe ich brummig von mir.
Mit verschränkten Armen stehe ich mittlerweile vor ihm und starre ihn an. Das stinkt doch zum Himmel. »Kleines, mal ernsthaft: Könnte ich dir Boxen beibringen oder würden wir eher nur vögeln?«
Seine direkten Worte machen mich noch wütender und wenn wir in einem Comic wären, würde mir jetzt Rauch aus den Ohren kommen. Das geht den gefährlichen Griesgram doch gar nichts an. Gegen meinen Willen spüre ich die Hitze in meine Wangen schießen und bringe ein Nicken zu Stande.
»Siehst du. Genau aus dem Grund. Nun zu dir, Kumpel.«
Jetzt bekommt der Griesgram sein Fett weg, aber so wirklich höre ich nicht mehr zu, denn die neugewonnene Information muss ich erst einmal verarbeiten.
»... weil ich Alexia hab ...« höre ich noch.
Es sind zu viele Informationen für die frühe Uhrzeit. Ich brauche einen Moment für mich und da scheint mir die Dusche die richtige Entscheidung zu sein. Ohne ein Wort gehe ich ins Bad und lasse Sekunden später das warme Wasser mein Durcheinander wegspülen. Danach fühle ich mich besser, viel besser.

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