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Diesmal ging es im absoluten Rekordtempo die Wilhelmsstraße hinunter bis zum Karlsplatz, ... zum Glück kam gerade keine Straßenbahn ... und von dort mal eben im Gegenverkehr fahrend links in Richtung Friedrichsplatz, dort wieder rechts in Richtung Staatstheater, kurz an der Hauptstraße gucken ... Scheiße ... Autos über Autos, na ja ... Ich trat noch fester in die Pedalen, noch schneller und schneller ...

Augen zu und ... das schaffe ich nooooch ...! -Shit, das war echt haarscharf. Autofahrer hupten durchdringend und schimpften aus den hastig geöffneten Fenstern und Türen heraus hinter mir her. Doch ich hatte gerade echt keine Zeit, um mich jetzt bei denen zu entschuldigen, also winkte ich nur kurz. Aber ich war zumindest heil herübergekommen. Bremsen ist nur für Loser ...! Weiter, ... weiter, schneller strampeln, ... bis die Lunge brennt über den Platz und dann die Du-Ruy-Straße herunter auf den Auedamm-Weg, kürzte am Stadion über das gerade offen stehende Gelände ab und fuhr dort wieder auf den Auedamm, dem ich Gummi gebend bis zur Brücke beim Schwimmbad folgte.

Ich legte mich ordentlich ins Zeug und schwitzte mir den Arsch ab, während meine Beine immer schneller auf die Pedale einhämmerten und meine Schultern wie die Hölle brannten. Ein Blick auf die Uhr, die unbarmherzig herunterzählte ... Immer noch alles okay - alles grün, noch war ein bisschen Zeit, ... schneller, ... schneller und noch einen Gang hochschalten ... Meine Lunge brannte, meine Beinmuskeln jaulten.

Gott - Ich kack gleich ab! Meine Schultern wollten unter dem

Gewicht fast zerbrechen, das immer schwerer wurde, und immer mehr auf bestimmte, schon vorher schmerzende, Stellen drückte.

Endlich kam das kleine Wäldchen ganz in der Nähe vom Bugasee in Sicht, dort fuhr ich mich umblickend den eigentlichen Fußgängerweg entlang, der eigentlich gar keinen Namen mehr hatte, aber wohl immer noch zur Arndtstraße gehören musste. Yes! Gleich war ich schon da und es waren noch ganze drei Minuten Zeit. Was für ein Rekord ...! Ich war die Schnellste, ... die Beste, ... die Wagemutigste ...

Aufjuchzend heizte ich um die letzte Kurve und fuhr die von dichtem Buschweg und Bäumen gesäumte Allee entlang, welche nun wohl wirklich ein Privatweg geworden war. Die armen Spaziergänger und Vögelbeobachter ...

Und dann, tatsächlich am Ende der Allee, standen drei Prachtbauten für Schwerreiche in einigem Abstand zueinander mit riesigen Bäumen und Hecken als Blickschutz. Meine Adresse war natürlich das allerletzte noch um die Kurve liegende Gebäude. Doch das war ... schon kein Haus mehr, oh nein! Sondern ein riesiger Prachtbau. - Meine Güte, war das etwa ein weiteres Schloss in Kassel?!

Verwirrt und atemlos pfeifend starrte ich zu den Türmchen und Balkonen hinauf, die ich hoch über die extrem wuchernden Büsche hinaus aufragen sehen konnte, welche anscheinend wirklich als Blickschutz für den gesamten Bereich der Garten- oder sogar Parkanlage dienten.

Das kleine Schloss hatte eine hellgraue Fassade mit dunkelgrauen Eck- und Grundsteinen und dazu strahlend weiß abgesetzte Fenster, auf dem oberen Balkon vier riesige, weiße Säulen und daneben noch zwei kleinere, aber großartige, barocke, weiße Balkone, dazu ein neues, glänzendes, dunkelgraues Dach mit glänzend glasierten Dachschindeln, keine Ziegel, wohlgemerkt! Das Ding war mindestens drei Stockwerke hoch, wenn nicht gar vier, wie es von hier unten aussah und hatte noch dazu mindestens zwanzig Fenster und eine große Flügeltür an der Seitenfront. Die auf einer großen, weißen Marmorterrasse begann ... Die Hausnummer, die am schmiedeeisernen Gartentor angebracht war, stimmte allerdings mit der von Herrn Gerke genannten überein.

Mann, die mussten echt Kohle haben, diese Leutchen hier, um den Stadtrat zu bestechen, hier bauen zu dürfen und dann auch noch so etwas hier hinzustellen.

Also Zeit gestoppt. Noch fünfundvierzig Sekunden übrig. - Bin ich nun cool oder was? Ich grinste zufrieden. Das sollte Basti mir erst einmal nachmachen.

Das Zeichen der DrachenWhere stories live. Discover now