„Du willst deine Eifersucht ausstellen? Na, viel Glück damit."

Gespielt wütend schlug sie mit einem Sofakissen nach ihm. „Als ob man seine Eifersucht ausstellen könnte. Nein, ich will einfach nur mal beobachten, ob ich irgendetwas entdecken kann, was auf ... keine Ahnung ... mehr zwischen den beiden hindeutet."

Lachend nahm Matthias ihr das Kissen ab. „Schön. Ich helfe dir dabei und halte auch beide Augen offen. Und dann? Wenn du weißt, dass da wirklich nichts ist, was dann?"

„Das sehen wir dann. Weiter kann ich grad echt nicht planen. Als ob man irgendetwas planen könnte, wenn es um Gefühle geht", erwiderte Alexandra: „Darum bevorzuge ich rationales Handeln. Das kann ich planen und wenn andere auch rational handeln, kann ich ihr Verhalten vorhersehen. Das ist angenehm und stressfrei. Gefühle machen einen nur unberechenbar."

Ein Lachen entfuhr Matthias. „Genau, weil du dich auch in Stefan verliebt hast, weil er so vorhersehbar und rational ist, mh? Genau!"

Da musste Alexandra ihm recht geben. Sie hatte sich gekonnt eingeredet, dass sie den flirtenden Stefan, der so gerne in ihre Privatsphäre eindrang und ihre Mauern zum Einsturz brachte, hasste. Dabei war es genau jene Seite von ihm gewesen, die ihr Herz zum Schlagen gebracht hatte. Sicher, der andere Stefan, der höflich war und mit ihr angeregt über Politik oder Literatur sprach, der war nett. Aber wie Stefan selbst gesagt hatte: Nett war der kleine Bruder von Arschloch und war definitiv kein Grund, sich in jemanden zu verlieben. Dass er ihr so mühelos das Gefühl geben konnte, die Kontrolle zu verlieren und vor ihm schutzlos zu sein, das hatte ihr Blut in Wallung gebracht.

Bevor sie darauf jedoch näher eingehen konnte, waren die zwei Stunden, die Matthias für sie Zeit hatte, um. Er entschuldigte sich mehrfach, doch insgeheim vermutete Alexandra, dass er sich heute noch mit seiner Angebeteten treffen würde, und so war sie ihm kein Stück böse. Sie wünschte ihm von Herzen alles Gute, auch wenn ein ungutes Gefühl in ihr nagte. Matthias schien eher wie König Heinrich beim Gang nach Canosssa. Doch er war ein erwachsener Mann und sie war zuversichtlich, dass er heil überstehen würde, was auch immer jetzt auf seinem Terminkalender stand.

Entschlossen, auf andere Gedanken zu kommen, griff Alexandra nach dem Buch, das heute endlich mit der Post bei ihr eingetroffen war. Vielleicht konnte sie die Lektüre über das Wochenende beenden, um dann am Montag mit Stefan über diesen so anderen Wirtschaftsthriller zu sprechen. Oder vielleicht sollte sie ihm auch gar nicht sagen, dass sie es nun hatte. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie unter den veränderten Umständen noch an einem Nachmittag alleine bei ihm in der Wohnung interessiert war.

Achselzuckend schlug sie die erste Seite auf. Sie konnte ihre Gefühle sowieso gerade nicht beherrschen, da machte es keinen Sinn, über die Zukunft nachzudenken. Stattdessen versenkte sie sich tief in das spannende Universum, das ihr Lieblingsautor auch mit diesem Buch einmal wieder geschaffen hatte.

***


„Bevor wir heute die Konferenz beenden", verkündete der Chefredakteur und gewann damit Alexandras Aufmerksamkeit zurück, „habe ich noch eine letzte Sache für euch. Wie ihr alle wisst, haben wir seit einiger Zeit eine Volontärin in unserer Mitte. Sie ist Teil der Online-Redaktion, aber hilft auch an vielen anderen Stellen aus. Unter der großartigen Führung unserer Katharina hat sie sich schnell zu einem wertvollen Mitglied der Redaktion entwickelt. Und heute kann ich erfreut sagen, dass sie mit ihrem Artikel gestern unseren Klickrekord des Monats aufgestellt hat! Nicht schlecht, Frau Berger, nicht schlecht! Ich erwarte noch Großes von Ihnen hier!"

Applaus brandete auf. Peinlich berührt und mit hochrotem Gesicht deutete Alexandra mehrere knappe Verbeugungen zu ihren Kollegen an. Normalerweise wurde der Klickrekord des Monats nur innerhalb des Online-Teams gefeiert. Warum musste sie jetzt so vor allen hervorgehoben werden? Natürlich klopfte ihr Matthias anerkennend auf die Schulter, doch sie selbst fand die Situation eher unangenehm. Klickzahlen sagten nicht unbedingt etwas über Qualität aus, das wusste sie selbst.

Sie sind immer noch mein Chef ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt