Sie nickte, sagte freundlich Danke, und machte sich dann daran, die restlichen Mitteilungen zu Artikeln zu verarbeiten. Katharina blieb neben ihr sitzen, strich sich immer wieder den gerüschten Rock glatt, und nickte ermunternd, während Alexandras Finger über die Tastatur flogen. Vielleicht war das auch einfach Arbeit, die getan werden musste, und blieb heute deswegen an ihr hängen, ohne böswillige Hintergedanken. Wenn sie bis zur Redaktionskonferenz fertig war, hatte sie sicherlich die Möglichkeit, eine richtige Aufgabe zu übernehmen.

***


„Na, ihr zwei Hübschen, schon so fleißig am frühen Morgen?"

Überrascht hob Alexandra den Kopf und starrte über den Rand ihres Bildschirmes zu ihrem Chef, Herrn Winkler, hinauf. Hatte er sie gerade tatsächlich auf diese Weise angesprochen?

„Ich bin immer fleißig, das weißt du doch, Stefan", erwiderte da Katharina lachend: „Und da mir Alexandra unterstellt wurde, sorge ich dafür, dass sie es auch ist."

Oho", meinte der Ressortleiter und hob spielerisch eine Augenbraue: „Noch ganz neu und braucht schon die Peitsche im Nacken?"

Alexandra konnte an dem Tonfall deutlich hören, dass er seine Äußerung nur im Scherz gemeint hatte, dennoch schmeckte ihr der Verlauf dieser Unterhaltung nicht. Sie war anwesend, sie stand direkt neben den beiden – mussten sie so über sie sprechen? Sie zwang ein unverbindliches Lächeln auf ihre Lippen und griff nach ihrem Block und Stift, um sich auf den Weg zur Konferenz zu machen.

„Was du immer gleich denkst! So habe ich das nicht gemeint", entgegnete Katharine lachend und schlug ihm spielerisch gegen den Oberarm.

Interessiert hob Alexandra eine Augenbraue. Daher wehte also der Wind. Während sie hinter den beiden her zur Konferenz ging, beobachtete sie die Interaktionen genauer. Eigentlich war es kein Wunder, dass sich ihre ehemals beste Freundin für Stefan Winkler interessierte. Auf seine ungekämmte Art sah er extrem gut aus, er war charmant, wenn er es wollte, und vor allem war er wesentlich offener als beispielsweise ihr direkter Chef, Philipp Baumann. Und er war Ressortleiter. Das ideale Objekt der Begierde für eine Frau wie Katharina.

Wenn die Scherze zwischen den beiden nicht auf ihre Kosten gegangen wären, hätte sie die Situation vielleicht sogar lustig finden können. So jedoch konnte sie nicht anders, als genervt zu sein von der Flirterei zwischen beiden. Alexandra wusste, dass Katharina in mancherlei Hinsicht eine untypische Frau war, immerhin hatte sie während des Studiums in einem Laden für Videospiele gejobbt. Doch jetzt gerade legte sie das stereotype Verhalten einer klischeehaften Frau hin: lachen, ein paar Schläge, und bloß nicht den Verlauf der Konversation selbst bestimmen. Was das Ganze noch schlimmer machte: Herrn Winkler gefiel das offensichtlich, denn er engagierte sich aktiv in der Unterhaltung, schäkerte und grinste, was das Zeug hielt, und schien sich nicht darum zu kümmern, dass diese Ebene der Beziehung zwischen Boss und Angestellte schwierig sein könnte.

„Die beiden wären ein süßes Paar, oder?"

Überrascht schaute Alexandra nach links. Beinahe aus dem Nichts war eine kleine, kugelige Frau neben ihr aufgetaucht, ein breites Grinsen im Gesicht, wie sie selbst bewaffnet mit einem Block und Kugelschreiber.

„Ich bin Chantal", verkündete sie ungefragt und streckte Alexandra die Hand hin: „Wir hatten noch nicht die Chance. Ich bin Kultur."

Mehrmals blinzelte Alexandra, während sie die Hand schüttelte, ehe sie ein: „Angenehm. Ich bin Alexandra", rausbrachte.

„Sorry für meine Bemerkung", meinte Chantal, den Blick auf die beiden Redakteure vor ihnen gerichtet: „Aber ich hab gesehen, wie du die zwei angestarrt hast. Alle in der Redaktion wissen, dass die zwei ständig flirten. Ziemlich süß."

Sie sind immer noch mein Chef ✔️Where stories live. Discover now