first fake

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Und er kennt seine Grenzen und geht trotzdem zu weit
Kein Glück in der Ferne, nach dem er nicht greift

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CN: Alkoholkonsum


»Harry,Du musst mir helfen!«, ruft Draco aus, kaum dass er die Tür zu Harrys Zimmer aufgerissen hat. Mit ihm stürzt das warme Licht aus dem Flur in den Raum und fällt Harry direkt in die erschrocken aufgerissenen Augen. Draco lässt sich neben Harrys Bett auf den Boden sinken und starrt Harry, der sich mit zusammengekniffenen Augen versucht, an die Helligkeit zu gewöhnen, einen langen, langen Moment einfach nur an.

Der Geruch nach Bier und Zigarettenrauch geht von Draco aus und füllt Harry bald bis in den letzten Winkel; seine Haare sind durchwühlt,seine Wangen und seine Nase gerötet. Harry versucht, seine Müdigkeit weg zu blinzeln und zu verarbeiten, dass es gerade (Blick auf die Digitalanzeige) vier Uhr achtundvierzig ist und Draco betrunken vor seinem Bett hockt. Und dass es wohl an ihm ist, das Gespräch voranzutreiben: »Und womit muss ich Dir helfen?«

»Meine Eltern wollen, dass ich beim nächsten Familienzusammenkommen ein nettes, respektables Mädchen mitbringe!« Dracos Stimme schwankt ein bisschen, man könnte es beinahe als Lallen bezeichnen; seine rechte Hand liegt auf Harrys Bettdecke, der kleine Finger zuckt ungeduldig,sein Kopf ist nach links geneigt und er starrt immer noch, als hoffte er, Harry damit hypnotisieren zu können, um ihn dazu zu bringen, das zu sagen, was Draco hören möchte.


»Dann musst Du wohl das nächste Mal ein nettes, respektables Mädchen mitbringen«, erwidert Harry langsam, bevor er sich erneut unter seine Bettdecke schiebt und sogar versucht, sie sich über den Kopf zu ziehen – was mit größter Wahrscheinlichkeit geklappt hätte,wenn Draco nicht mit nervös-kalten Fingern die Decke wieder zurückgezogen hätte.

»Harry!« Draco scheint sich nicht entscheiden zu können, ob er seine Lautstärke der Uhrzeit angemessen oder seiner Gemütsverfassung entsprechend wählen soll, was das Flüsterschreien aus seinem Mund noch ein wenig verzweifelter klingen lässt. »Woher soll ich bis nächste Woche ein Mädchen herkriegen? Vor allem eins, das respektabel ist?« Harry rührt sich nicht, sondern kneift demonstrativ seine Augen noch fester zusammen. »Harry, ich mein's ernst!« Harry zieht seine Brauen zusammen, sodass sich eine steile Falte zwischen ihnen bildet. »Ich will gar kein Mädchen kennenlernen!« Seine Stimme überschlägt sich und vielleicht öffnet Harry eins seiner Augen. (Aber nur ein klitzekleines bisschen, um Dracos Gesichtsausdruck beurteilen zu können, nicht weil er jetzt schon das Bedürfnis hat, nachzugeben.Sicher nicht deswegen.) »Ich meine, stell' Dir das mal vor! Wenn ich da nächste Woche auftauche und – ba-bämm sexyarm candy ist kein Trophäenweibchen, wie sich mein Dad das gerade vorstellt,sondern – ba-bämm –einnetter, respektabler angehender Polizist mit hervorragenden Manieren und einem ausgezeichneten moralischen Kompass, der ihn stets zu Hilfsbereitschaft und Mitgefühl verleitet. Das wäre doch nett!«

Harry dreht sich genervt stöhnend auf den Rücken, die Augen wieder festgeschlossen, und antwortet: »Vergiss' es.«

»Harry«,quengelig zieht er beide Silben in die Länge, als ob Harry das eher dazu überreden würde, ja zu sagen, »mein Kumpel, mein Freund, mein Lebensretter, mein Sonnenstrahl an einem trüben Tag, komm' schon. Tu's für mich!« Er zieht das von mich auseinander wie frisch gekauten Kaugummi, bis ihm fast die Luft ausgeht.

»Wenn ich Dir sage, dass ich es mir überlege ... gehst Du dann?«, fragt Harry, obwohl er sich ganz und gar nicht geschlagen geben will. Aber er hat die kleine Hoffnung, dass Draco sich von seinem unüberlegten und vollkommen überstürzten Plan abbringen lässt, wenn er erst einmal wieder nüchtern ist.


(Harry darf das niemals aussprechen, weil er weiß, dass es nur zu Ärger führen würde, aber ... Draco und Ron sind sich schrecklich ähnlich,wenn sie betrunken sind. Und das hat ihn niemals in gute Situationen gebracht, obwohl es schrecklich komisch ist, ihnen dabei zuzusehen,wie sie sich gegenseitig hochschaukeln und ein ums andere Mal fast über Tische, Stühle und Tresen gesprungen wären, um Aggressionen auszuleben, die gar nicht existieren würden, wenn sie nüchtern geblieben wären. – Der große Unterschied zwischen ihnen beiden ist wohl, dass man Draco erst anmerkt, wie betrunken er ist, wenn es schon zu spät ist.)


»Lügst Du mich an?«, fragt Draco und lenkt Harrys Aufmerksamkeit wieder darauf, dass er bis eben keine Antwort von seinem Mitbewohner erhalten hat. »Harry, ich weiß, wie das ist, wenn Du lügst. Du willst mich nur loswerden.«

»Ist das denn wichtig?«, will Harry wissen, während er stark zu verdrängen versucht, dass er in nicht einmal einer Stunde aufstehen muss, weswegen es sich kaum lohnt, tatsächlich die Augen noch einmal zu schließen und sich seinem wohl verdienten und nötig gebrauchten Schlaf hinzugeben.

Draco gibt ein aufopferungsvoll klingendes Geräusch von sich, steht auf und beginnt, sich aus seinen nach Zigarettenqualm und Bier stinkenden Kleidungsstücken zu schälen, bis er nur noch in seinen Boxershorts neben Harrys Bett steht. Im nächsten Moment schiebt er seine kalten Knie unter Harrys Decke und sagt: »Du wirst Dich daran gewöhnen müssen, wenn wir nächstes Wochenende bei meinen Eltern sind. Da werden wir uns auch ein Zimmer teilen.«

»Draco, ich mach' das nicht.« Harry weicht unweigerlich zurück und räumt Draco damit genug Platz auf der Matratze ein, dass er ganz in die Wärme eintauchen kann, die Harry hinterlassen hat.

»Doch«,entgegnet Draco, als ob er tatsächlich die letzte Entscheidungsgewalt in der Angelegenheit hätte. »Aber wir müssen vorher schauen, ob wir Dir was Anzuziehen besorgen oder ob Dir vielleicht auch was von mir passt. Wir wollen schließlich nur meinem Vater eins auswischen. Nicht meiner Mum.«


Harry öffnet den Mund, um Draco nochmals zu versichern, dass er mit Sicherheit nicht bei dieser Aktion partizipieren wird, als Dracos Arm sich über seinen Bauch legt und ihn näher zieht, bevor Draco seinen Kopf in seine Halsbeuge legt. Dann schließt er ihn wieder, denn ganz ehrlich? Die letzten dreiundvierzig Minuten, die noch vergehen müssen, bis sein Wecker klingelt, sind ihm wichtiger, als ein aussichtsloses Gespräch mit Draco zu führen. Das kann er auch morgen machen. (Das wird er morgen machen.)

fake it 'til you make itWhere stories live. Discover now