XXIII

2.1K 177 17
                                    

Ich lehnte erschöpft meinen Kopf an die Wand und schloss die Augen. Seit zwei geschlagenen Stunden saß ich bereits hier, vor der Krankenstation und bisher hatte sich niemand um mich gekümmert. Anne hatte sofort Corey versorgt und Mrs. Walsh war in der Bibliothek, den Tatort absichern. Beziehungsweise, sie sah der Polizei zu, wie die das machte. Der köstliche Duft nach Essen drang in meine Nase und mein Magen knurrte laut. Daran, dass ich hier halb verhungerte, dachte offenbar niemand. Gleichzeitig war mir bewusst, wie lächerlich dieser Gedanke war.

Sam war tot und Corey schwebte in Lebensgefahr. Dagegen war es nichts, dass ich einmal das Abendessen verpasste. Endlich öffnete sich die Tür neben mir und Anne kam heraus. Sie lächelte mir freundlich zu, aber ich war definitiv nicht in der Stimmung, ihr Lächeln zu erwidern. Ausdruckslos wandte ich den Blick ab.
,,Faye." Sagte sie und ich blickte erneut hoch zu ihr. ,,Das was du da gemacht hast, war sehr mutig. Du hast Corey das Leben gerettet, ohne deine Maßnahmen wäre sie gestorben."
Ich verzog schmerzerfüllt das Gesicht.

,,Aber Sam konnte ich nicht retten." Erwiderte ich bitter.
,,Das ist nicht deine Schuld." Anne kniete sich neben mich und legte den Kopf schief.
,,Sam wäre an der Wunde, die sie hatte, so oder so gestorben, weil das Herz getroffen war. Niemand hätte sie retten können."
,,Trotzdem." Murmelte ich tonlos und drehte mich ein Stück von Anne weg. Ich hörte sie seufzen, dann stand die Krankenschwester wieder auf.

,,Wie dem auch sei, ich muss wieder rein und mich um Corey kümmern. Ich wollte dir auch nur sagen, dass Mrs. Walsh gleich kommen müsste und... und, dass du das sehr gut gemacht hast."
Ich nickte abwesend und Anne verschwand wieder auf der Krankenstation. Plötzlich hörte ich Schritte, die stetig näher kamen und setzte mich aufrechter hin, im Glauben, gleich Mrs. Walsh um die Ecke kommen zu sehen. Doch stattdessen kam jemand anderes um die Ecke.

,,Ach, hier bist du." Rief Amy erleichtert und beugte sich fröhlich über mich.
,,Ich hab dich die ganze Zeit gesucht." Sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort:
,,Wegen vorhin, ich glaube, du hast das ein bisschen falsch verstanden. Ich... ich stehe natürlich nicht auf dich, ich hab eine Freundin."
Ausdruckslos sah ich zu ihr hoch. Es schien mir schon Ewigkeiten her zu sein, seit Amy mir gestanden hatte, lesbisch zu sein.

,,Und da dachte ich..." sie bemerkte meinen Blick. ,,Was ist los?"
,,Sam ist tot." Erwiderte ich und spürte ein verdächtiges Brennen in meinen Augen.
,,Was?!" Erschrocken riss Amy die Augen auf. ,,Das ist ein Scherz, oder? Sag mir, dass du nur Scherze machst!"
Als ich nichts antwortete, entgleisten Amy alle Gesichtszüge.

,,Scheiße." Murmelte sie und hockte sich neben mich ich den Boden. Im nächsten Moment spürte ich ihre Hand auf meiner Schulter. Ich sah nicht einmal auf. Selbst wenn Amy total in mich verknallt wäre, hätte es mich in diesem Moment nicht interessiert. Ich war dankbar für ein wenig Trost. Plötzlich materialisierte sich Mrs. Walsh vor uns und musterte uns mitleidig.
,,Hallo Faye." Begrüßte sie mich und bedeutete mir, auszustehen.
,,Gehen wir in mein Büro."

,,Kann ich mitkommen?" Fragte Amy und im gleichen Moment sagte ich:
,,Kann Amy mitkommen?" Wäre die Situation nicht so trostlos, hätten wir vermutlich gelacht, aber mein Mund fühlte sich an wie aus Stein, ich war kaum fähig, zu sprechen.
Mrs. Walsh nickte knapp.
,,Wenn du dich dann wohler fühlst, ist es für mich auch okay."

Wir folgten der Direktorin in ihr Büro und nahmen dort auf den heruntergekommenen Stühlen Platz. Amy griff trostspendend nach meiner Hand und drückte sie, ich erwiderte den Druck. Mrs. Walsh sortierte einige Ordner auf ihrem Tisch, legte ein Blatt Papier auf einen Stapel Mappen und schob alles zum Rand ihres Tisches. Ich erhaschte einem Blick auf einen der Ordner und musste schlucken.

Samantha Adams

Die Schulleiterin lächelte uns zu und wandte sich dann an mich.
,,Also Faye, was genau ist vorgefallen?" Wollte sie vorsichtig wissen. Ich schluckte erneut und drückte dann Amy's Hand.
,,Ich bin in die Bibliothek gegangen, weil ich ein bisschen Ruhe haben wollte." Begann ich stockend und erzählte dann haargenau, was passiert war. Ich ließ nicht das kleinste bisschen aus, weder Sam's noch geöffnete Augen noch wie ich das Messer gefunden hatte.

FeuerseeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt