Prolog

6.9K 347 86
                                    

Eine weitläufige Wiese lag, verborgen zwischen hohen Bergen, in den letzten Strahlen der Abendsonne. Das Gras leuchtete in einem fahlen rot, der Wind strich sanft durch das lange Gras, begleitet von einem geheimnisvollen Flüstern. Aber die Idylle hielt einem zweiten Blick nicht stand.

An einigen Stellen auf der Wiese waren verkohlte Stellen, ein paar Meter weiter große Pfützen. Und dann waren da noch die Leichen. Sie lagen überall, einige hatten Verbrennungen, andere ähnelten Wasserleichen, wieder andere zeigten keine Spuren von einer äußerlichen Einwirkung.

Eine Gestalt huschte über die Wiese, folgte den Pfaden des plattgetrampelten Grases und wich den leblosen Körpern aus, die ihren Weg säumten. Es war eine Frau, in eine schwarze Kutte gehüllt, mit kniehohen, ledernen Stiefeln. Trotz des weiten Umhangs konnte man sehen, wie dünn sie war. Ihre Hände, die die Kapuze ins Gesicht gezogen hatten und sie nun dort festhielten, waren knochig, das Gesicht ausgemergelt, Schatten lagen unter ihren Augen. Sie schlotterte in der aufkommenden Kälte der Nacht und bemühte sich, noch schneller zu gehen, doch ihre dünnen Beine konnten sie kaum noch tragen, so erschöpft war sie.

Ein Haufen großer Zelte rückte in ihr Blickfeld, die Frau atmete erleichtert auf und verlangsamte ihr Tempo etwas. Die Zelte kamen immer näher und näher, und dann war die Frau da. Sie waren kreisförmig angeordnet, es gab kaum eine Lücke zwischen ihren Wänden. Nur an einer Stelle stand kein Zelt, wie ein Eingang. Zwei Männer standen rechts und links daneben, der eine war groß und bullig, der andere klein und knochig. Sie trugen schwarze Klamotten und hatten graue Mützen auf.
Die Frau marschierte mit großen Schritten auf die Wachen zu, die sich ihr sofort in den Weg stellten.

,,Wer sind sie?" Rief der Kleine mit einer überraschend tiefen Stimme. ,,Und was wollen sie?"
Der Große Mann knurrte auffordernd.
,,Lassen sie mich durch." Erwiderte die Frau unwirsch. Ihre Stimme hatte einen samtig weichen Klang, trotzdem kamen die Worte hart aus ihrem Mund. Der Kleine schüttelte den Kopf.

,,Wir haben Befehl, Niemanden durchzulassen, der nicht dazu befugt ist. Also, wer sind sie?" Wiederholte er.
Der Große neben ihm grunzte zustimmend. Die Frau ließ die Kapuze los und diese fiel zurück. Lange, rostrote Locken fielen über ihre schmalen Schultern bis zu ihrer Taille. Ihre türkisblauen Augen blitzten auf.
,,Lassen sie mich durch!" Ihre Stimme hatte nun einen gefährlichen Unterton. Sie streckte die rechte Hand aus und richtete sie auf das Gesicht des Großen. Dieser hob erschrocken die Augenbrauen und machte einen Schritt zur Seite.

,,B-B-Bitte, gehen S-S-Sie." stotterte der Kleine und ließ die Frau durch. Sie drehte ihre Haare blitzschnell zu einem Dutt, streifte die Kapuze über und betrat den Kreis zwischen den Zelten. Es war wie ausgestorben, aber die Frau spürte, wie sie aus den Zelten heraus beobachtet wurde. Sie ging schnurstracks auf das größte Zelt zu, das direkt gegenüber des Eingangs war. Bevor sie eintrat, strich die Frau ihre Kutte glatt, zog sich die Kapuze noch tiefer ins Gesicht und rubbelte die gröbsten Flecken von ihren Stiefeln. Schließlich schob sie energisch den Vorhang beiseite, der das Zelt zu einem geschlossenen Raum machte und trat ein. Augenblicklich verstummten die Gespräche im Zelt.

Ein großer Tisch stand in der Mitte des Zeltes, dahinter saßen ein Mann und zwei Frauen. Der Mann war schlaksig, hatte blonde Haare und eine Hakennase. Die eine Frau hatte dunkle Haut, eine schwarze Kurzhaarfrisur, feurig blitzende Augen und eine Menge Muskeln, die sie allerdings nicht männlich, sondern stark und selbstbewusst wirken ließen. Die andere Frau war ebenfalls schwarzhaarig, hatte aber helle Haut und war etwas dicklich.
Alle drei zuckten zusammen, als die Besucherin ihre Kapuze fallen ließ.

,,Azita, wie schön." Meinte die dunkelhäutige Frau, aber obwohl sie sich bemühte, nett zu wirken, hatten ihre Worte einen steifen, unfreundlichen Unterton. ,,Wie kommen wir zu deinem Besuch?"
Azita setzte sich auf einen freien Stuhl und rückte an den Tisch.

,,Machen wir uns nichts vor, Yara. Niemand von euch findet es schön, mich hier zu haben." Sie lehnte sich zurück. ,,Außerdem bin ich nicht hier, um Höflichkeitsfloskeln auszutauschen."
,,Was willst du dann?" Fragte der Mann zögerlich.
,,Ich will mit euch verhandeln." Verkündete Azita. ,,Ich will ehrlich zu euch sein, Schluss mit den Lügen. Ihr habt fast alle meiner Leute umgebracht, ich bin am Ende. Deshalb bin ich bereit, mich zurückzuziehen. Ich will nicht auch noch mein Leben verlieren."

,,Du siehst in der Tat sehr... dünn aus." Meinte die mollige Frau spöttisch.
Azita schoss nach vorne und blitzte die Frau an.
,,Halt den Mund, Aria!" Fauchte sie. ,,Du selbst hast uns alle Vorräte gestohlen, obwohl du eh schon viel zu dick bist!"
Die Angesprochene zuckte zurück, die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben.
,,Wir wollen nichts überstürzen." Der Mann hob beschwichtigend die Hände. ,,Also, Azita, was verlangst du?"
Azita lehnte sich wieder zurück, ließ die dicke Frau aber nicht aus den Augen.

,,Ich werde mich zurückziehen, dafür werdet ihr uns nicht mehr angreifen. Außerdem werde ich freiwillig aus dem Bund austreten, zusammen mit all meinen - noch lebenden - Anhängern. Im Gegenzug erwarte ich, dass ihr mich nicht mehr mit solchem Kram nervt. Also, was sagt ihr?" Ihre Augen wanderten langsam die Reihe ihrer Gegenüber auf und ab. Während Aria trotzig ihre Arme vor der Brust verschränkt hatte, sahen der Mann und Yara nicht abgeneigt aus.

,,Wir müssen uns beraten." Keifte die dicke Frau. ,,Warte hier."
Yara guckte sie überrascht an, dann nickte sie.
,,Wir beeilen uns." Versprach sie und die drei verließen das Zelt. Azita wartete kurz, dann stand sie auf und wanderte im Zelt auf und ab. Nach fünf Minuten kamen endlich Yara, Aria und der Mann zurück.

,,Wir haben uns entschlossen." Begann der Mann. Azita schnaubte.
,,Soso, Xanthos. Ihr habt euch entschieden." Sie warf Aria einen Blick zu. ,,Ich denke, wir alle wissen, wer bei euch das Sagen hat."
,,Hast du gelauscht?" Hakte Aria nach.
,,Nein, aber ich kenne dich schon etwas länger, wie du vielleicht noch weißt." Azita lächelte scheinheilig.

,,Nun hört schon auf!" Ging Yara dazwischen. ,,Also, Azita, wir haben beschlossen, dass..."
,,Dass man dir nicht vertrauen kann!" Unterbrach Aria ihre Genossin. ,,Deshalb gehen wir nicht auf deine Forderungen ein! Und weil wir nicht wollen, dass du noch mal angreifst, wirst du dieses Zelt nicht mehr verlassen. Zumindest nicht lebend!"

,,Ihr wollt mich umbringen." Kombinierte Azita. ,,Mich beseitigen."
,,Also... so wie du es sagst..." begann Xanthos, aber Azita redete schon weiter.
,,Wie ihr es mit allen anderen vor mir auch getan habt. Das hätte ich mir denken können. Ihr seid eben doch miese Typen."

Sie fixierte Yara.
,,Ich dachte früher mal, wir könnten Freunde sein. Aber da hab ich mich wohl getäuscht."
Ihr Blick wanderte weiter zu Xanthos.
,,Und du. Dich geht das hier eigentlich überhaupt nichts an, aber du musst ja überall deine Nase reinstecken. Dass du so hinterhältig bist, hätte ich mir Denken können."
Dann sah sie Aria an.
,,Du..." stieß sie hervor. ,,Du warst meine Freundin. Hast mir geholfen. Mich gemocht. Hättest alles für mich getan. Und ich für dich. Und jetzt willst du mich umbringen." Sie lachte bitter auf.
,,Wenn das nicht wahre Freundschaft ist."
Yara und Xanthos sahen zu Boden, Aria hingegen hielt Azita's Blick stand.

,,Nun gut." Azita senkte den Blick. ,,Ich hätte gegen euch sowieso keine Chance. Also werde ich mich nicht wehren. Nur macht es kurz."
Sie sah wieder hoch, in ihren Augen lag das Wissen derer, die kurz vor dem Ende stehen.
,,Aber lasst euch gesagt sein, ich werde wiederkommen. Eines Tages werde ich wiederkommen und dann bin ich diejenige die andere umbringt." Sie grinste dreckig. ,,Ja, eines Tages werde ich mich rächen. Feuer wird siegen und alles verbrennen, was ihm im Weg ist!"

Aria wirkte wenig beeindruckt. Sie streckte ihre rechte Hand aus und richtete sie direkt auf Azita's Herz. Zögernd legte Xanthos seine Hand hinter Aria's und wandte den Blick ab. Yara sah Azita entschuldigend an.
,,Das wollte ich nie." Formte sie lautlos mit den Lippen. Dann legte sie ihre Rechte auf Xhantos' Hand und kniff die Augen zusammen.

Grelles Licht erfüllte das Zelt, ein Blitz zuckte aus den drei Händen und stieß in Azita's Brust, die stocksteif dastand und sich nicht rührte. Fast augenblicklich verschwand der Blitz wieder und mit ihm auch das grelle Licht.
Azita sackte leblos in sich zusammen.

_____
(1368)
Na, wie hat euch der Prolog gefallen? Schreibt's in die Kommentare?
🖤MissWriter13

FeuerseeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt