Dunkelheit

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Das hab ich ja mal wieder toll gemacht.

Nach einer ewig langen Ansprache meiner Eltern, einer Verlängerung meines Hausarrest und der Verhängung von Fernseh- und Computerverbot, liege ich endlich in meinem Bett. In gerade einmal drei Stunden muss ich schon wieder auf stehen, um mich für die Schule fertig zu machen.

Doch anstatt zu schlafen drehen sich meine Gedanken im Kreis. Ich bin so verdammt wütend auf mich selbst, dass ich so dumm war, und abgehauen bin. Andererseits bin ich wütend auf meine Eltern, dass sie so streng sind. Zu dem könnte ich Jensen eine reinhauen, dafür, dass er mich zu alle dem bringt. Nur wegen ihm, bin ich gegangen und kam so spät nach Hause. Trotzdem weiß ich, dass ich ihm nicht die Schuld geben darf. Er wollte schließlich nicht, dass ich Ärger bekomme und er hat auch nie etwas von mir verlangt. Ich bin aus freien Stücken abgehauen. 

Frustriert stöhne ich auf. Das alles verwirrt mich so. Ich bin wütend, kann mich aber nicht entscheiden auf wen. Zudem kommen meine Gefühle für Jensen. Ich befürchte, dass ich mich da wieder in etwas reinsteigere. Für ihn bin ich vermutlich nur eine Affäre von vielen, während ich mir schon Gedanken mache, wie es wäre ihn meiner Familie vorzustellen. Von dieser Vorstellung sollte ich mich möglichst schnell trennen. Zum einen würde es sowieso nie soweit kommen, zum anderen, würden meine Eltern mich umbringen. Vor allem nach alle dem jetzt.
Wenn sie erfahren würden, dass ich wegen diesem Mitglied der Eagles Nachts unterwegs wäre, würden meine Sachen schneller vor der Haustür liegen, als ich gucken kann.

Die wenigen Stunden zum Morgengrauen vergehen viel zu schnell, und so schalte ich den Wecker aus, ohne nur eine Minute geschlafen zu haben. 
Kurz blicke ich auf meinen Stundenplan, bevor ich die nötigen Sachen in meinen Rucksack packe. Technik, Deutsch, Mathe, Sport. 

Entsetzt wandern meine Augen von meinem Stundenplan auf meinen Kalender, bevor ich panisch mein Notizbuch raussuche und die letzten Seiten aufschlage, wo ich meine Klausurtermine notiere. Ich habe tatsächlich vergessen für meine Mathearbeit zu lernen, die ich heute schreibe. Eher gesagt, habe ich vergessen, dass ich sie überhaupt heute schreibe. Ich bin tot. Ich bin sowas von tot.

Zwar bin ich nicht sonderlich schlecht in Mathe, aber eine Klausur ohne zu lernen zu schreiben, ist auch für mich beinahe unmöglich. Verzweifelt lasse ich mich auf meinen Stuhl fallen und überlege, ob ich nicht die ersten Stunden schwänzen sollte, um noch mal ein wenig lernen zu können. Von diesem Plan muss ich mich leider schnell verabschieden, da wir in Technik heute unsere letzte Stunde haben, bevor wir auch da unsere Klausur schreiben. Das kann ja was werden.

Mit einem flauen Gefühl im Bauch mache ich mich fertig. Mein Frühstück packe ich mir ein. Jetzt kriege ich garantiert keinen Bissen herunter. Stattdessen kippe ich eilig zwei Tassen Kaffee herunter und verlasse das Haus.
Glücklicherweise spüre ich schon nach wenigen Minuten, wie das Koffein sein Werk verrichtet und die Müdigkeit meinen Körper verlässt. 
Im Bus setzte ich mich möglichst abseits von meinen Klassenkameraden und stecke mir Kopfhörer in die Ohren, ohne Musik anzumachen. Normalerweise bin ich nicht so. Ich unterhalte mich gerne mit den anderen während der Fahrt, aber heute ist mir nicht danach zu Mute. Viel zu viele Gedanken schwirren in meinem Kopf umher.

Manchmal frage ich mich, ob Gott, oder wer sonst da oben ist, das absichtlich macht. Das Leben gut laufen zu lassen, um dann auf einmal scheinbar alles gleichzeitig kaputt gehen zu lassen. Erst wiegen wir uns in Sicherheit, nur um dann kaputt zu gehen. 

Nach einer ewig langen Busfahrt und noch längeren Unterrichtsstunden, suche ich mir meinen Platz für die Klausur aus. Hinten und am Fenster, so wie immer. Selbst wenn ich nicht spicke, fühle ich mich vorne immer so beobachtet und unter Druck gesetzt. Mit der Zeit füllt sich der Raum, meine Mitschüler stellen aufgeregt ihre letzten Fragen und diskutieren über mögliche Lösungen. Alles kommt mir so fremd vor. Als wäre die letzte Stunde Wochen her, oder als hätte ich das ganze Thema lang nicht aufgepasst. Dabei hatten wir erst Donnerstag noch Unterricht, wo ich alles super verstanden hatte.

Wie die Nacht zum Tag wurdeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt