Tanz

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Sie war schon lange nicht mehr hier gewesen.

Hatte die unberührte Schönheit dieses Ortes vergessen.

Ihr Blick glitt über die hölzernen Wände und Decken, die mit prunkvollen Schnitzereien verziert waren, und über die gläsernen Wände, die, egal wo man sich gerade aufhielt, hinaus in den unendlichen Wald zeigten.

Es war ein Ort voller leben.

Ein Ort des Lebens selbst.

Denn wenn man ganz genau hinhörte, konnte man das Knarzen des Baums hören, in welchen dieser Palast hineingebaut war.

Der Hof ihrer Schwestern.

Ein Wunderwerk für sich.

Doch heute hatte sie keine Zeit noch länger in diesen Gängen herumzustöbern.

Sie hatte schon zu lange in ihrer Kammer gesessen und sich ihren dunklen Gedanken hingegeben.

Der Tod hatte nicht auf sie gewartet und so musste sie sich selbst ihren Weg durch die verwinkelten Gänge suchen.

Doch als sie die lieblichen Klänge einer Melodie vernahm, die klangvoll durch die Gänge hallte, folgte sie ihr.

Mit jedem Schritt den sie tat, wurde die Melodie lauter und führten sie zu einem Saal.

Doch obwohl sie nicht wusste, was genau sie erwarten würde, war sie doch geschockt über dem Anblick der sich ihr bot.

Tanzende Elfen nahmen den Saal in besitz.

Sie schwebten über den Boden, verwoben sich mit Armen und Beinen miteinander, warfen sich in die Luft, um kurz darauf wieder auseinander zu gehen, und drehten Pirouetten.

Es war zu viel, zu komplex, als das sie es hätte mit Worten beschreiben können.

„Zeit!", die liebliche Stimmer ihrer Schwester ließ sie sich von diesem Anblick abwenden.

Das Leben kam auf sie zu, ihr langes goldenes Haar flog hinter ihr her.

„Zeit, meine Schwester, ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht." Sie hörte die Trauer aus ihrer Stimme sprechen.

Die Zeit antwortete nicht, sondern zog ihre Schwester in eine stumme Umarmung.

Lauschte ihrem Atem, dem gleichmäßigen Schlagen ihres Herzens, als ob sie eine Bestätigung brauchte, dafür dass all dies die Wirklichkeit war.

Erst nach einer Weile fragte sie:

„Warum tanzen sie?"

Ihre Schwester blickte zu ihr hoch, die tiefen Ringe unter ihren grünen Augen zeugten von den schlaflosen Nächten, die auch sie hinter sich hatte:

„Sie tanzen, weil sie trauern."

Stille breitete sich wieder zwischen ihnen aus.

Die Zeit blickte wieder zu den tanzenden Elfen, sah nun genauer hin, achtete nicht auf das Bild, was sie als Einheit boten, sondern auf die einzelnen Tänzer.

Das Ende der Unendlichkeit ~ Die Chroniken der fünf GeschwisterWhere stories live. Discover now