Prolog

153 28 28
                                    

„Sie kommen", flüsterte die Natur, „Hört ihr ihre Schreie nicht? Sie brennen. Lichterloh. Sie weinen vor Schmerzen, sie schreien!"

„Natur", flüsterte die Zerstörung, „Hör nicht hin, wir können nichts tun."

„Seid leise!", wies die Zeit sie an, „Sonst finden sie uns!"

„Sie finden uns sowieso", sagte der Tod.

„Sag so etwas nicht!", wisperte das Leben.

„Können wir denn gar nichts tun?", fragte die Natur, ihre Stimme war hohl, voller Schmerz.

„Nein", antwortete der Tod, „Schon seit langem ist unsere Zukunft verloren. Nicht wahr, Zeit?"

Die Zeit blickte betrübt zu Boden und schüttelte kaum merklich den Kopf.

„Dort war immer noch ein kleines Licht. Doch es ist erloschen.", war alles was sie darauf sagte.

„Wieso hast du uns denn nichts gesagt!", die Stimme des Lebens war am Zittern,

„Wir hätten etwas tun können, Zeit!"

„Nein, das hätten wir nicht", sagte die Zerstörung und legte ihre Hand beruhigend auf die Schulter des Lebens.

„Die Zerstörung hat recht; Wir hätten nichts tun können. Wir haben uns dieses Schicksal selbst zu verdanken.", die Zeit wendete sich von ihren Geschwistern ab und ging zu einem der kleinen Fenster, die die Wände des Turms säumten.

Dort draußen sah sie die Flammen toben, sie fraßen sich durch den Wald und ließen nichts als Tod und Verdammnis zurück.

Doch das erschreckende war, wie nah sie schon waren: nur noch ein paar Meter von den Fenstern entfernt. Wenn das Glas nicht gewesen wäre, hätte sie nur ihre Hand ausstrecken müssen und sie hätte die Wärme spüren können.

Und wenn die Flammen schon so nah waren, dann konnten die Menschen auch nicht mehr fern sein.

„Als wir sie erschaffen haben, haben wir den Weg der Verdammnis gewählt. Wir waren zu gierig und wollten zu viel...", die Stimme der Zeit wurde durch einen markerschütternden Schrei der Natur unterbrochen.

Alle blickten zu ihr und sahen wie sie zu Boden fiel.

Sich krümmte vor Schmerz und elendig weinte.

„Ihr Licht vergeht.", flüsterte der Tod.

„Nein.", schrie das Leben und schlug die Hand der Zerstörung von ihrer Schulter, „ Das darf nicht sein! Zeit, so tu doch was!".

Doch die Zeit war wie versteinert und blickte starr auf ihre sterbende Schwester.

Erst als die Schreie der Natur versiegten und die letzte Träne in die Pfütze unter ihrem Kopf fiel, sagte die Zeit: „Ich kann nicht."

Graue Adern fingen an sich durch die bleiche Haut der Natur zu fressen, und bildeten ein Spinnennetz über ihren kompletten Körper, bevor sie endgültig zu Staub zerfiel.

Nichts als ein Häufchen Staub blieb von ihr übrig.

Die Geschwister blickten voller Entsetzten auf die Stelle, wo vor wenigen Augenblicken noch ihre Schwester gelegen hatte.

Das Leben war die Erste, die voller Wehmut anfing zu schreien.

Nach und nach setzten ihre Geschwister ein, bis ihre Schreie zu einem Chor aus Schmerz wurden.

Es erfüllte die Nacht und ließ die Menschen vor ihren Fenstern für einen kurzen Augenblick inne halten.

Sie wussten, was passiert war.

Doch anstatt, dass sich Reue auf ihren Gesichtern ausbreitete, ihnen bewusst wurde, was sie dort taten,

fingen sie an zu lächeln.

Sie freuten sich.

Doch nur die Zeit stimmte nicht in die verzweifelten Schreie ihrer Geschwister ein.

„Wir haben zu viel gewollt.", flüsterte sie, „Zu viel."

„Und so erschufen wir unsere eignen Schlächter",

ihre Worte gingen in den Schreien unter.

Im Knistern der Flammen, die ihren Tod einläuten.

Ihre Zeit lief ab.

Und so begann die Unendlichkeit ihre letzten Sekunden abzuzählen.

Das Ende der Unendlichkeit ~ Die Chroniken der fünf GeschwisterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt