Neuntes Kapitel

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Neuntes Kapitel
Jemand, der die Scherben wieder zusammenklebt
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Als ich am Samstag aufwache, spüre ich ein beklemmendes Gefühl in meiner Brust. Dieses Mal liegt es nicht daran, dass ich tags zuvor Levin gesehen habe. Der Gedanke daran macht mich immer noch ganz wütend. Wie er mich in einer Tour provoziert hat, werde ich nicht so schnell vergessen.

Nein, dieses Mal ist etwas anders als sonst. Ich wälze mich im Bett herum, finde jedoch keinen Schlaf und schaue auf mein Handy. Mehrere Personen haben mir geschrieben.

Ach ja. Heute ist mein 18. Geburtstag.

Eigentlich mag ich keine Geburtstage.

Man wird gefeiert, ein Jahr älter zu sein. Die Leute beglückwünschen dich, sie schenken dir Geschenke für etwas, was nicht einmal du selbst getan hast. Nein, du selbst hast eigentlich nur deiner Mutter fatale Schmerzen bereitet; den Rest hat sie erledigt. Eigentlich sollte man an Geburtstagen Mütter feiern.

Ich schließe die Augen und pfeffere mein Handy zurück in die Kissen. Da ich aber ohnehin schon wach bin, wandern meine Gedanken wie von selbst zum gestrigen Tag zurück - zu Levin. Aus irgendeinem Grund scheint es ihm zu gefallen, mich zu ärgern.

Eigentlich wäre er irgendwie mein Typ, wenn er nicht so verdreht im Kopf wäre. Obwohl es manchmal gut ist, verdreht im Kopf zu sein. Heißt das dann, dass er mein Typ ist?

Ich schüttle den Kopf und schließe wieder die Augen, doch dann höre ich, wie sich Schritte nähern und jemand meine Zimmertüre öffnet. Ich versuche bestmöglich so zu tun, als würde ich schlafen, und offensichtlich ist meine Inszenierung überzeugend, denn die Türe schließt sich leise und die Schritte entfernen sich. Ich will nicht aufstehen.

Aber dann tue ich es natürlich doch. In der Hoffnung, das Flo und Ma nicht da sind.

Ma ist wahrscheinlich gerade am Wochenmarkt, der immer samstags stattfindet, aber Flo ist da.

»Guten Morgen, Geburtstagskind!«, ruft er laut, als ich die Küche betrete. Es riecht köstlich nach Palatschinken. Flo kommt sofort zu mir und zieht mich in eine feste Umarmung. »Alles Gute!«

»Danke«, krächze ich und löse mich aus dem Klammergriff. Flo weiß ganz genau, dass ich kein Freund von Geburtstagen bin, weshalb er es umso mehr liebt, mich zu zelebrieren. Das ist seine Art des Nervens.

»Es ist doch schön, so ein kleines Schwesterchen zu haben«, murmelt Flo und kneift mich grinsend in die Wange, wie meine Oma es immer getan hat. Grimmig schiebe ich seine Pfoten zur Seite und schenke mir etwas Orangensaft ein.

Ich setze mich mit einem mulmigen Gefühl an den Küchentisch und betrachte Flo, wie er seinen Eiweißshake trinkt. Ich habe diese Shakes einmal probiert und beinahe wieder ausgekotzt, weil ich den Geschmack so widerlich fand, aber Flo liebt sie.

»Sind die Palatschinken für mich?«, frage ich und recke den Hals, um zu sehen, was beim Herd vor sich geht.

»Pff, nur weil du Geburtstag hast, denkst du, ich mache Essen für dich?«, fragt Flo amüsiert. »Spaß. Ich hab sie für uns beide gemacht.«

»Lecker. Danke«, sage ich mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen.


* * *

Den ganzen Tag mache ich nichts, außer in meinem Bett zu liegen, mir eine Serie nach der anderen reinzuziehen und alles, was ich finde, zu futtern. Der siebzehnte September ist der Tag, an dem ich schlicht und ergreifend mein Bett nicht gerne verließ. Ich summe gerade die Titelmelodie von Friends mit, als mein Handy zu klingeln beginnt. Wahrscheinlich ist es irgendwer, der mir zum Geburtstag gratuliert, woraufhin ich nicht weiß, was ich sagen soll, es zu einer unangenehmen Stille kommt und ich dann irgendwann einen Stressanfall vorspiele, um auflegen zu können.

Fetzen zwischen Gas und Bremse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt