Zweites Kapitel

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Zweites Kapitel

Irgendwas mit Ebenholz und Kakerlaken

Wenn man also Cynthias verdrehtem Sinn für Humor Glauben schenken will, ist die beste Möglichkeit, einen Kerl für sich zu gewinnen, ihn eifersüchtig zu machen.

Aber wie zum Teufel soll das gehen?

Ich schnappe mir einen Typen, der halbwegs passabel aussieht, turtle mit ihm vor meinem Eroberungskandidaten — wie Cynthia es auszudrücken vermochte — herum und das soll dann irgendeinen Drang bei letzterem auslösen, mich für sich zu gewinnen?

Diese Anleitung ist in meinem Kopf genauso lückenhaft wie Schweizer Käse. Ich zweifle daran (und ein bisschen an meinem Verstand), dass das funktioniert. Dass ich bereit bin, alle Register zu ziehen, um Oliver für mich zu gewinnen.

Der Plan Oliver-für-mich-zu-gewinnen steht also. Jetzt geht es nur noch um kleinere Einzelheiten ... wie so ungefähr die wichtigste Person in meinem ganzen Plan: Der Typ, der mir dabei helfen soll, Olis Eifersucht anzufeuern.

Abgesehen davon, dass ich meine Erfahrungen mit Jungs an einem Finger abzählen kann, kenne ich auch gar nicht zu viele Typen. Schon gar nicht solche, die sich für diese fiesen Machtspielchen missbrauchen lassen.

Am liebsten wäre mir die Art Kerl, die ich nicht leiden kann. Irgendwer, bei dem es mir egal wäre, ob ich ihn für meine Zwecke »benutze«. Aber ich kenne keine solche Person. Da wären wir gleich beim nächsten Problem: Wie erzähle ich dem Typen dann überhaupt von meinem Plan? Und ... was springt dabei für ihn heraus?

Ich vertage die Entscheidungen vorerst, weil mir keine Antworten einfallen. Außerhalb der Schule kenne ich kaum Leute und von denen in der Schule würde sich garantiert keiner auf einen so perfiden Plan einlassen – keiner jedenfalls, der Oliver wirklich interessiert.

*

Als ich mich am Donnerstag dem Schulgebäude nähere, erblicke ich eine diffuse, riesige Menschenmenge. Einige Schaulustige haben sich zu einer regelrechten Traube formiert. Irgendwo inmitten der Schüler:innen erblicke ich Merles blonden Haarschopf, weshalb ich mich dazu durchdringe, einen näheren Blick auf das Geschehnis zu werfen. Es ist allerdings kein einfaches Unterfangen, mich durch die Leute zu zwängen, denn sie stehen so dicht, dass ich kaum durchpasse.

Die kleine Fußgängerzone vor dem Gebäudekomplex ist normalerweise nur gegen vierzehn Uhr so gut besucht, wenn die meisten den Unterricht beenden. Vor allem die Oberstufenschüler:innen stehen dann noch in Kleingruppen zusammen, wovon die meisten rauchen.

Ich schiebe mich durch die Menschenmauer hindurch — und werde prompt hellhörig, als ich höre, wie jemand rappt. Ich kenne mich mit Deutschrap kaum aus, doch ich bin mir sicher, dass es irgendein Song von Capital Bra oder RIN ist.

Als ich näherkomme und endlich einen Blick auf das Geschehen werfen kann, sehe ich, dass Jules dort in der Mitte steht. Überrascht schnappe ich nach Luft, doch den anerkennenden Blicken meiner Mitschüler zufolge bin ich nicht die Einzige, die von Jules' verstecktem Talent keine Ahnung hatte.

»Wen soll ich ficken, Nadine oder Melanie? Bitte, vergleich nicht deinen Ford mit ei'm Ferrari. Hajde, bra, c'est la vie, ich muss jetzt weiter. Gib mal einen Fick auf die Neider*«, rappt Jules. Es sieht komisch aus, weil er passend dazu mit den Händen wippt und sein Käppi falsch herum aufgesetzt hat. Naja, auch wenn man das Ralph Lauren Zeichen jetzt nicht sieht, heißt das nicht, dass ihn das mehr zu einem Rapper mit russisch-ukrainischen Wurzeln aus der Berliner Untergrundszene macht. Aber vielleicht fühlt es sich jetzt so an, was weiß ich.

Als ich mich endlich ganz nach vorne durchgeboxt habe, erkenne ich, dass Jules nicht der einzige Typ ist, der inmitten der Menschentraube seine Künste unter Beweis stellt. Ihm gegenüber steht nämlich ein anderer Kerl. Er ist groß, schmal gebaut, hat dunkle Haare und trägt rote Shorts.

Fetzen zwischen Gas und Bremse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt