Der Geschichte Anfang

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Es hätte Abend sein müssen. Es hätte Abend sein müssen, denn es war dunkel und windig und der Hafen lag im Nebel. Ja, es hätte wirklich Abend sein müssen, dann hätte sich alles ganz anders zugetragen. Wäre Abend gewesen, so hätten in der alten Hafenspelunke die drei Schiffskapitäne bei einem Glas Rum an ihrem Stammtisch gesessen, von dem aus man die einfahrenden Schiffe beobachten konnte. Wäre Abend gewesen, hätten sie vielleicht den gigantischen Frachter gesehen, der an diesem Tag um Punkt zwölf hier vor Anker gehen würde. Doch es war Mittag, viertel vor zwölf, um genau zu sein, in der Spelunke brannte kein Licht, so war niemand da, der das Geschehene hätte verhindern können. Wäre Abend gewesen, so wäre die schöne Katerine nicht eben in dem Moment vorbeigekommen. Doch so war es und weil eben Mittag und nicht Abend war, trug sich alles genauso zu, wie ich es jetzt zu erzählen versuchen werde.

Rodrigo stand am Pier. Mit zitternden Händen versuchte er vergeblich, sich eine letzte Zigarre anzuzünden. Sein Hemd war nass, teils vom Schweiß, teils von der feuchten Nebelluft. Seine Hose und Schuhe waren voller Tang und zeugten von einem beschwerlichen Morgen. Gespannt und doch voller Angst erwartete Rodrigo ein ganz bestimmtes Signal. Sein Blick ging ins Leere. Die Minuten schienen unendlich lang, die Zeit schlich träge dahin. Dann, endlich, vier Minuten vor zwölf, hörte er es. Ein mal kurz, einmal lang, das Nebelhorn eines Dampfers. Langsam sah Rodrigo in der Ferne die Umrisse eines Schiffes sich abzeichnen, seine Finger verkrampften sich und er ließ seine letzte Zigarre - und es sollte wahrhaftig seine letzte sein - ins Meer fallen.

Katerine Kortess machte sich auf den Weg zur Arbeit. Eine wichtige Besprechung stand heute auf dem Plan und das Überleben der Firma könnte davon abhängen. Ein großer Konzern wollte Ihre kleine Firma aufkaufen und sie würde ihr ganzes Geschick und ihre Sprachgewandtheit spielen lassen müssen. Ein letztes Mal kontrollierte sie ihre Frisur im Rückspiegel, dann startete sie ihren Käfer und bog schon um die nächste Ecke.

Die Baronin von Adelburg war indes besorgt um ihren Philodendron. Seit einiger Zeit ließ er alle Blätter hängen und wollte sich einfach nicht erholen. Sie sah auf die Uhr - zwei vor zwölf. Jeden Moment konnte die Fracht ankommen.  10.000 Kisten Bananen aus Südafrika. Doch nicht die Bananen waren der Grund, warum Rodrigo jetzt am Pier stand und zitternd auf die Ankunft des Frachters im Hafen wartete, sondern die 100 Tonnen Kokain, die unter der Schale versteckt waren.

Wäre Abend gewesen...Where stories live. Discover now