Run || Kapitel 1: Isabelle auf Hawaii

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Kapitel 1
Isabelle auf Hawaii

Ich presste die Wange an das kühle Glas der riesigen Fensterfront und starrte die Tür an. Ich war stinkwütend. Hätte Hawaii nicht wenigstens kalt und grau und laut sein können? Weniger freundlich und sonnig? Aber nein. Natürlich nicht. So lief das Leben schließlich nicht.

Und du weißt, dass das Leben nicht nach deinen Regeln spielt, hallte plötzlich die Stimme meiner Mutter durch meinen Kopf. Fast so, als stünde sie neben mir. Aber, das würde sie ja schließlich nie wieder. Was mich auch schon wieder zu meiner bescheidenen Situation brachte.

Niemals hätte ich mir vor einigen Tagen vorgestellt, dass ich jetzt in dieser verdammten Scheiße sitzen würde. Gerade jetzt, wo ich doch im 2. Jahr der Assistenzarzt-Ausbildung startete. Aber nein. So funktionierte das bei mir ja nicht. Ich hätte mein Leben genauso gut die Toilette runter spülen können... Da hätte ich wahrscheinlich bessere Aussichten gehabt. Ein bitteres Lachen drang über meine Lippen und ich horchte auf, als Schritte vor der Tür erklangen. Mein Blick glitt hektisch und zugegebenermaßen auch ein wenige irre über die Einrichtung in diesem Raum. Unfassbar, wie etwas so hübsches so hässlich auf dich wirken konnte, wenn du nicht hier sein wolltest.

Nichts konnte mir als Waffe dienen, also postierte ich mich vor der Tür und ballte die Hände zu Fäusten.

"Isabelle? Ich komme jetzt rein. Es ist alles gut", rief Colton West vom anderen Seite der Tür aus und öffnete sie einen spaltbreit. Als hätte er meine ziemlich feindseligen Gefühle empfangen, hielt er inne und schob hinterher:" Tu bloß nichts Dummes." Ha, ich und was Dummes tun? Nie im Leben.

Kaum hatte er den Raum betreten, stürmte ich los und duckte mich unter seinem Arm hindurch. Nur um von der anderen Seite an der Hüfte gepackt und ins Zimmer gezerrt zu werden.

"Großer Gott, Isabelle. Ich sagte doch, keine dummen Aktionen", knurrte er und eine Strähne seines dunkelblonden Haars fiel ihm in die Stirn. Ich wandte den Blick von seinem unverschämt attraktiven Gesicht ab und riss mich los. Wütend schob ich mir eine Strähne hinters Ohr und verschränkte die Arme unter der Brust. Ich trug nur ein Tanktop und eine Shorts und fühlte mich plötzlich nackt und verletzlich. Colton folgte meiner Bewegung und reichte mir seine Lederjacke. Skeptisch schaute ich zwischen dem Kleidungsstück und ihm hin und her. Sein grimmiger Gesichtsausdruck wurde weicher und ich bemerkte, wie er sich das Grinsen verkniff. Doch seine blauen Augen blieben weiterhin distanziert.

"Komm schon, ich beiße nicht. Und die Jacke tut es auch nicht", meinte er und ich zog die Augenbrauen hoch. Er vielleicht nicht, aber für mich konnte ich nicht garantieren. Selbst wenn ich tief in mich hinein horchte, konnte ich nicht herausfinden, was ich wirklich wollte.

Ich war weiß Gott nicht vollkommen verblödet. Dennoch war ich hin und hergerissen. Es fiel mir so schwer mir klar darüber zu werden, was ich eigentlich fühlte. Auf der einen Seite war mein Leben, alles woran ich je geglaubt hatte einfach zerstört worden, was offensichtlich ziemlich scheiße war. Wut, Trauer, Angst, Ungewissheit, Verwirrung. All das empfand ich...irgendwie. Aber da war noch diese andere Gefühlswelt in mir. Und ganz ehrlich, die gefiel mir gar nicht. Denn es konnte nicht gesund sein sich sicher zu fühlen. Nicht in so einer Situation, in einem fremden Haus, einem fremden Staat, bei einem fremden Mann.

Colton zog seufzend die Jacke zurück und fuhr sich frustriert durch sein braunes Haar. Es war an den Seiten etwas kürzer, dafür auf dem Kopf ein wenig länger. Es stand ihm. Und ja, es fiel mir auf. Ich war schließlich auch nur ein Mensch, der nicht tot war. Noch nicht zumindest...

"Also, was hast du jetzt vor?", fragte ich ihn und trat noch einen Schritt zurück. Colton verdrehte die Augen und machte eine wegwerfende Handbewegung. Dabei zog er eine Augenbraue hoch und machte einen Schmollmund. Großer Gott im Himmel...

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