Kapitel 5

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"Ich gehe in den Aufenthaltsraum. Kommst du mit?", sagte Luisa, nachdem wir nach der letzten Stunde, die wir gemeinsam hatten, in unser Zimmer kamen. Es war Freitag und die Woche verging eigentlich ziemlich gut. Ich hatte ein paar Freunde gewonnen, aber mit Luisa verstand ich mich noch am besten. Es stellte sich heraus, dass ich insgesamt 4, ich wiederhole, 4 Fächer mit Eric zusammen habe. Literatur, Deutsch, Sport und Chemie. Aber seit dieser Auseinandersetzung in Deutsch hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen. Es ist wirklich komisch, wenn man nach langer Zeit auf einen alten, sehr guten Freund trifft und dann nicht mehr miteinander spricht.

"Nein, ich fahre gleich ins Krankenhaus.", antwortete ich, als ich mir meine Jacke anzog und eine Tasche über die Schulter warf.

"Was machst du im Krankenhaus?",fragte sie mich besorgt. Es war nett zu sehen, dass sie sich jetzt schon Sorgen macht, aber sie sollte sich nicht unnötig Sorgen machen. "Keine Sorge. Ich bin da freiwillig und beschäftige die Kinder, deren Eltern entweder nicht mehr da sind oder keine Zeit haben, weil sie sich um anderes kümmern müssen." Das tue ich schon seit 2 Jahren und es macht mir wirklich Spaß. Es ist wirklich herzerwärmend zu sehen wie glücklich die Kinder sind, obwohl sie gesundheitliche Probleme haben.

Dann lächelte sie wieder, aber ihr Gesichtsausdruck änderte sich wieder. Sie sah nachdenklich und unsicher aus. Ihr Blick verunsicherte mich, ob ich plötzlich irgendwas falsch gemacht hätte, aber dann fragte sie:" Kann ich dich was fragen?"

"Ehm.. klar.", beunruhigt diese Frage sonst noch jemanden ?

"Aber du musst es nicht beantworten, wenn es zu persönlich ist.", versicherte sie mir. Was konnte sie mich denn fragen, dass sie jetzt so unsicher ist. Aber ich versicherte ihr, dass es kein Problem wäre.

"Also... Du bist immer so positiv und vertraust mir schon ein wenig, obwohl wir uns noch nicht so kennen. Und du bist für alles offen. Und die meisten, die ich kenne, denen es wegen ihren Eltern so geht, denken ganz anders. Wie machst du das?", ok. So eine Frage hatte ich wirklich nicht erwartet. Aber die Antwort dazu war nicht besonders schwer.

"Ich hatte auch meine Probleme; habe ich immer noch manchmal.", in letzter Zeit war ich zu beschäftigt, "Aber ich hatte genug Zeit und hatte Freunde, die mir geholfen haben.", antwortete ich. Ich weiß, dass viele nicht in so ein Kinderheim wollen, aber wenn ich nicht dort gewesen wäre, hätte ich nie Eric, Julia, Adam und ein paar andere kennengelernt. Eric war derjenige, der mich dazu brachte wieder mit anderen zu reden und alles zu verarbeiten. Das ist einer der Gründe wieso ich es wirklich schlimm fand, dass wir keinen Kontakt mehr hatten und dass wir jetzt nicht miteinander reden. Fragt mich nicht wie er es geschafft hatte, aber er hat es irgendwie getan. Ich habe wirklich mit niemandem geredet, nachdem ich meine Eltern verloren habe. Ich wollte alles nicht wahr haben und es wurde schlimmer, als ich ins Wohnheim kam, aber er war danach der erste, der mich aus der Reserve locken konnte.

Luisa kam auf mich zu und umarmte mich fest. Ich war überrascht, aber erwiderte die Umarmung.

"Weißt du, ich bin froh, dass du meine neue Mitbewohnerin bist. Du bist viel besser als die andere.", sagte Luisa dann lachend und brachte mich auch zum lachen.

*

"Nathalie!", rief die kleine Sina und sprintete auf mich zu, sobald sie mich durch die Tür des Spielzimmers kommen sah. Sina ist eine der Patienten der Kinderabteilung des Krankenhauses. Ich nahm sie in meine Arme und achtete darauf, dass ich ihr nicht weh tat. Sie lachte mich an und nachdem ich sie absetzte, zog sie mich sofort mit zu ein paar Puppen und wollte spielen. Sina ist vor 2 Jahren an Krebs erkrankt, kurz bevor ich hier angefangen habe, und kämpft seit dem dagegen an. Inzwischen ist sie 8 Jahre alt. Außerdem hat sie letztes Jahr ihren Vater verloren, hat noch ihre Mutter und ein paar Verwandte. Sie hat so viel durchgemacht, obwohl sie gerade mal 8 Jahre alt ist und sie ist trotzdem so lebensfroh. Ihre Mutter ist immer so oft wie möglich hier und eine wirklich sehr nette Person, aber während den Spielzeiten in denen die Kinder alle zusammen spielen können, geht sie und macht ihre Arbeiten. Sie hat auch ihre Arbeitszeiten so verändert, dass sie nachts arbeiten kann und tagsüber für ihre Tochter da ist. Diese beiden sind wirklich tolle Menschen und ich habe gelernt sie zu lieben.

My so called best friendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt