Kapitel 15

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Die Zeremonie dauerte länger, als ich gedacht hatte. Schon seit über einer Stunde stand ich mir neben Traian und vielen anderen vor der Kapelle die Beine in den Bauch und quengelte ab und zu.

"Herr im Himmel!" stieß er schließlich genervt aus. "Du bist nicht nur zu stolz, unbeehrscht und eitel, sondern auch in einem extremen Maße ungeduldig."

"Ich bin eitel?"

"Ganz offensichtlich."

Ich grummelte ein wenig, musste ihm aber letztendlich Recht geben. So, wie ich mich vorhin aufgeführt hatte, musste ich eitel sein. Mit einem Seufzer lenkte ich das Gespräch auf ein angenehmeres Thema. "Wie wird es nach dem heutigen Tag weiter gehen?"

"Ich werde mit Lord Adrian wohl noch einige Tage hier bleiben, bis er beschließt, zu gehen." Er sah mich kurz an. "Ich vermute, dass du nach London zurückkehren kannst, wann du willst. Du bist weder an den Lord noch an die Lady gebunden."

"Hm", meinte ich nur. Einerseits hatte ich zuhause einen Laden zu führen und die Ausbildung meines Lehrlings zu Ende zu bringen, andererseits widerstrebte es mir, den ganzen Frohsinn hier für eine einsame Heimreise zurück zulassen. Vielleicht konnte ich Adrian dazu überreden, schon morgen oder übermorgen zu fahren. Blödsinn, schalt ich mich selbst. Warum sollte er seine Schwester gleich nach deren Hochzeit verlassen, wo er doch ihr einziger noch lebender Verwandter war? Und vor allem: warum sollte er sich nach mir richten?

Meine Überlegungen wurden unterbrochen, als sich die Doppeltür der Kapelle auftat. Die Musiker fingen an, ein fröhliches und gleichzeitig majestätisches Lied zu spielen und nach einem Moment trat das Brautpaar Hand in Hand hinaus.

Die Leute fingen an zu klatschen und Glückwünsche zu rufen und beugten sich vor, um einen Blick auf die beiden zu erhaschen, während sie durch die gebildete Gasse gingen, somit sah ich sie erst, als sie auf meiner Höhe vorbei schritten.

Ich hatte den Earl noch nie zuvor gesehen oder auch nur etwas über ihn gehört, aber trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, war ich beeindruckt von seinem Auftreten. Sein erhobenes Kinn, der aufrechte Gang und die zielgerichteten Bewegungen ließen auf eine gute Portion Stolz und Erhabenheit schließen, allerdings wirkte er nicht überheblich. Auch äußerlich hatte er einiges zu bieten mit dem schimmernden rotgoldenen Haar und den ebenmäßigen Gesichtszügen. Während ich sie beobachtete, sahen sich die frisch Vermählten an und der Earl lächelte. Und plötzlich war ich mir sicher, dass die Lady in guten Händen war.

Die beiden waren schnell vorüber und ihnen folgten die Gäste, allen voran diejenigen, die auch in der Kapelle waren, zu den Tischen, an denen bald das Essen serviert werden würde. Auch Traian und ich folgten dem Zug zu den Pavillons und setzten uns an einen der Tische am Rand. Gleich darauf wurden wir mit Getränken und der Vorspeise versorgt.

Lächelnd sah ich dem ganzen Pomp zu, bis mir schließlich ein Gedanke kam. Verschlagen grinsend sah ich Traian an. "Sag, hast du schon mal daran gedacht, bald zu heiraten?"

Er hob die Augenbraun. "Was bringt dich auf diese Fragen?"

"Gibt es ein Mädchen, dass du heiraten würdest?"

Aus seiner Verwunderung wurde Ärger. "Diese Frage beantworte ich nicht!"

"Ha!" Ich lehnte mich triumphierend zurück. "Also gibt es eines. Wie heißt sie? Wie lange kennt ihr euch schon?"

Er warf mir einen missmutigen Blick zu, antwortete aber. "Ann. Wir kennen uns schon seit Jahren."

"Ann. Und ihr kennt euch schon seit Jahren. Aber ihr seid nicht verheiratet? Oder verlobt?"

"Nein, wir haben noch nicht darüber gesprochen."

"Sag bloß, du hast Angst vor ihrem Vater." Ich lachte. "Ich würde sie gerne mal kennen lernen. Mich würde interessieren, welchen Typ Frau du anziehend findest."

Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt