Kapitel 6

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Kurze Zeit später waren wir auf dem Weg nach Northhampton und ich versuchte mich trotz des ständigen Holperns der Kutsche auf die Nadel und den Stoff in meinen Händen zu konzentrieren. Nach ein oder zwei Stunden legte ich das unfertige Mieder in meinen Schoß und atmete die kühle vorbeirauschende Luft ein. Einerseits, um meinen perforierten Fingern eine Pause zu bieten, andererseits, um meinen Magen zu beruhigen.

"Ist alles in Ordnung?"

Ich zog meinen Kopf in die Kutsche zurück und lächelte Traian mörlichst überzeugend an. "Ja, warum?"

"Du siehst... blass aus."

Ich schluckte ein wenig Galle hinunter, bevor ich antwortete. "Es geht mir gut." Er hob eine Augenbraun. "mir ist nur etwas übel."

"Dir ist schlecht?" Lady Eleanor wollte die Temperatur an meiner Stirn fühlen, doch ich wehrte ihre Hand ab. "Wir sollten eine Pause machen. Die Strecke ist nicht so lang und wir haben Zeit."

"Nein, es geht-"

"Hast du vielleicht etwas schlechtes gegessen? Mich würde es nicht wundern, wenn der Wirt uns etwas verdorbenes vorgesetzt hat."

"Nein, ich glaube-"

"Ist dir kalt? Hast du Fieber? Adrian haben wir Kamillentee dabei? Der beruhigt und außerdem-"

"Himmel nochmal!" Verzweifelt riss ich die Tür auf und tat eines der dummen Dinge, die man in seinem Leben halt so machte. Ich sprang auf der fahrenden Kutsche. Die Landung war, wie nicht anders zu erwarten, ziemlich grob, ich spürte den Schmerz jedoch kaum, da ich mich im gleichen Moment übergab. Erst, als ich von dem Erbrochenen wegkroch, schien es, als bohrten sich tausend Nadeln auf einmal in mein Bein. Ich stöhnte.

"Catherine, ist alles in Ordnung?"

Was für eine blöde Frage! Trotz der unangenehmen Situation musste ich lachen, wenn auch nur kurz. Traian reichte mir eine Wasserflasche und ein Tuch, wandte sich aber nciht ab, wie man es von einem höflichen Diener nach so einem Vorfall erwarten würde. Ich fuhr mir über den Mund und funkelte ihn wütend an. "Ist das etwa so interessant?"

"Catherine, dreh dich um." Seine Stimme klang überraschend ernst.

"Warum?"

"Tu es einfach."

Seufzend ließ ich mich auf meinen Hintern fallen. Dann sah ich, was er gesehen hatte. Meine einst hellgraue Hose hatte sich von meinem linken Knie abwärts rot verfärbt. Blutrot. Merkwürdigerweise wurde ich bei dem Anblick ganz ruhig. Gelassen beugte ich mich vor und vergrößerte das Loch im Stoff, das vermutlich ein Stein hineingerissen hatte, bis mein Schienbein ganz frei lag. Wegen des ganzen Blutes konnte ich nicht viel erkennen, doch zwischen all dem Rot sah ich etwas helles hervorblitzen. Meinen Knochen. Ich lachte. "Das ist ja wie beim Anatomieunterricht."

Stirnrunzelnd betrachtete Traian die Wunde. "Du hattest Anatomieunterricht?"

"Nein. Ich nicht, aber mein Bruder." Dann wurde ich zum Glück ohnmächtig.


Das erste, was ich tat, nach dem ich zu mir gekommen war, war mein Gesicht zu verziehen. Vor Schmerzen, denn mein Schienbein brannte höllisch. Am liebsten wäre ich gleich wieder in das sanfte Schwarz zurückgesunken, doch ein Schatten viel auf mich, also öffnete ich blinzelnd meine Augen.

"Gut, du bist wieder wach." Traian. Ich glaubte, so etwas wie Erleichterung in seiner Stimme zu hören. "Trink das."

Er hielt mir eine Flasche an die Lippen, doch ich verschluckte mich und stieß hustend seinen Arm weg. "Das schmeckt grauenhaft. Das trink ich nicht."

Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.Donde viven las historias. Descúbrelo ahora