Kapitel 6 - Dora

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Der Nachrichtenton meines Handys riss mich aus dem Schlaf. Wer ist das denn jetzt? Ich tastete in meinem noch verdunkeltem Schlafzimmer nach meinem Smartphone und erblindete fast als ich auf den Homebutton drückte. Die Uhr zeigte 07:45 Uhr und auf dem Bildschirm war eine ungelesene Nachricht von einer unbekannten Nummer zu sehen. Zunächst war ich etwas beunruhigt. Ich hasste es nicht zu wissen mit wem ich es zu tun hatte. Das ist auch einer der Gründe warum ich erst gar nicht ans Telefon ging wenn ich nicht wusste wer dran ist. Nachdem der PIN eingegeben war, wich der Sperrbildschirm einem Bild von Hanna, Lena und mir in Madrid, wo wir letztes Jahr zusammen Urlaub gemacht hatten.

Neben dem Icon von WhatsApp prangte eine eins, die ich drückte um die Nachricht zu öffnen.

>> Hey Dora. Ich hoffe du erinnerst dich noch an mich. Groß, blond, blauäugig, fasziniert von dir. Na, klingelt es? <<

Ich musste nicht lange überlegen, wer mir diese Nachricht geschrieben haben musste. Lars von gestern Abend war mir lange nachdem ich schon Zuhause war noch im Kopf herumgespukt.

Ich drückte in die leere Zeile um eine Antwort zu verfassen.

>>Lars, richtig?<<

Keine Minute später kam eine neue Nachricht ein.

>>Der einzig wahre. Hat die Dame denn heute schon was vor?<<

Wurde ich gerade wirklich auf ein Date eingeladen? Meine letzte Beziehung war schon ungefähr zwei Jahre her und irgendwie machte genau das mich echt nervös. Aber warum sollte ich mir das entgehen lassen? Wie oft kommt es vor, dass ein so gutaussehender Mann genau MICH nach einem Date fragt? Ich redete mir selbst gut zu und schrieb ihm, dass ich für heute noch nichts geplant hatte.

>>Ich bin um 18:30 Uhr bei dir. Adresse?<<

Schon eineinhalb Stunden bevor ich zu meinem Date abgeholt wurde, stand ich im Badezimmer vor dem Spiegel und begann mich fertig zu machen. Ich war sichtlich nervös und obwohl ich durch meinen Beruf wirklich geübt im Lidstrich ziehen war, gelang es mir erst beim zweiten Versuch. Meine Haare ließ ich mir in Locken auf die Schultern fallen und bevor ich das Bad wieder verließ, spritzte ich mir zwei Spritzer meines liebsten Duftes an den Hals und die Handgelenke. 

Pünktlich um halb sieben klingelte es an der Wohnungstür.

Durch den Spion konnte ich nichts sehen, außer einen großen Strauß Rosen. Ich öffnete die Tür und hinter den Blumen kam Lars zum Vorschein. "Hier. Die sind für dich. Wunderschön siehst du aus!" Lars kam herein und wir küssten uns zur Begrüßung auf die Wangen. "Danke dir." Ich spürte wie meine Wangen sich röteten. "Ich stelle sie eben in eine Vase.", sagte ich zur Ablenkung und Lars folgte mir in die Küche wo ich eine schlichte Glasvase mit Wasser füllte. "Schön hast du es hier." Er sah sich genau um und musterte meinen von den 60er Jahren inspirierten Einrichtungsstil.

"Was hast du denn vor?", fragte ich als ich mich neben ihn auf den Beifahrersitz seines roten Audi S5 fallen ließ. "Lass dich überraschen." Er grinste verschmitzt und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. Etwas, dass ich eigentlich beim ersten Date nie zulassen würde aber mir bei ihm komischerweise sehr vertraut vorkam. Er legte den richtigen Gang ein und die Limousine setzte sich in Bewegung.

Circa 20 Minuten Fahrzeit später, kam Lars Auto auf dem Parkplatz des Sealife München zum stehen. Er stieg aus, ging um den Audi herum und hielt mir die Tür auf: "Die Dame." "Der Herr." Ich stieg aus dem Wagen und schulterte meine Handtasche.

"Wir gehen ins Aquarium?", fragte ich neugierig als wir auf den Eingang zuliefen. "Ja warum nicht? Ich dachte, dass wäre mal etwas anderes." Am Eingangsbereich entschuldigte sich Lars für einen Moment und ging zu einer Dame im Sealife T-Shirt, die hinter dem Tresen saß. Ich konnte nicht verstehen über was er mit ihr sprach aber kurz später wurden wir durch eine Tür geführt, auf dem dick "PERSONAL" geschrieben stand. Nachdem wir einige Male in grauen nicht stark beleuchteten Gängen abgebogen waren, öffnete sich vor uns erneut eine Tür und blaues Licht strahlte uns entgegen als wir den Raum betraten, der sich hinter der Tür verbarg. Wir waren Mitten in einem riesigen Aquarium angelangt. Ein kleiner Raum, wirklich nicht groß, aber mit Wänden und einer Decke aus Glas. Überall schwammen bunte Fische und ein Hai glitt in diesem Moment über unsere Köpfe. Mein Mund blieb offen stehen: "Wow! Das ist der Wahnsinn!" So begeistert und abgelenkt von der bunten Tierwelt hinter der Scheibe, entging mir völlig der kleine Tisch, der wunderschön für zwei gedeckt, in der Mitte des Raumes stand. Lars zog einen der Stühle vom Tisch weg: "Darf ich die Dame trotz grenzenloser Begeisterung zum Dinner bitten?" Er hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Sicher nicht weil ihm die Fische so gefallen hatten, eher weil er sich freute mit seiner Idee so ins Schwarze getroffen zu haben. Er nahm mir meinen Mantel ab, den ich über mein dunkelrotes Kleid angezogen hatte, hing ihn über den Stuhl und schob diesen wieder heran als ich mich setzte. Auch er legte seine Jacke ab und nahm mir gegenüber Platz. Erst jetzt bemerkte ich die leise klassische Musik, die aus versteckten Lautsprechern im Boden kam und der Atmosphäre noch mehr Romantik verlieh.
Dann betrat unser persönlicher Kellner für den Abend den Raum und begrüßte uns mit einem leckeren Aperitif. Lars und ich stießen an und sprachen einen Toast aus: "Auf den wunderschönen Abend!"

Love, Hate& Everyday InsanityWhere stories live. Discover now