14.Kapitel

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Ich saß im Schneidersitz in der Küche vor dem Backofen und sah zu wie die Muffins langsam aufgingen. Heute würden Chris und Andreas vorbeikommen und es gab ein Abschiedsessen. Mittlerweile kam ich ein bisschen besser damit klar, dass er weggehen würde, zumindest hatte ich mich mehr an den Gedanken gewöhnt. Wie es allerdings war, wenn er dann wirklich weg war wusste ich nicht.

Mit einem leisen Seufzen ließ ich meine Stirn gegen das warme Glas des Ofens sinken. Der Schokoladengeruch der Muffins strömte mir in die Nase, aber wirklich Hunger hatte ich nicht. Ich war in letzter Zeit ständig so lustlos, woran das lag konnte ich auch nicht sagen. Ich schätze, ich war einfach überfordert mit der Situation.
Chris war tatsächlich mein Vater...das klang so absurd.
Trotzdem fühlte ich mich so wohl bei ihm... Ich wollte nicht, dass er ging. Irgendwie hatte ich das Gefühl als bräuchte ich ihn... Ging es ihm genauso? Oder war das für ihn nicht so wichtig?

Chris p.o.v.

Andreas parkte vor dem Haus und seine Kinder stürmten sofort aus dem Auto.
Heute war das Abschiedsessen. Mit Emily. Meiner Tochter. Es fühlte sich immer noch komisch an das zu denken. Das alles war so neu und kam so unerwartet.
Ich war schließlich schon lange Zeit in keiner Beziehung mehr, geschweige denn hatte ich über Kinder nachgedacht. Und jetzt hatte ich eine Tochter. Und sie war bereits 16.
Auf einmal war ich unglaublich wütend auf mich selbst. Dieses Mädchen musste jetzt erfahren, dass ihr Vater gar nicht ihr Vater war, sondern stattfessen ein völlig fremder Mann. Und das alles nur, weil ich betrunken so einen dummen Fehler machte. Das musste ziemlich schwer für sie sein.

Sie wirkte so lieb und sanft. Und mit einem Mal war ich unglaublich enttäuscht, dass ich sie nicht hatte aufwachsen sehen. Ich wollte all die verlorene Zeit am liebsten sofort nachholen, aber ich wusste gar nicht, ob sie das auch wollte. Vielleicht mochte sie mich gar nicht als Vater? Schließlich hatte sie bereits einen und vielleicht wollte sie mich auch gar nicht als Teil ihres Leben sehen.
Ich könnte es ihr nicht verübeln. Ich war ja nie da gewesen als sie kleiner war und jetzt stand ich auf einmal als ihr Vater vor der Tür? Ich wollte mich nicht einfach in ihr Leben drängen, wenn sie damit möglicherweise gar nicht klar kam.
Tja und jetzt ging ich auf Tour.
Ich hatte ewig hin und her überlegt, ob das eine gute Idee war. Ich dachte mir vielleicht tat ihr etwas Abstand gut, dass sie darüber nachdenken konnte, ob sie mich überhaupt als Vater wollte.

Mit geschlossenen Augen ließ ich meinen Kopf gegen die Autoscheibe fallen. Dann schlug ich ihn nochmal dagegen. Und nochmal.

"Was soll das denn werden wenns fertig ist?", fragte Andi leicht grinsend.
"Wie blöd stell ich mich an?", stellte ich die Gegenfrage, meine Augen immer noch geschlossen.
"Ach Chris...", meinte er und boxte mir leicht gegen die Schulter.
"Du machst das gut, glaub mir. Sie mag dich jetzt schon unglaublich. Und ich denke nicht, dass sie irgendwie wütend auf dich ist".
"Meinst du?", fragte ich skeptisch. Sie hätte schließlich allen Grund dazu.
"Nein, sie nutzt doch jetzt schon jede freie Minute mit dir. Das wird alles schon, keine Sorge".
Nachdenklich nickte ich. "Ja...wahrscheinlich hast du Recht".
Er lachte.
"Klar, ich hab immer Recht. Und jetzt komm, die warten bestimmt schon". Ich nickte erneut und wir stiegen aus und machten uns auf den Weg zur Haustür.

Ehrlich Brothers-Verlorene Familie ffWhere stories live. Discover now