Schokopudding, Ouija-Bretter

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Lisa und Hiwa scheinen sich gut zu verstehen. Sobald Lisas Vater weg ist, plaudern sie. Sie reden über Gott und die Welt. Nichts besonders interessantes, nichts, das die Welt erschüttert. Ein ganz normales Gespräch, wie es jeden Tag an jeder Schule hundertfach stattfindet. So erfahre ich, dass Hiwa zwei Geschwister hat und Lisa drei. Ich erfahre, dass Lisa Gruselgeschichten über alles liebt und ein Ouija-Brett ganz unten in ihrem Rucksack versteckt hat. Das möchte sie heute Abend ausprobieren. Ich habe ein paar Mal versucht mich in ihr Gespräch einzumischen, aber ich bin in sowas echt nicht gut. Sie ignorieren mich. Nein, das stimmt nicht. Das würde bedeuten, dass sie es absichtlich tun. Aber ich glaube eher, dass sie mich einfach nicht wahrnehmen. Vielleicht sollte ich Lärm machen und rumschreien. Aber dann würden sie mich für einen Freak halten.

Als die Sonne bereits die alte Eiche in goldenes Licht taucht, beschließen meine Mitbewohnerinnen sich etwas zu essen zu besorgen. Dass die Schulkantine den Ruf hat, verflucht schlecht zu kochen, hat keine von ihnen bis jetzt mitbekommen. Woher sollen sie das auch wissen? Sie sind neu hier und meinen Einwurf, lieber die 500 Meter zum nächsten Kiosk zu laufen, haben sie überhört. Also dackel ich den beiden hinterher. Hiwa bietet Lisa nervös an, ob sie sie schieben soll, aber Lisa deutet ihr einen Vogel und rollt schnell weiter. Erst als Hiwa bittet, etwas langsamer zu fahren, bremst Lisa. Stolz lacht Lisa sie an.

Ob ich alleine zum Kiosk gehen soll? Dann könnte ich mir das Kantinenessen sparen. Aber jetzt bin ich schon vor dem Haus und irgendwie fühlt es sich so an, als müsste ich mitgehen. Als würde mich ein unsichtbarer Faden mitziehen. Also folge ich den Mädchen.

Wir wandern durch Regalschluchten, jede mit einem Tablett in der Hand. Lisa und Hiwa türmen Leckereien auf, sie wissen nicht, dass alles hier anders schmeckt, als  es aussieht. Dieser Salat wird nach Gummi schmecken, der Kuchen nach Salz und das Brot nach Zucker. Das einzig gute.....ach, da ist er: Der Schokopudding. Der schmeckt wirklich nach Schokolade und Pudding. Doch ihm geht es genau wie mir: Er sieht nicht ganz so gut aus wie der Salat und der Kuchen und die belegten Brote, deswegen nimmt ihn niemand wahr.

Zusammen setzen wir uns an einen Tisch am Rande des Raums. Plötzlich runzelt Hiwa die Stirn. "Sag mal", murmelt sie, "Wem gehört der Pudding da? Hast du ihn dir mitgenommen?"

Lisa schüttelt unbesorgt den Kopf: "Nein, meiner ist das nicht. Schmeckt wahrscheinlich genau gleich gut wie er aussieht und die, die vor uns hier waren, haben ihn einfach stehen gelassen."

Unsicher zuckt Hiwa mit den Schultern. "Ich weiß nicht", murmelt sie, "Ich könnte wetten, dass der davor noch nicht da war..."

"War er auch noch nicht, das ist meiner!", antworte ich nervös. Ich bekomme keine Antwort. Also beginne ich mir frustriert Pudding in den Mund zu stopfen.

Hiwa wird blass. "Schau doch, Lisa!", keucht sie und deutet auf die Schüssel, "Der....der Pudding! Wohin...Wie...?"

Lisas Blick folgt ihrem ausgestreckten Finger, ihre Augen weiten sich. "Damn!", murmelt sie. Sie blickt zu Hiwa, dann zum Pudding und dann wieder zu Hiwa. "Weißt du was das bedeutet?", haucht sie, "Die Schule ist verflucht! Zumindest dieser Teil hier! Pudding, der einfach verschwindet? Heute Abend kommen wir hier her, nehmen eine Schüssel Pudding und das Ouija-Brett mit und finden heraus, was hier gespielt wird!"

"Das ist gruselig", murmelt Hiwa, "Meine Großmutter hat immer gesagt, ich soll mich auf keinen Fall mit verlorenen Seelen anlegen."

"Ich bin keine verlorene Seele!", fauche ich die zwei an. Langsam habe ich die Nase voll von ihrem dämlichen Getue. Die kennen mich gar nicht und machen sich einen Spaß daraus, mich zu ignorieren! "Wollt ihr mich loswerden?", frage ich sie direkt und wische mir eine aufkommende Träne aus dem Augenwinkel, "Wenn ja, dann sagt es mir doch einfach! Dann gehe ich zur Schulleitung und bitte sie darum in ein anderes Zimmer verlegt zu werden!"

Sie antoworten mir nicht. Natürlich nicht. Und auch, wenn ich mich schrecklich fühle und am liebsten weglaufen würde, sitze ich kurz vor Mitternacht wieder in der Kantine. Alles ist dunkel, mir ist zu kalt.

Mit ernster Mine klappt Lisa das Ouija-Brett vor sich auf. Zusammen legen wir die Finger auf das kleine Dreieck mit dem Loch in der Mitte. Hiwa ist leichenblass. Es ist klar, dass sie Angst hat. Am liebsten würde sie sofort wegrennen, weg von diesem verfluchten Raum, in ihr Bett.

Lisa räuspert sich, "Geist, bist du da?" Nichts passiert. Lisa und Hiwa schauen sich an und zucken mit den Schultern. "Geist, wir haben dir Pudding mitgebracht, bist du da?"

Langsam nehme ich meine Finger vom Dreieck. Ich verschränke die Arme und blicke sie an. Lisa versucht es erneut: "Geist, bist du da? Wir haben dir Pudding mitgenommen!"

"Das funktioniert nicht!", maule ich genervt, "Hier gibt es keine Geister! Hört doch endlich auf mich zu ignorieren!"

Lisa und Hiwa zucke hoch und starren in meine Richtung. Und dann schreien sie.

ApfelwolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt